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Leonardo Sapienza hilft dem Papst nach der Generalaudienz die Treppen hinunter.

Foto: REUTERS/Yara Nardi

"Früher oder später werden wir alle durch dieses Tor gehen – alle!", betonte Franziskus in seiner Ansprache in der großen Audienzhalle im Vatikan am Mittwoch. Und trotzdem versuchten die Menschen mit allen Mitteln, den Gedanken an die eigene Endlichkeit zu verscheuchen. "Wir machen uns vor, dass wir die Angst vertreiben, dem Tod seine Macht nehmen können." Die sogenannte Wohlfühlkultur versuche, die Realität des Todes zu verdrängen – aber die Corona-Pandemie habe sie auf dramatische Weise wieder ins Bewusstsein gerückt. "Es war furchtbar – der Tod war überall!"

Zu seinen Betrachtungen über das Sterben und den Tod angeregt wurde Franziskus jedoch nicht durch die Pandemie, sondern durch seinen 94-jährigen Vorgänger Benedikt XVI. Dieser hatte am Dienstag in einem Schreiben einmal mehr bestritten, als Münchner Erzbischof von Fällen sexuellen Missbrauchs Kenntnis gehabt und diese vertuscht zu haben. Er wies auch den Vorwurf, diesbezüglich gelogen zu haben, zurück. Der Brief Benedikts endete mit den Worten, dass er "ja nun bald vor dem endgültigen Richter meines Lebens stehen" werde – und dass er "zuversichtlich durch das dunkle Tor des Todes schreiten werde".

Der Angst stellen

Es sei doch schön, dass der betagte Benedikt noch so hellsichtig sei, dass er sich mit dem herannahenden Tod auseinandersetze, fand sein um neun Jahre jüngerer Nachfolger Franziskus. Der christliche Glaube an die Auferstehung sei zwar "kein Mittel, mit dem man die Angst vor dem Tod vertreiben kann – aber er hilft uns, uns dieser Angst zu stellen". Und das Nachdenken über den eigenen Tod helfe einem auch dabei, das Leben mit neuen Augen zu sehen. Es habe zum Beispiel keinen Sinn, Dinge anzuhäufen, wenn wir alle eines Tages sterben werden: "Was wir anhäufen müssen, ist die Nächstenliebe, die Fähigkeit zu teilen, nicht gleichgültig zu sein gegenüber den Bedürfnissen der anderen", betonte Franziskus.

Während der Generalaudienz kam Papst Franziskus schließlich auch auf das umstrittene Thema Sterbehilfe zu sprechen. Dazu seien zwei Überlegungen wichtig: Die erste sei, dass wir den Tod nicht vermeiden können, und gerade deshalb erscheine es "unmoralisch, auf nutzlosen Therapien zu beharren, wenn man bereits alles Menschenmögliche versucht hat, um einen Kranken zu heilen". Der Pontifex erinnerte an eine einfache Redewendung: "Lass ihn in Frieden sterben, hilf ihm, in Frieden zu sterben." Das sei weise.

Keine Beihilfe zum Selbstmord

Etwas ganz anderes sei, beim Sterben aktiv nachzuhelfen. "Wir müssen die Menschen in den Tod begleiten, aber wird dürfen nicht den Tod herbeiführen oder Beihilfe zum Selbstmord leisten", betonte Franziskus. Das Recht auf Pflege und Behandlung müsse immer den Vorrang haben, damit die Schwächsten, insbesondere ältere und kranke Menschen, nicht ausgegrenzt werden. "Das Leben ist ein Recht, nicht der Tod: Er muss angenommen werden und darf nicht 'verabreicht' werden." Dieser ethische Grundsatz betreffe alle Menschen, nicht nur die Christen und die Gläubigen.

Besonders unmenschlich und unchristlich sei es, alte Menschen zum Tod zu drängen, weil die finanziellen Mittel für die Pflege nicht ausreichten. Das sei leider ein reales Problem. Franziskus rief dazu auf, die alten Menschen wie einen "Schatz des Menschlichen" zu behandeln: "Auch wenn sie nicht mehr sprechen können oder durcheinander sind, bleiben sie doch das Symbol der menschlichen Weisheit. Sie haben vor uns den Weg zurückgelegt und uns so viel Schönes hinterlassen – so viele Erinnerungen, so viel Weisheit." Einen alten Menschen zu streicheln drücke dieselbe Hoffnung aus, wie wenn man ein Kind streichle – "denn der Anfang und das Ende des Lebens ist immer ein Geheimnis", betonte Franziskus. (Dominik Straub aus Rom, 9.2.2022)