Antonella Mei-Pochtler steht dem Bundeskanzleramt auch nach dem Thinktank-Aus für einige Monate "ehrenamtlich und unentgeltlich beratend" zur Seite.

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Wien – Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist offenbar weiter bemüht, sich von seinem Vor(vor)gänger Sebastian Kurz abzugrenzen: Die von Kurz eingerichtete Strategie-Stabsstelle im Kanzleramt "Think Austria" wurde aufgelöst, wie die APA am Mittwoch erfuhr. Außerdem engagiert die ÖVP einen Berater-Vollprofi – den früheren Vizesprecher der deutschen Langzeitkanzlerin Angela Merkel, Georg Streiter – um den Imageschaden aus dem U-Ausschuss zu begrenzen.

"Wir sind Papst"-Urheber als neuer Berater

Streiter werde einiges zu tun haben, berichtet der "Kurier" unter Hinweis auf die Kommunikationsfehler ("Bei uns ist nichts mehr zu finden" von Gaby Schwarz vor den Hausdurchsuchungen) oder die Attacken von ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger gegen Justiz und WKStA, die sich als Bumerang erwiesen hätten. Streiter werde Hanger und den jetzigen Ko-Fraktionsführer Christian Stocker "unter seine Fittiche nehmen". Zudem signalisiere Streiters Engagement, dass Sebastians Kurz' Kommunikationsduo Gerald Fleischmann und Johannes Frischmann aus dem Spiel sei. Der 66-jährige gebürtiger Luxemburger war vor seiner Tätigkeit als deutscher Vize-Regierungssprecher Innenpolitik-Ressortleiter bei der "Bild"-Zeitung und beim "Stern". Er gilt als Verfasser der legendären "Bild"-Headline "Wir sind Papst" bei Joseph Ratzingers Kür.

Der von Nehammer aufgelöste Think Tank sollte sich um strategische Themen für die Entwicklung Österreichs kümmern, war aber stets umstritten, da eigentlich keine konkreten Ergebnisse bekannt waren. "Die Stabsstelle 'Think Austria' im Bundeskanzleramt wird in bestehende Abteilungen des Bundeskanzleramtes integriert", hieß es am Mittwoch aus dem Kanzleramt gegenüber der APA.

Wirecard-Chef im Beirat

Im Beirat des Thinktanks waren einige Prominente aus Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur vertreten. Der in Deutschland unter dem Verdacht der Bilanzfälschung festgenommene frühere Wirecard-Chef Markus Braun war in der Vergangenheit ebenfalls Teil des Gremiums. Auch Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner, der zuletzt mit einem Video einer Corona-Party in Kitzbühel für Schlagzeilen sorgte, war bei "Think Austria" dabei.

"Think Austria" spielte auch im Ibiza-Untersuchungsausschuss eine Rolle. Die Oppositionsparteien vermuteten, dass Unterlagen der Stabsstelle zurückgehalten worden seien, und verlangten über den Verfassungsgerichtshof (VfGH) erfolgreich deren Übermittlung an den U-Ausschuss. FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker zeigte sich auch im Vorfeld des anlaufenden ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses überzeugt davon, dass aus dem Thinktank im Kanzleramt brisante Informationen in Richtung Privatwirtschaft geflossen seien.

Hafenecker will Hausverbot für Mei-Pochtler

Mei-Pochtler steht dem Bundeskanzleramt jedenfalls auch noch in den kommenden Monaten "ehrenamtlich und unentgeltlich beratend" zur Verfügung, hieß es nun aus dem Kanzleramt, insbesondere bei der Durchführung des Kofi-Annan-Preises an Start-up-Unternehmen in Afrika, gemeinsam mit der Kofi Annan Foundation, dem World Food Programme und der Austrian Development Agency. Darüber hinaus werde Mei-Pochtler weiterhin bei der freiwilligen wissenschaftlichen Covid-19-Future-Operations-Plattform mitwirken.

Hafenecker sieht in der Auflösung einen "Etikettenschwindel", da die Stabsstelle nur in andere Abteilungen integriert und auch Mei-Pochtler weiter als Beraterin tätig sein werde. In einer Aussendung forderte er für sie ein Hausverbot im Kanzleramt. (APA, 9.2.2022)