Die Bauarbeiten für die Stadtstraße wurden im Bereich der U2-Station Hausfeldstraße gestartet. Auch Security-Kräfte sind im Einsatz, um die Baustelle abzusichern.

Foto: Toppress / Karl Schöndorfer

Die Bagger auf der monatelang besetzten Baustelle für die Stadtstraße in der Wiener Hausfeldstraße sind längst aufgefahren. Nach der Räumung des Protestcamps am vergangenen Dienstag wurden die Arbeiten "umgehend aufgenommen", wie Thomas Keller, Leiter der Abteilung Straßenbau (MA 28), sagte.

An mehreren Fronten wird aber weiter gegen das Projekt gekämpft. So wird am 18. Februar nach Einsprüchen von Gegnern des Vorhabens vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) verhandelt. Es geht um zusätzliche Baumfällungen sowie um Nacht- und Wochenendarbeiten, die Stadt will Änderungen erreichen. Das BVwG hat zuletzt einer Beanstandung recht gegeben, wonach die Umweltschutzabteilung (MA 22) bei der Beschwerde gegen den Änderungsbescheid keinen Ausschluss einer aufschiebenden Wirkung verhängen durfte.

"Überdimensionierte" Stadtstraße

Am Mittwoch forderten Expertinnen und Experten von Scientists for Future ein Umdenken. Verkehrswissenschafterin Barbara Laa von der TU Wien bezeichnete die vierspurige und 3,2 Kilometer lange Gemeindestraße mit zwei Tunnels und Tempo 50 als "überdimensioniert". Die Straße habe zudem "keine Entlastungswirkung".

Verkehrswissenschafter Paul Pfaffenbichler sprach davon, dass Verkehrsprojekte "radikal neu" gedacht werden müssten, "wenn wir die Mobilitätswende schaffen wollen". Das betreffe nicht nur innerstädtische Bereiche, sondern auch die Peripherie und den ländlichen Raum. Raumplaner Andreas Bernögger forderte ein integriertes Gesamtkonzept von der Stadt ein, wie Klimaziele erreicht werden sollen.

Anteil der Autofahrten soll bis 2030 halbiert werden

Immerhin hat sich Wien im Verkehrsbereich Ambitioniertes vorgenommen: Der Anteil der Autofahrten im Modal Split soll bis 2030 auf 15 Prozent reduziert werden. Bei den Ergebnissen aus dem Jahr 2020 betrug der Anteil der Autofahrten noch 27 Prozent. Hier wird also in nur zehn Jahren eine Verringerung fast um die Hälfte angepeilt. Die CO2-Emissionen im Verkehr sollen bis 2030 halbiert werden. Ein Puzzlestück ist die fast flächendeckende Kurzparkzone in Wien, die mit 1. März Realität wird.

Stadtstraße als "Symbol"

Bernögger räumte ein, dass die Stadtstraße in der Diskussion um die Mobilitätswende ein "Symbol" sei. Es müssten aber Alternativen aufgezeigt und Angebote abseits des Autos geschaffen werden. "Der Beton auf der Wiese ist nicht das Schlimmste, sondern der Beton in den Köpfen." Eine Umplanung – etwa eine Reduktion auf zwei Spuren oder ein Mitdenken von Radspuren sowie mehr Öffis und Platz für Fußgänger – könnte Jahre dauern, gibt Bernögger zu. "Aber es kann sich auszahlen."

Für mehr Diskurs und Partizipation sprach sich neben Laa auch die Ökonomin Sigrid Stagl von der WU Wien aus. Der Wiener Klimaplan sei "ambitioniert und richtungsweisend", sagte Stagl. Klimafreundliche Mobilität erfordere aber einen Paradigmenwechsel, der neben vielen Gesprächen auch drastische Veränderungen brauche.

Redimensionierung "nicht zielführend"

SPÖ-Verkehrssprecher Erich Valentin verwies in einer Reaktion darauf, dass Wien dreimal mehr in Öffis als in den Bau und Erhalt von Straßen investiere. Für die geplanten Wohnungen für 60.000 Menschen in den Stadtentwicklungsgebieten in der Donaustadt brauche es die Stadtstraße. Eine Redimensionierung sei "nicht zielführend". FPÖ-Verkehrssprecher Anton Mahdalik meinte, dass die "Stauhauptstadt" Wien Stadtstraße und Lobautunnel "wie einen Bissen Brot" benötige. Für die Realisierung von Stadtstraße und Lobautunnel sprach sich erneut auch die ÖVP aus. (David Krutzler, 9.2.2022)