Eine Archivaufname von Christian Hafenecker. Am Mittwoch sprach er in einer Pressekonferenz über "weiße Chats".

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Das rechte Medium "Wochenblick" hatte die Neuigkeit schon vor Wochen verbreitet, aber irgendwie blieb der Aufreger aus. So griff am Mittwochvormittag die FPÖ erneut eine aus ihrer Sicht skandalträchtige Facebook-Gruppe auf, in der sich Ärztinnen und Ärzte – auch prominente – über die Pandemie austauschen.

Was die FPÖ, namentlich Christian Hafenecker, aus der Gruppe berichtet, kann an dieser Stelle nicht überprüft werden: Sie ist geheim und nicht einsehbar. Öffentlich auffindbar ist nur die Tatsache, dass es sie gibt und dass sie im Jänner 2022 über 3.000 Mitglieder zählte. Die Gruppenbeschreibung: "Medizinischer Austausch, gegenseitige Unterstützung und Vernetzung vieler Fachgruppen wäre optimal! Fragen und Diskussionen sind erwünscht, bitte immer respektvoll, wir sitzen alle im gleichen Boot. Wir sind hier eine Gruppe von unterschiedlichen Mediziner/innen, lasst uns gemeinsam dieses Virus bekämpfen."

Nur: Die FPÖ stößt sich daran, was in der Gruppe besprochen wird. So soll etwa Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres im April 2021 ein Nasenspray gegen Corona empfehlen, Hafenecker fragt sich, warum dieser, wenn er denn wirksam sei, nicht auch der Öffentlichkeit empfohlen worden sei. Tatsächlich wurde zu der Zeit ein Nasenspray medial breit diskutiert, durchgesetzt in der Pandemiebekämpfung hatte er sich nicht.

Ärztekammerpräsident distanziert sich von Herabwürdigung

Hafenecker bzw. der "Wochenblick" kritisieren auch ein Gedicht, in dem es sinngemäß heißt, Geimpfte könne man einsperren, und das laut ihnen auch Marton Széll, Mitglied im Nationalen Impfgremium, gelikt haben soll. Auf STANDARD-Anfrage wies Széll am Mittwoch die von der FPÖ unterstellte Lesart mit Nachdruck zurück: "Die Vorwürfe sind vollkommen verdreht."

Außerdem, so gibt Hafenecker an, soll Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) eine Zeitlang Mitglied in der Gruppe gewesen sein; im "Wochenblick"-Artikel steht das allerdings nicht. Aus dem Gesundheitsministerium heißt es dazu: "Der Minister nutzt seit über einem Jahr privat kein Facebook mehr und hat daher keinen Einblick in die Inhalte der genannten Gruppe. Er distanziert sich jedenfalls von den beschriebenen Äußerungen, sollten diese so gefallen sein."

Die Ärztekammer jedenfalls schreibt dem STANDARD: Ja, Szekeres sei "wie 3.000 andere Mitglied in dieser Facebook-Gruppe, von den im Artikel beschriebenen Aussagen hat er lediglich Kenntnis aus den Medienberichten". Weil die FPÖ bzw. der "Wochenblick" auch behaupten, man würde in der Gruppe heimlich Impfnebenwirkungen diskutieren, heißt es von der Ärztekammer weiter: "Für Ärztinnen und Ärzte besteht in Österreich eine gesetzliche Meldepflicht für vermutete Nebenwirkungen. Eine vollständige Meldung und Datenlage ist für die ÖÄK auch im Hinblick auf die Pharmakovigilanz und das Wissen um die verabreichten Impfstoffe unabdingbar." Und was etwaige "menschenverachtende" Sager angehe: "Darüber hinaus sind respektlose und herabwürdigende Äußerungen über Patientinnen und Patienten abzulehnen."

Die "Salzburger Nachrichten" berichteten schon im Jänner von den Vorwürfen und kontaktierten die Ärztin Kristina Köppel-Klepp, die die Gruppe ins Leben gerufen haben soll. "Wir haben sicher schon mehr als 6.000 Beiträge in der Gruppe. Diese Bildschirmfotos sind aus dem Zusammenhang gerissen, und ich möchte mich vehement davon distanzieren, dass wir Nebenwirkungen nicht melden, nicht ernst nehmen oder nicht darauf eingehen", sagt sie. Und was das Atmosphärische angeht: "Hin und wieder fallen ironische Bemerkungen." Und natürlich habe man "unterschiedliche Meinungen".

Kritik auch an "schwarzen" Chats

Abgesehen davon sprach Hafenecker auch von den ÖVP-Chats. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), so sagte er, werde als Vorsitzender des ÖVP-Untersuchungsausschusses für die Freiheitlichen zunehmend untragbar. Grund dafür sind die öffentlich gewordenen Chats seines Kabinettschefs Michael Kloibmüller, in denen von Interventionslisten die Rede ist.

"Mich würde schon interessieren, ob auch diese Interventionsliste einmal den Weg in den Untersuchungsausschuss findet", fragt sich nun Hafenecker und will auch wissen, wie lange es noch dauert, bis die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft analog zu ÖVP-Klubobmann August Wöginger ein Auslieferungsbegehren betreffend Sobotka stellt. Die Frage, die sich vor allem aufdränge: "Kann Wolfgang Sobotka überhaupt noch Vorsitzender dieses Untersuchungsausschusses sein?" (red, APA, 9.2.2022)