In der Volkspartei bleibt wieder einmal kein Stein des Anstoßes auf dem anderen. Der intellektuelle Schock, der das Land erschütterte, als die Auflösung der türkisen Denkfabrik Think Austria durch den Nachfolger ihres Gründers bekannt wurde, war noch nicht verebbt, als auch schon – wieder einmal – ein Licht am Ende des Tunnels entzündet wurde. Das können sie nicht lassen.

Das Licht heißt Georg Streiter, glomm als stellvertretender Regierungssprecher von Angela Merkel in Berlin und soll nun in Wien als "Medien-Guru den Untersuchungsausschuss für die ÖVP retten", wenn der Kurier aus Parteikreisen richtig informiert wurde. Das sollte dem Guru nach einer Karriere bei der Bild-Zeitung nicht schwerfallen, dürften sich doch die Vorstellungen von Message-Control, wie sie in der dortigen Redaktion und der hiesigen Partei herrschen, nicht allzu sehr unterscheiden.

Dem Bundeskanzler ist mit dem Tausch Antonella Mei-Pochtler gegen Georg Streiter ein großer Befreiungsschlag gelungen. Think Austria sollte sich bekanntlich um strategische Themen für die Entwicklung Österreichs kümmern. Die Fabrik trug zum Wohle des Landes insofern bei, als keine konkreten Ergebnisse bekannt wurden, zum Wohle ihres Erfinders aber offensichtlich zu wenig, um ihn wenigstens eine Legislaturperiode im Amt zu halten. Das wollte sich Karl Nehammer ersparen.

Der ehemalige Merkel-Sprecher Georg Streiter soll den Imageschaden aus dem U-Ausschuss begrenzen.
Foto: imago/photothek

"Wir sind Papst"

Als Referenz seiner Fähigkeiten kann Streiter vorweisen, dass er anlässlich der Wahl Joseph Ratzingers am 19. April 2005 für Bild die Schlagzeile kreierte: "Wir sind Papst". Nach eher unheiligen Erkenntnissen aus späterer Zeit hat sich diese Inanspruchnahme seiner Heiligkeit für das deutsche Volk als nicht optimal erwiesen. Es ist jedenfalls nicht das, was man dem österreichischen Volk wünschen kann, sollte der Guru in Besinnung auf frühe journalistische Triumphe nun den Slogan kreieren wollen "Wir sind Sobotka" – um den U-Ausschuss für die ÖVP zu retten. Heute kann er sich sagen: Was habe ich mit dem ehemaligen Papst zu schaffen? Um so leichter sollte ihm einst die Sobotka-Weglegung fallen.

Aber noch ist es nicht so weit. Denn der will jetzt nicht weggelegt werden, und zwar allein deshalb, weil auch er den U-Ausschuss für die ÖVP retten will. Der Rettungsbedarf ist in der Tat enorm, und soll Guru Streiter auch an der Seite von Angela Merkel viele Krisen bewältigt haben, so kann doch keine davon der österreichischen Chat-Krise mit all ihren – auch sprachlichen – Finessen auch nur in die Nähe gekommen sein.

Dass der Bundeskanzler dem Parlamentspräsidenten eine deutsche Krücke verschreibt, hätte auch eine Idee aus dem geistigen Raum von Think Austria sein können. Es hat einen Bundeskanzler gegeben, der Studien beauftragte, die ihn als hinterfotzigen Pfau populär machen sollten, und das ist nur eines der Phänomene, vor dessen geistigem Hintergrund "Think Germany" nun Ersprießliches leisten soll. Auf derlei wurde der Medien-Guru bei Merkel wohl kaum vorbereitet.

Er soll, wie man das bei Importen aus Deutschland öfter hört, ein Mann "klarer Ansagen" sein. Wer hätte gedacht, dass ein Sobotka ausgerechnet so etwas braucht, wo er doch ohnehin völlig klar Interventionen als Reaktion auf Bürgeranfragen erklärt. Was zu denken gibt: Hier ist schon ein Silberstein gescheitert. (Günter Traxler, 10.2.2022)