Es staut mal wieder auf der Wiener Südosttangente.

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Wien – Verkehrsstaus gehören zu den besterforschten Ärgernissen der Menschheit. Und trotzdem haben wir es bisher nicht geschafft, Staus anhaltend zu vermeiden. In Lockdown-Zeiten war zwar generell weniger los auf den Straßen, doch in der Staubilanz übers Jahr gesehen spielt das eher eine untergeordnete Rolle.

Wer etwa im Vorjahr in Wien immer zur Rushhour (16 bis 18 Uhr) ins Auto gestiegen ist, hat dort im Durchschnitt insgesamt vier Tage und neun Stunden unfreiwillig verplempert. Auch ohne Stoßzeitberücksichtigung dauerten in Wien Autofahrten um durchschnittlich 29 Prozent länger, als es bei freier Fahrt möglich gewesen wäre. Bei einer reinen Fahrzeit von einer halben Stunde kamen also neun zusätzliche Minuten fürs kollektive Reifenschonen dazu. Bei einer Hin- und Rückfahrt pro Tag verbrachten damit etwa Pendler (auf 230 Arbeitstage gerechnet) im Vorjahr 66 Stunden im Stau.

600 Millionen Geräte ausgewertet

Ausgerechnet und aufbereitet hat diese Daten der niederländische Navigationsgeräteherstellers Tomtom auf Basis von GPS-Daten. Insgesamt seien anonymisierte Daten von mehr als 600 Millionen Geräten weltweit, etwa von Smartphone-Apps oder fix in Fahrzeugen eingebauten Navigationsgeräten, analysiert worden, gab die Navi-Firma bekannt.

Wie in Wien sind auch in anderen Städten Österreichs die Stehzeiten generell leicht gestiegen. In Salzburg mussten Autofahrerinnen und Autofahrer 23 Prozent mehr Fahrzeit einrechnen, das machte im Schnitt 52 verstaute Stunden im Jahr. Es folgten Graz (22 Prozent mehr Fahrzeit, 50 Stunden Zeitverlust im Jahr), Innsbruck (+19 Prozent Fahrzeit, 43 Stunden verloren) und Linz (+17 Prozent Fahrzeit, 39 Stunden im Stau verbracht).

Stauhauptstadt Istanbul

Im internationalen Vergleich kommt Österreich aber noch glimpflich davon. Mit 142 Stunden Zeitverlust pro Jahr (gerechnet nach dem vorher erwähnten Pendler-Modell) ist Istanbul in der Tomtom-Rangliste die Stauhauptstadt, knapp gefolgt von Moskau (140 Stunden) und Kiew (128 Stunden). Wien liegt an 92. Stelle. Die geringste Verzögerung weisen die GPS-Daten für Mekka in Saudi-Arabien aus.

Die Ursachen für Verkehrsstaus sind vielfältig. Manchmal sind es veraltete Verkehrskonzepte, die mit der Zunahme des Verkehrs nicht Schritt gehalten haben, wie auch der Konflikt um die Stadtstraße in Wien zeigt. Manchmal ist es auch der Mangel an alternativen, möglichst autofreien Konzepten.

Unfälle und Verkehrsüberlastung

Unvorhergesehene Staus werden freilich meistens von punktuellen Ereignissen verursacht. Auch dazu gibt es Statistiken, die der ÖAMTC jährlich in seiner Staubilanz für den Sommerreiseverkehr veröffentlicht. 439 Staus hat der Club im Sommer des Vorjahres registriert. Rund ein Drittel davon kam nach Unfällen zustande. Ein Fünftel aller Staus ergab sich durch Verkehrsüberlastung, dieser Wert war in Vor-Corona-Zeiten wesentlich höher. Die eingeschränkte Reisefreiheit hat sich also zumindest im Sommer positiv im Staugeschehen bemerkbar gemacht. Andererseits gab es wegen des Test- und Impfkontrollen einen neuen Wartezeitrekord an den Grenzen: Beim Karawankentunnel (A11) mussten am 23. August Einreisende bis zu zwölf Stunden ausharren, beim Loiblpass (B91) waren es zehn Stunden Wartezeit.

Der Stau aus dem Nichts

Immer wieder kommt es auch zu dem Phänomen, dass quasi aus dem Nichts ein Stau auf Autobahnen oder Schnellstraßen entsteht. Die Verkehrspolizei führt das vor allem auf undisziplinierte Verkehrsteilnehmer zurück. An der Spitze der Kettenreaktion: Lenkerinnen oder Lenker, die zu knapp an das vordere Auto aufschließen und scharf abbremsen müssen. Der oder die dahinter Fahrende muss wegen der durchschnittlichen Reaktionszeit von einer Sekunde noch schärfer bremsen, der dahinter ebenfalls und so weiter. Das 80. Auto in der Reihe kommt bereits zum Stillstand.

Summer of Love

Zu den weltweit längsten Staus, die etwa im Guinnessbuch der Rekorde gelistet werden, zählt eine 176 Kilometer lange Stehpartie zwischen Paris und Lyon aus dem Jahr 1980. Im Summer of Love 1969 gab es nahe der Kleinstadt Bethel im US-Bundesstaat New York einen Megastau, der beinahe so legendär wurde wie die Ursache dafür: das dreitätige Festival von Woodstock.

So lange wird der nächste Stau in Österreich hoffentlich nicht dauern. ARBÖ und ÖAMTC weisen jedenfalls auf den Urlauberschichtwechsel am Wochenende hin. Am Freitag werden in Wien Autokorsos gegen die Impfpflicht für Staus sorgen. (Michael Simoner, 9.2.2022)