Stephan Tauschitz ist neuer Leiter des Kärntner Verfassungsschutzes.

Foto: LPD Kärnten

"Das ist wirklich skandalös", sagt Efraim Zuroff dem STANDARD. Der israelische Historiker, der beim Simon-Wiesenthal-Zentrum Jerusalem arbeitet, zeigt sich geschockt über die Bestellung des ÖVP-Politikers Stephan Tauschitz zum Direktor des Kärntner Verfassungsschutzes (LVT). Tauschiz, der in der neuen Funktion unter anderem rechtsextreme und neonazistische Netzwerke aufspüren soll, hat in der Vergangenheit mehrmals an dem rechtsextremen Ulrichsbergtreffen in Kärnten teilgenommen und ist dort auch als Redner aufgetreten.

Tauschitz solle sofort seiner Funktion entbunden werden, fordert Zuroff. Und nicht nur das: Die umstrittene Personalie sollte auch den Rücktritt von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) zur Folge haben. Karner hatte sich zuvor für frühere antisemitische Aussagen entschuldigt und erklärt, er würde das heute nicht mehr sagen. Zuroff sagt, diese Entschuldigung sei jetzt in einem anderen Licht zu sehen. "Wenn es jetzt unter seiner Führung eine solche Personalentscheidung gibt, dann zeigt uns das, dass das offenbar nur ein Lippenbekenntnis war, um sich aus der Affäre zu ziehen", sagt der Historiker. Der Leiter des Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem gesteht zwar ein, dass Österreich bei der Aufarbeitung der eigenen Verantwortung für den Holocaust einen positiven Wandel durchgemacht habe. Die aktuellen Entscheidungen kämen aber einem Rückschritt gleich.

Masse an Rücktrittsforderungen

Zuroff reiht sich damit ein in eine lange Liste von Personen und Organisationen, die den Rücktritt Tauschitz’ fordern: Am Mittwoch etwa sagte SOS-Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak, "mehrfache Auftritte vor Nazis" könnten "bei so einem sensiblen Amt nicht egal sein". Der KZ-Verband titelte einen offenen Brief an Kanzler, Bundespräsident, Landeshauptmann und Landespolizeidirektorin mit den Worten "Die Bestellung von Stephan Tauschitz ist beschämend für unser Land".

In einem der beiden Jahre, in denen Tauschitz auf dem Ulrichsberg sprach, war laut dem KZ-Verband auch der verurteilte ehemalige Vapo-Aktivist Hans Jörg Schimanek bei dem Treffen anwesend – die Plattform Stoppt die Rechten veröffentlichte dazu Bildmaterial. Auch früher, als ÖVP-Klubobmann im Kärntner Landtag, hatte Tauschitz für Kontroversen gesorgt. Den Rat der Kärntner Slowenen hatte er als "Unruhestifter", "Quertreiber" und "destruktive Kraft" bezeichnet, den damaligen Landeshauptmann Gerhard Dörfler für das Aufstellen von Ortstafeln kritisiert und somit sogar das Kärntner BZÖ rechts überholt. Die Restmasse des endgültig rechtsextremen BZÖ Kärnten zeigte sich in Form von Karlheinz Klement dann auch solidarisch mit Tauschitz. "Unser Verhältnis war immer von Respekt geprägt", schrieb Klement in einer Presseaussendung. "Als Ulrichsberg-Redner im Jahre 2016 zolle ich Dir meinen Respekt und wünsche Dir Ausdauer und Kraft, um diese hetzerischen Attacken durchzustehen."

Flüchtling "raushauen"

Als im Frühjahr 2011 über eine humanitäre Lösung für das Flüchtlingskind Arigona Zogaj diskutiert worden war, meinte Tauschitz vor Schülerinnen und Schülern, die damalige Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) werde Zogaj "hinaushauen, und das ist gut so". Das brachte Tauschitz sogar Kritik vom damaligen Parteichef Josef Pröll ein.

Tauschitz’ politisches Handeln ist allerdings nur die eine Sache. Die andere ist der Unmut über die Art, wie Tauschitz zu seinem Posten gekommen sein soll. Von SPÖ-Seite kommt der Vorwurf, dass es eigentlich mehrere Bewerber für diese Stelle gegeben habe; wer diese Personen sein sollen, ist allerdings noch unklar. Dass es zumindest einen weiteren Bewerber gegeben hat, der die Bewerbung wieder zurückgezogen hat, wurde mittlerweile von der Kärntner Landespolizeidirektorin bestätigt. Der SPÖ-Abgeordnete Reinhold Einwallner bringt nun eine parlamentarische Anfrage ein, die das klären soll.

Die SPÖ will wissen, wie viele Bewerber oder Bewerberinnen es für den Posten gab, ob einige von ihnen die Bewerbung zurückgezogen hatten und ob man ausschließen könne, dass dabei politischer Druck auf sie ausgeübt worden sei. Außerdem wird gefragt, ob Tauschitz einer Vertrauenswürdigkeitsüberprüfung unterzogen worden sei. Der Grüne David Stögmüller sprach davon, dass die Personalie Tauschitz die Beziehung zu Partnerdiensten belasten werde.

Schon bei Tauschitz’ erstem Eintritt in den Verfassungsschutz im Jahr 2015 gab es Kritik: Warum der studierte Betriebswirt plötzlich nach seiner Politkarriere Verfassungsschützer werden sollte, war den Kolleginnen und Kollegen schleierhaft. Offenbar suchte man immer wieder neue Positionen für ihn. Im Jahr 2016 fragte ein Kabinettsmitarbeiter jedenfalls seinen Kabinettschef Michael Kloibmüller, ob Tauschitz denn nicht als Pressesprecher für das BVT geeignet wäre. Kloibmüller antwortete lapidar: "kritisch". (Maria Sterkl aus Israel, Gabriele Scherndl, Fabian Schmid, 10.2.2022)