Über die Praterbrücke auf der A23 müssen alle, die von Süd und Ost in den Norden der Bundeshauptstadt wollen.

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Wien – Die von Ulli Sima versprochene Entlastung der A23 Südosttangente vom Schwerverkehr im Fall der Errichtung der Nordostumfahrung S1 (mit Lobautunnel) klingt beeindruckend: 900.000 Transit-Lkws würde die Umwelt- und Verkehrsstadträtin pro Jahr von der Stadtdurchfahrt aussperren, also nicht auf der notorisch verstopften Tangente fahren lassen, sofern der von Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) gestoppte Lobautunnel doch gebaut würde.

Die unter Berufung auf die mit Autobahnen- und Schnellstraßenbau und -betrieb betraute Bundesgesellschaft Asfinag wiederholt genannten Zahlen sind eine nähere Betrachtung wert. Denn sie korrespondieren nur bedingt mit den von eben dieser Asfinag im Zuge der Umweltverträglichkeitsprüfung vorgelegten Verkehrszahlen und -prognosen bis 2025 bzw. 2035.

Sima sagt, 900.000 Transit-Lkws pro Jahr müssten über die S1 und die unterirdische Lobauquerung fahren, dürften das Stadtgebiet nicht mehr queren. Was wie ein Heilsversprechen klingt, ist allerdings eher ein Eingeständnis, dass sich das Schwerverkehrsaufkommen in den vergangenen 15 Jahren bei weitem nicht so dramatisch erhöht hat, wie bei den Verkehrserhebungen und -hochrechnungen im Jahr 2011 angenommen. Zumindest passen die in den UVP-Einreichunterlagen angegebenen Lkw-Zahlen von 2005 und den Folgejahren mit den von Sima via Aussendung publizierten Zahlen nur bedingt zusammen.

Tausende Laster pro Werktag

Der die A23 passierende Lkw-Bestand wurde in der UVP für 2005 mit im Durchschnitt 18.200 Lkws pro Werktag angegeben, also rund 4,6 Millionen Laster pro Jahr (Samstag/Sonntag gilt teilweise Fahrverbot, es geht also um rund 260 Werktage pro Jahr). Von diesen waren nach der Faustregel der Asfinag, auf die sich das Büro Sima beruft, ungefähr ein Viertel, also 1,17 Millionen, sogenannte Transit-Lkws. Pro Tag ergab das 4500 Transit-Lkw im Jahr 2005. Die überwiegende Zahl war und ist also Quell-Ziel-Verkehr, der nach Wien hineinliefert und wieder wegfährt – und schon prinzipbedingt nicht von der Stadtautoahn A23 ausgesperrt werden kann.

Die Wiener Verkehrsstadträtin Ulli Sima verspricht Entlastung auf der überlasteten Südosttangente – wenn denn die Nordostumfahrung samt Lobautunnel gebaut würde.
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Sima hingegen gibt in ihren Aussendungen die Zahl der Lkws auf der A23 mit 10.000 pro Tag an, davon 25 Prozent Transit-Lkws, also rechnerisch 2500 Lkws pro Tag. Vergleichbar sind die Zahlen aufgrund der Zählweise nicht beziehungsweise nur bedingt, das räumt man auch im Büro der Stadträtin ein. Denn der Erhebung und Verkehrsprognose für die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) liegt der durchschnittliche tägliche Verkehr an Werktagen (DTV-W) zugrunde und nicht die durchschnittliche Verkehrsbelastung gesamt, also die Menge der Kfz, die den Messpunkt in 24 Stunden an sieben Tagen die Woche passiert.

Umgerechnet auf Werktagsverkehrbetrachtung lassen freilich auch diese Zahlen einen überraschenden Schluss zu: Der Schwerverkehr auf der A23 erhöhte sich zwar Jahr für Jahr, erreichte aber nicht annähernd die auf Basis 2005 vorausgesagten Werte. Gemäß den UVP-Zahlen würde sich der Lkw-Verkehr (ab 3,5 Tonnen) auf der Praterbrücke, einem der neuralgischen Punkte der A23, bis 2025 im werktäglichen Verkehr gegenüber 2005 von 18.200 auf 26.200 Lkws erhöhen.

Transit-Lkws nicht gezählt

Wiewohl das Lkw-Aufkommen stetig steigt, von Werten jenseits der 20.000 ist man noch weit entfernt. 2012 zählte die Asfinag an der Zählstelle Praterbrücke werktags 14.000 Lkws. 2019 waren es 15.000 und im November 2021 wurden 16.000 Laster ausgewiesen.

Zum Vergleich: Im UVP-Verkehrsmodell wurde der Südosttangente bis 2035 gar eine Zunahme an Lkws auf 29.200 bzw. 31.100 in Aussicht gestellt. Dies allerdings unter der Voraussetzung, dass die Nordostumfahrung S1 bis dahin bereits in Betrieb ist. Das zeichnet sich derzeit allerdings nicht ab. Ein Nullplanfall, also der Verzicht auf S1 und Lobautunnel, wurde damals gar nicht ins Kalkül gezogen.

Wie auch immer sich der Schwerverkehr entwickeln wird: Die angebotene Entlastung um 900.000 Transit-Lkws ist mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Denn die Asfinag erhebt die Zahl der Transit-Lkws gar nicht, teilte eine Sprecherin am Dienstag mit. (Luise Ungerboeck, 9.2.2022)