Für Industriekommissar Thierry Breton hat Halbleiterproduktion in Europa oberste Priorität.

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Die Corona-Pandemie hat in den vergangenen zwei Jahren viele strukturelle Schwachstellen in den Staaten der Europäischen Union aufgezeigt – nicht nur die Abhängigkeit von der Belieferung mit medizinischem Schutzmaterial und Medikamenten aus Asien, vor allem aus China. Die in der Krise gestörten oder unterbrochenen Lieferketten im Welthandel brachten vor allem in der technischen Industrieproduktion, bei Autos und Elektronik gröbere Schwierigkeiten, weil Rohstoffe und Bauteile nicht ausreichend lieferbar waren.

Ein ganz spezielles Problem betrifft dabei das Fehlen von elektronischen Bauteilen, Halbleitern und Computerchips, ohne die die meisten Geräte heutzutage nicht mehr funktionieren. Wie bei Medikamenten wurde ein Großteil der europäischen Produktion in den vergangenen zwanzig Jahren nach Asien ausgelagert. Taiwan ist neben China einer der größten Lieferanten der Welt, neben den auf dem Gebiet der Computertechnologie traditionell starken USA.

Eigene "Chipstrategie"

Die EU-Kommission hat 2021 begonnen, eine umfassende eigene "Chipstrategie" zu entwickeln, nicht zuletzt aus sicherheitspolitischen Überlegungen. China droht seit Jahren damit, sich das unabhängige Taiwan einzuverleiben. In diesem Fall wäre die EU – ähnlich wie bei der Energieversorgung mit russischem Gas im aktuellen Konflikt mit Moskau wegen der Ukraine – an einer wichtigen Stelle verletzbar.

Am Dienstag stellte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Grundzüge des von Industriekommissar Thierry Breton erarbeiteten Plans vor. Demnach soll der Anteil Europas an der weltweiten Produktion auf 20 Prozent verdoppelt werden. Sowohl aus staatlichen wie aus privaten Mitteln wollten die EU-Länder bisher 30 Milliarden Euro an Investitionen aufbringen.

Weit über 40 Milliarden

Die Kommission will nun weitere elf Milliarden Euro aus dem gemeinsamen Budget zur Forschung und Entwicklung der modernsten und energiesparendsten Halbleiter beitragen. Gemeinsam mit privaten Investitionen soll dies auf 15 Milliarden gesteigert werden, eine der größten EU-Subventionen für einen einzelnen Sektor.

Um den Effekt zu verstärken, sollen die prinzipiell strengen EU-Wettbewerbsregeln, die staatlichen Subventionen enge Grenzen setzen, ausnahmsweise gelockert werden – so wie das wegen der Pandemie ab 2020 ganz generell gemacht wurde. Durch den "European Chips Act" soll die staatlich geförderte Halbleiterproduktion auch dann präferiert werden, wenn die EU-Wettbewerbsregeln wieder verschärft werden, das ist für 2023 geplant. Innovative Produkte sollen Vorrang bekommen, nicht zuletzt mit dem Ziel, Europa auf diesem Gebiet für die Finanzmärkte, für öffentlich-private Investitionen attraktiver zu machen.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck zeigte sich erfreut, so könne ein Neustart der Chipproduktion gelingen. Österreich ist in der EU ein relativ wichtiger Standort für Mikroelektronik. Kommissar Breton erachtet den Plan als "ökonomische und geopolitische Priorität". Bei einem Mangel an Mikrochips werde die gesamte Wirtschaft abgebremst. (Thomas Mayer, 8.2.2022)