Eine Aufnahme der Proteste in Ottawa, Kanada. Auch hiesige Corona-Maßnahmen-Gegner wollen auf kreativere Aktionsformen setzen, die bisher nur in kleinerem Ausmaß umgesetzt wurden.

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Neu erfunden werden soll das Rad nicht: Das, was seit Tagen im kanadischen Ottawa funktioniert, sollte auch in Wien umgesetzt werden. Es geht um große Autokonvois, mit denen Corona-Demonstranten gegen Schutzmaßnahmen und die Impfpflicht auffahren. Die kanadische Hauptstadt befindet sich seit zwei Wochen im Ausnahmezustand, weil Lkw-Fahrer Straßen rund um das Regierungsviertel blockieren.

Diese Aktionsform soll nun also auch für Wien übernommen werden – zumindest wenn es nach den Aktivisten und Aktivistinnen geht. Für Freitag wurden bis zu 3.000 Fahrzeuge und 10.000 Personen für eine anschließende Kundgebung angemeldet. Die Forderungen: Rücktritt der Regierung, Rücknahme aller Maßnahmen.

Doch Donnerstagnachmittag untersagte die Polizei die Demonstration. Die Pläne hätten vorgesehen, dass sich die Demonstranten samt Autos zu Mittag in der Praterhauptallee sammeln, anschließend den Ring umrunden und schließlich wieder zum Praterstern zurückkehren. Anschließend sollte eine Kundgebung auf dem Heldenplatz stattfinden. "Da wird’s eine Party geben", kündigte einer der Organisatoren im Vorfeld an.

Öffentliches Wohl

Die Polizei führt in der Begründung der Untersagung an, dass Hinweise vorliegen, dass Demo-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer "ihre Fahrzeuge als Blockademittel verwenden werden, um den innerstädtischen Verkehr völlig lahmzulegen". In der Tat fand sich diese Formulierung auch exakt so in einem Aufruf zur Demo. Der Start in der Hauptallee würde zudem eine "nicht hinnehmbare Emissions- und Lärmbelastung" in einem Naherholungsgebiet darstellen.

Das für die gesamte Abend- und Nachtzeit geplante Umfahren der Ringstraße unter der Verwendung von Hupen und Lautsprechern übersteige das bei Versammlungen sonst zu tolerierende Maß an Lärm "erheblich". Auch die Kundgebung wurde untersagt, wie die Polizei auf Nachfrage mitteilt. Die Pläne riefen zuvor auch Protest aus dem zweiten Bezirk auf den Plan: Sowohl die Grünen als auch die SPÖ sprachen sich dagegen aus und führten den Naturschutz ins Treffen. Auch in Paris untersagte die Polizei derartige Proteste.

Kanadisches Vorbild

Ob am Freitag nun trotz Untersagung Demonstranten auffahren werden, lässt sich schwer vorhersagen. In einschlägigen Gruppen stieß die neue Aktionsform auf viel Zuspruch. Nach Bekanntwerden der Untersagung hieß es etwa "Glauben die Deppen, dass jetzt alle brav daheimbleiben? Dann eben alles chaotisch" oder "Angesagte Revolutionen finden nicht statt!" sowie "Ich warte auf euch am Ring".

Schon im Vorfeld wurde diskutiert, wie weit man dem kanadischen Vorbild folgen solle – also ob tatsächlich auch länger andauernde Blockaden durchgezogen werden sollen. Einer der Organisatoren sprach am Donnerstag davon, dass nach der Auflösung der Versammlung "jeder für sich" entscheide, was er tue. Er spielte damit vermutlich darauf an, dass es Gruppen gibt, die damit liebäugeln, die Straßen längere Zeit besetzt zu halten. Dem STANDARD liegt ein Dokument vor, in dem dazu aufgerufen wird, nicht nur Getränke und Essen mitzubringen, sondern auch warme Decken für einen Aufenthalt im Auto, Erste-Hilfe-Päckchen, USB-Packs für das Handy und Reservekleidung.

Organisierte Anreise

Bei der Organisation der Aktion tun sich eine Handvoll Personen hervor. Darunter etwa Markus H., der regelmäßig bei Demonstrationen mit der Gruppe "Ungeimpft Österreich" auftritt, er rief etwa auch zum Protest vor einer Volksschule auf. Er ist zudem bei SGB-Media im Umfeld einer selbsternannten "Ritterschaft" aktiv, die in der Vergangenheit auch als Ordner bei Corona-Demos auftrat.

In Erscheinung tritt auch der Unternehmer Aram L., der kurz vor der (nun untersagten) Demo dem rechtsextremen Kanal "Info Direkt" ein Interview gab. Er spricht davon, dass die Einschränkungen von Anfang an nur eine "Marketingaktion" für die Impfung gewesen sein sollen. Das Projekt der Auto-Demo habe er das erste Mal bei einer MFG-Veranstaltung vorstellen dürfen.

Es gibt zudem detaillierte Anleitungen für die koordinierte Anreise aus den Bundesländern. Sollte diese trotz Untersagung durchgezogen werden, könnte es also auch zu Spontanversammlungen und damit zu Verkehrsbehinderungen kommen. So oder so könnte es ein protestreiches Wochenende in der Bundeshauptstadt werden, denn für Samstag ist schon die nächste Demonstration geplant. Auf etwaige Aktionen sei man vorbereitet, heißt es von der LPD Wien. (Vanessa Gaigg, 10.2.2022)