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Hildmann erreichte auf Telegram zwischenzeitlich 100.000 Menschen.

Foto: AP / Joerg Carstensen

Telegram ist die Lieblingsplattform vieler Verschwörungserzähler und Rechtsextremer. Moderation von Hassrede und Desinformation sucht man hier meist vergeblich. Selbst für nationale Regierungen waren die Verantwortlichen bisher kaum erreichbar. Umso interessanter ist es, was Besucher der Kanäle Attila Hildmanns seit Mittwoch zu sehen bekommen: "Dieser Kanal kann nicht angezeigt werden, weil er gegen lokale Gesetze verstößt", heißt es in einer Mitteilung. Dass der Messenger auf nationales Recht verweist, passiert in Deutschland damit zum ersten Mal.

Für den prominenten Corona-Leugner dürfte die Sperre jedenfalls einen schweren Schlag bedeuten. Nachdem seine Reichweite schon vergangenes Jahr durch die Blockade auf iPhones und Android-Smartphones eingeschränkt worden ist, gilt die jüngste nun geräteübergreifend. Hildmanns Botschaften sind auch über den Browser nicht mehr aufrufbar, berichtet das Center für Monitoring und Analyse (Cemas) auf Twitter. Zumindest teilweise.

Eingeschränkte Wirkung

Hildmann betreibt mehrere Kanäle auf der Plattform, gesperrt wurden laut Josef Holnburger von Cemas sieben von ihnen. Manche davon hätten weniger als 1.000 Abonnentinnen gehabt. Unterdessen erreiche der Verschwörungsideologe über einen anderen Kanal – der nicht den Namen Attila Hildmann trägt, aber diesem zuzuordnen sei – weiterhin mehr als 60.000 Personen mit Falschinformationen über die Corona-Impfung. Hinzu kommt, dass die Sperre laut dem "Spiegel" derzeit nur für deutsche User gilt.

Anfang Februar kam es erstmals zu einem Treffen der deutschen Bundesregierung mit Vertretern des Messengerdiensts. Nachdem Anhänger der dortigen "Querdenker"-Bewegung Mordpläne gegen Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) geäußert haben und mit Fackeln zum Haus der Mecklenburg-Vorpommer'schen Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) vordringen wollten, drängt diese zu einer klareren Regulierung Telegrams.

Schwierig erreichbar

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte im Dezember letzten Jahres ein härteres Vorgehen gegen Gewalt und Hetze auf der Plattform an. Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) stellte sogar die Möglichkeit eines Geoblockings in den Raum.

Das Problem an diesen Plänen war bisher die Erreichbarkeit der Verantwortlichen. Das Unternehmen hat seinen Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Auf Verfahrensschreiben im Rahmen bisheriger Bußgeldverfahren erhielt die deutsche Regierung bisher schlicht keine Antworten.

Auf Twitter teilte Faeser am 4. Februar schlussendlich mit, "Kontakt zur Konzernspitze von Telegram hergestellt" zu haben. Im Rahmen eines konstruktiven Gesprächs habe man vereinbart, "den Austausch fortzusetzen und zu intensivieren".

Schärfere Gesetze

Zuvor stellte die Politikerin eine Verschärfung des deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (Netz DG) in den Raum. Dieses verpflichtet Plattformbetreiber wie Facebook zur Löschung relevanter Inhalte. Telegram gilt derzeit allerdings als Messengerdienst für Individualkommunikation – obwohl es sich dank reichweitenstarker, öffentlicher Kanäle und Gruppen in Wirklichkeit um einen Hybrid handelt. Inzwischen schätzt das auch die deutsche Bundesregierung so ein.

Ob es einen Zusammenhang zwischen dem Treffen Faesers mit den Telegram-Vertretern und den jüngsten Sperren gibt, kann nicht gesagt werden. Die Bemühungen der deutschen Bundesregierung verdeutlichen jedoch, dass der Druck auf den Messenger auch von politischer Seite zunimmt. Zunächst muss man allerdings abwarten, ob es sich beim Vorgehen gegenüber Attila Hildmann um einen Einzelfall – oder gar den Beginn eines Richtungswechsels handelt. (mick, 10.2.2022)