In wenigen Wochen wird das Dusika-Stadion endgültig dem Erdboden gleichgemacht sein.

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Am 21. August 2021 drehte Roland Königshofer als Letzter eine Runde im Dusika-Stadion. Das war würdig und recht, schließlich ist er ein dreimaliger Weltmeister.

Foto: Königshofer/Steinacher

Viel ist nicht mehr übrig, und doch dauert es noch Wochen, bis das wenige auch verschwunden sein wird. Ende März soll das Dusika-Stadion dem Erdboden gleichgemacht sein – das erfährt, wer sich bei der Baustelle zwischen Handelskai und Stadioncenter umhört. Am Ende wird der Abriss in Monaten fast so lange gedauert haben wie die Errichtung in Jahren (1968 bis 1976). Am 21. August des Vorjahres hat Roland Königshofer die letzte Runde auf der Radrennbahn gedreht, das war würdig und recht, schließlich ist Königshofer ein dreimaliger Weltmeister.

Das war das Dusika! So nennt sich auch eine Facebook-Gruppe, in der "Bilder und Geschichten" kursieren und Wehmut herrscht. Ein guter Teil des Who’s who im heimischen Radsport gehört der Gruppe an: Andi und Harry Blümel, Bernhard Rassinger, Paco Wrolich, Andreas Langl, Franz Stocher, Roland Garber und, und, und. Und natürlich auch Roland Königshofer. Kürzlich hat er da das Foto eines Tischs gepostet – unter dem Titel "Upcycling im wahrsten Sinne". Die Tischplatte lag als Teil der Rennbahn im Dusika-Stadion, knapp vor der Ziellinie. Königshofer und seine Lebensgefährtin Astrid haben lange an dem Tisch gebastelt. "Wir sind ja keine Tischler." Sie würden gerne weiterbasteln, diesmal eine Truhe. Königshofer hat sich die Ziellinie zusichern lassen, doch als er das gute Stück abholen wollte, war es verschwunden. Mittlerweile weiß er, wer sich die Linie geschnappt hat, und er geht stark davon aus, dass er ihrer bald habhaft wird.

Im Windschatten zu Medaillen

Die Truhe will Königshofer dem Radsport vermachen, "als Dank dafür, was der Verband für mich getan hat". Wobei, bedankt hat er sich auch schon mit zehn WM-Medaillen bei den "Stehern". Das ist, die Älteren werden sich erinnern, jene Disziplin, bei der ein Radrennfahrer im Windschatten eines Schrittmachers fährt, der auf einem Motorrad unterwegs ist. Königshofer, der "Specht" genannt wurde, kurbelte hinter Karl Igl, sie wurden in dieser Disziplin und im Dusika-Stadion groß.

Das waren Zeiten! Die erste der zehn Medaillen, eine silberne, schaute 1985 in Bassano del Grappa heraus, sie führte dazu, dass sich bei der Heim-WM 1987 das Dusika-Stadion füllte. Wieder lieferten sich Königshofer und Igl einen sehenswerten Kampf mit den zahlenmäßig überlegenen Italienern, Ergebnis war die Bronzemedaille. In weiterer Folge sollte Königshofer sogar drei WM-Titel erobern. Immer wieder war in Österreich vom "Kampf gegen die italienische Mafia" die Rede und Schreibe. "Darüber hat sich einmal sogar die italienische Botschaft aufgeregt", erinnert sich Königshofer. In einer Note an den Radsportverband hieß es, dieser möge doch bitte mäßigend auf die Presse einwirken.

Stargast Wladimir Putin

Die Rad-WM 1987 war nicht die einzige Großveranstaltung im Dusika-Stadion. Dort haben sich unter anderem auch die Handball-B-WM 1977, die Volleyball-EM 1999, die Leichtathletik-Hallen-EM 2002, die Junioren-Rad-WM 2005 und die Judo-EM 2010 (Stargast Wladimir Putin) abgespielt, dazu Tennis-Daviscup, Z-Radgalas und viele andere Events.

Wo jetzt "das Dusika" kaum noch erkennbar ist, soll zur Jahresmitte mit dem Bau der "Sport Arena Wien" begonnen werden. Die Eröffnung ist für Ende 2023 geplant, die Arena soll – ohne Radrennbahn – in gestapelter Bauweise drei Hallen bieten, eine für Ballsport mit Tribünen für bis zu 3000 Fans, eine für Kunstturnen, eine für Leichtathletik. Kritiker monieren, die Arena sei "nicht Fleisch, nicht Fisch", wie auch das in der Nähe gelegene Leichtathletik-Freiluft-Zentrum. Da gingen sich keine acht Laufbahnen aus, so ist Wien das einzige Bundesland, das keine LA-Meisterschaften ausrichten kann.

Für den Radsport ist der Abriss des Dusika-Stadions ein besonders schwerer Schlag. Er wurde vor vollendete Tatsachen gestellt. Dabei bildet das Bahnradfahren die Basis auch für den Straßenradsport. Speziell im Winter kann der Nachwuchs fast nur auf der Bahn trainieren. Königshofer hofft, dass in absehbarer Zeit eine neue Halle errichtet wird. "Es ist paradox", sagt er, "dass das Dusika just jetzt geschleift wird." Jetzt, da Österreichs Radsport Erfolge feiert wie nie zuvor, siehe Anna Kiesenhofers Olympia-Sieg, siehe Patrick Konrads Tour-de-France-Etappensieg.

Was bleibt, ist die Hoffnung. Und das Schwelgen. Und die Aussicht auf eine Truhe, die einmal eine Ziellinie war. (Fritz Neumann, 10.2.2022)