Die Archäologinnen Michaela Binder und Jasmin Hangartner wünschen sich mehr öffentliche Vermittlung des archäologischen Erbes in Österreich.

"Habts scho was gfunden?" – eine Frage, die wir Archäologinnen und Archäologen relativ oft zu hören bekommen. Vielleicht sind Sie auch schon einmal an einer Baugrube oder einer Künette vorbeigegangen, in der mehrere, oft junge Menschen auf Knien, mit Schaufeln und Scheibtruhen zu Gange waren, sich aber schon allein aufgrund der demografischen Zusammensetzung (viele Frauen) und Outfits nicht einem der typischen Gewerke auf einer Baustelle zuordnen ließen. Vielleicht haben Sie sich gefragt, was die dort machen, nach einer Infotafel gesucht oder gehören sogar zu denjenigen, die sich dann doch manchmal trauen und vom Zaun aus zurufen "Was findet man denn da?".

In den meisten Fällen findet sich dann auch jemand, der bereitwillig darüber Auskunft gibt, wir Archäologinnen und Archäologen freuen uns meistens, wenn sich jemand für unsere Arbeit interessiert. Vielleicht bringt eine Regionalzeitung einen kurzen Beitrag darüber, doch das war's dann meistens mit der Öffentlichkeitsarbeit in der anlassbezogenen Archäologie. Publikationen, die auch für ein interessiertes Laienpublikum gut verständlich sind, Ausstellungen von Funden aktueller Grabungen in lokalen Museen oder gar die Möglichkeit, sich während der laufenden Projekte über die Archäologie zu informieren, dies bleibt – wenn überhaupt – zumeist den Forschungsgrabungen vorbehalten. Als Ausnahme ist hier die Stadtarchäologie Wien zu nennen, die unermüdlich auf ihrem Blog über aktuelle Grabungen in Wien informiert, aber auch in ihrer Publikationsreihe "Wien Archäologisch" immer wieder ausgewählte Themen oder Projekte für ein Nicht-Fachpublikum gut verständlich aufbereitet präsentiert.

Grabungsleiterin K. Zagajsek bei der Arbeit in einer Künette, der Theodolit am Rand der Baugrube ist oft ein gutes Identifikationszeichen von archäologischer Tätigkeit.
Foto: Novetus GmbH

Warum gezielte Vermittlung den Forschungsgrabungen vorbehalten bleibt

Warum bleibt eine gezielte Vermittlungsarbeit zum größten Teil den wissenschaftlichen Institutionen oder Grabungen wie Carnuntum, Hallstatt oder den Pfahlbausiedlungen im Salzkammergut vorbehalten? Der vorrangige Grund dafür ist wie immer: Geld.

Archäologie ist in Österreich Bauherren-Risiko, das heißt, wenn sich auf Ihrem Grundstück eine archäologische Fundstelle befindet und Sie dort etwas bauen wollen, müssen Sie dafür bezahlen, dass die Fundstelle von Fachleuten ausgegraben und dokumentiert wird. Vielleicht bekommen Sie dafür eine Förderung vom Bundesdenkmalamt, aber einen Großteil der Kosten werden Sie schon selber stemmen müssen. Eine archäologische Ausgrabung ist auch nicht unbedingt kostengünstig, denn es ist ein ganz normaler Job mit ortsüblichen Personalkosten, die vom Auftraggeber bezahlt werden müssen.

Dass die meisten Auftraggeber danach froh sind, uns wieder loszuwerden und nicht unbedingt bereit sind, noch ein paar tausend Euro mehr für eine kleine Ausstellung oder eine Publikation auszugeben, ist daher leider auch irgendwo verständlich. Denn während wir zwar dazu verpflichtet sind, die aus den Grabungen gewonnenen Informationen dem BDA zur Verfügung zu stellen, die diese jährlich in der nicht selten über 1.000 Seiten starken Fachpublikation "Fundberichte aus Österreich" veröffentlicht, gibt es keinerlei Verpflichtung, diese Daten auch einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren.

Hinzukommen noch andere Faktoren. Immer wieder ist es gar nicht gewünscht, dass die Öffentlichkeit über eine Ausgrabung erfährt, beispielsweise ist ein alter Friedhof unter einer neuerrichteten Einfamilienhaussiedlung vielleicht nicht unbedingt verkaufsfördernd. Auch die Sicherheit muss mitbedacht werden. Eine Schulklasse oder eine Gruppe Interessierter über eine Grabungsfläche zu führen, mit offenen Gruben oder Gräben und oftmals im laufenden Baustellenbetrieb, ist aus sicherheitstechnischen Gründen einfach nicht machbar. Doch auch wenn all diese Gründe nachvollziehbar sind, das Resultat – nämlich, dass über einen Großteil der archäologischen Grabungen, die jedes Jahr in Österreich durchgeführt werden, die Öffentlichkeit nichts oder nur sehr wenig erfahren wird – ist und bleibt unbefriedigend.

Ausgrabung in Krummnussbaum – Kulturvermittlung von Anfang an mitgedacht

Bei Novetus versuchen wir seit einiger Zeit, uns aktiv mit diesem Problem auseinanderzusetzen, da es uns ein großes Anliegen ist, dass die Zeugnisse der Vergangenheit Österreichs, die wir tagtäglich aus dem Boden holen, auch in das öffentliche Bewusstsein gelangen können. Allein 2021 konnten wir über 100 archäologische Maßnahmen durchführen. Nicht alle davon sind unbedingt von öffentlichem Interesse, während andere, wie die bereits hier im Archäologieblog vorgestellten Fundstellen Traismauer und Neusiedl-Thiementhal, es durchaus wert sind, auch umfassender der Öffentlichkeit vorgestellt zu werden.

Grabungsfläche in Krummnussbaum.
Foto: Novetus GmbH

Im Juni 2021 konnten wir im Auftrag der Gemeinde Krummnussbaum im Bezirk Melk und in Kooperation mit der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik ein Grabungsprojekt durchführen. Schon vor Grabungsbeginn war klar, dass es während der Grabung ein begleitendes Vermittlungsprogramm geben soll, um die Bevölkerung mit einzubeziehen. Daher haben wir Workshops für die Volksschule und Neue Mittelschule ausgearbeitet, die dann während den Grabungen mit den Schulklassen durchgeführt wurden.

Der erste Teil des Workshops fand im Freien auf dem Pausenplatz statt. Wir haben dafür bereits gereinigte und bestimmte archäologische Funde mitgebracht und vorgestellt und mit den Kindern die unterschiedlichen Epochen der Urgeschichte erarbeitet. Im zweiten Teil des Workshops haben wir dann mit den Klassen die Grabung besucht und unterschiedliche Arbeitsschritte auf einer Grabung (Vermessung, Dokumentation, Fundverwaltung, Grabungstechnik) vorgestellt. Für die erwachsene Bevölkerung wurde zu Ende jeder Grabungswoche eine Führung durch den Grabungsleiter organisiert. Derzeit ist ein Kulturpfad, der die Fundstelle und weitere historisch interessante Orte präsentiert, in Arbeit.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Volksschule Krummnussbaum an einem Workshop zum Thema Urgeschichte.
Foto: Novetus GmbH

Online-Führung über eine Ausgrabung in Pöchlarn

Dass eine Führung über eine Ausgrabung auch online funktionieren kann, konnten wir zu Beginn des letzten Jahres beweisen, als der Wissensraum, ein Projekt, das Technik und Wissenschaft für jeden zugänglich machen will, unsere Ausgrabung in Pöchlarn besucht hat. Ausgestattet mit Kamera und Mikrofon wurden die beiden Vermittlerinnen Jasmin Hangartner und Sonja Ornella Schobesberger vom Grabungsleiter Maximilian Bergner über die Grabung geführt. Die Zuschauenden konnten dabei bequem von zu Hause aus Fragen per Chat oder durch Zuschalten des Mikrofons stellen und damit das Online-Format auch etwas interaktiver ist, war ein Quiz á la Tom Turbo in die Führung eingebaut.

Vermittlungsteam des "Wissensraums" (links: Sonja Ornella Schobesberger, rechts: Jasmin Hangartner) mit Grabungsleiter Maximilian Bergner.
Foto: Novetus GmbH

Archäologie entlang der S8-Trasse im Marchfeld

Ein weiteres, vor kurzem fertiggestelltes Projekt, ist das Buch "Leben und Tod auf dem Schlachtfeld. Archäologie entlang der S8-Trasse im Marchfeld" über die Ergebnisse unserer Arbeiten entlang der geplanten S8-Marchfeldschnellstraße, das wir durch die finanzielle Unterstützung der Asfinag, der Auftraggeberin der archäologischen Untersuchungen im Vorfeld der Trassenplanung, durchführen konnten.

Die geplante S8-Trasse verläuft quer durch das historische Schlachtfeld von Wagram, auf dem sich am 5. und 6. Juli 1809 die Armeen Napoleons und des österreichischen Kaisers in einer der größten Feldschlachten auf europäischem Boden gegenüberstanden, aber auch urgeschichtliche Siedlungsspuren wiederfinden. Das Buch versteht sich nicht als streng wissenschaftliche Fachpublikation, in kurzen, reich bebilderten Beiträgen werden die verschiedenen Fundkategorien wie Uniformbestandteile und menschlichen Skelettreste, die historischen Hintergründe der Schlacht, aber auch die Methoden der modernen archäologischen Forschung auch für ein Laienpublikum gut verständlich präsentiert. Das Buch ist der erste Band in unserer Reihe "Archäologie auf der Baustelle". Wir hoffen, dass es uns auch bei weiteren Auftraggebern gelingt, eine Finanzierung auf die Beine zu stellen, mit der wir die Ergebnisse für alle Archäologie-Interessierten zugänglich machen können – spannende Projekte gäbe es genug.

Mehr Vermittlung des archäologischen Erbes, bitte!

Wie die vorgestellten Projekte zeigen, kann auch im Kontext anlassbezogener Grabungen sinnvoll Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden. Sie illustrieren auch die generelle Tendenz, dass es vor allem Gemeinden und öffentliche Projektträger sind, die den kulturellen und touristischen Mehrwert "ihrer" Grabungen erkennen und bereit sind, sich ein Vermittlungsprogramm zu leisten. Dies zeigen auch Beispiele wie die Grabungen am Domplatz in St. Pölten, die umfassend präsentiert wurden, oder das faszinierende kleine Römermuseum in Wallsee, in dem die im Vorfeld eines Bauprojektes freigelegten Mauern des Römerlagers audiovisuell in Szene gesetzt werden. Dies ist aber eher dem Engagement und Interesse Einzelner – sowohl aufseiten der Auftraggeber als auch aufseiten der Archäologie – geschuldet als einer systematischen Struktur für die öffentliche Vermittlung des archäologischen Erbes unseres Landes, die es dringend brauchen würde. (Michaela Binder, Jasmin Hangartner, 10.2.2022)