Der Fokus der Politik der MFG liegt zurzeit noch in der Organisierung von Anti-Maßnahmen-Demos. Wie hier in Innsbruck.

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Sie sind gekommen – und wollen auch bleiben. Die neuen Politiker der impfkritischen Neo-Partei MFG (Menschen, Freiheit, Grundrechte) sind nach ihrem überraschenden Einzug ins Landesparlament in Oberösterreich einigermaßen enthusiasmiert und streben bereits nach Höherem.

"Die Kritik an den Pandemiemaßnahmen ist nicht unser einziges Thema, man wird uns noch auf Jahre hinaus brauchen", glaubt MFG-Bundesobmann Michael Brunner, ein Wiener Rechtsanwalt, der mit Berufskollegen zu Beginn der Pandemie die Initiative "Rechtsanwälte für Grundrechte – Anwälte für Aufklärung" gegründet hatte, aus der schließlich die MFG, die am 14. Februar ein Jahr alt wird, hervorging.

"Wir werden Jahre für die Aufarbeitung der Pandemiemaßnahmen brauchen", sagt Brunner. Seine Partei werde sich etwa dafür einsetzen, dass per Gesetz eine Art Covid-"Sondergerichtshof" eingerichtet werde, "um sämtliche Maßnahmen dieser Pandemie rechtlich zu beurteilen, Haftungen von Personen festzustellen und Opfer zu entschädigen", sagt Brunner im Gespräch mit dem STANDARD.

"Bürgerpartei"

Dessen "neue Bürgerpartei" (Brunner) möchte jetzt jedenfalls auch bundesweit ins politische Geschehen der Republik eingreifen. Auch die Bundespräsidentenwahl sei dabei "durchaus ein Thema". "Wir überlegen, ob wir zur Bundespräsidentenwahl antreten werden. Es muss auch noch eine geeignete Persönlichkeit gefunden werden", sagt Brunner.

Der MFG-Chef registriert – eigenen Berechnungen zufolge – in allen Bundesländern einen "großen" Zuspruch für seine Partei: "Bei der Oberösterreichwahl im September 2021 hatten wir 4.000 Mitglieder, jetzt haben wir 23.000."

Wo sieht Brunner die neue Partei politisch verortet? "Wir sind keine Partei, die links oder recht einordenbar ist. Wir fühlen uns als Bürgerpartei einzig dem Souverän verpflichtet." Jetzt eben mit grundlegender Kritik an allen Pandemiemaßnahmen.

Ob er denn kein Problem habe, wenn Rechtsextreme und Neonazis Seite an Seite mit der MFG bei Anti-Maßnahmen-Demos mitmarschieren? "Es ist nicht jeder bei uns willkommen, Rechtsextreme und Neonazis schon gar nicht. Aber wir können nicht verhindern, dass die mitmarschieren. Es kann sich jeder frei bewegen", argumentiert Brunner.

Die FPÖ verfolge zwar bei den Themen Covid-Maßnahmen und Impfpflicht eine ähnliche Linie, aber die sei ja "ganz unglaubwürdig" bei der FPÖ. "Die fahren in Oberösterreich einen ganz anderen Kurs als der Herr Kickl in Wien, das macht sie unglaubwürdig. Wir haben hier eine einheitliche Botschaft. Wir finden die Maßnahmen überzogen und nicht maßvoll."

Auf Basis der Maßnahmenkritik haben Brunner und die MFG-Spitze in aller Eile auch so etwas wie ein kleines Parteiprogramm formuliert. Da geht’s kreuz und quer durch den Gemüsegarten: von der Abschaffung der "Zwangsmitgliedschaften bei den Kammern", der Forderung nach einem freiwilligen Religionsunterricht, der Streichung von Unterstützungen wie Kurzarbeit für Großkonzerne, einer "Vergesellschaftung zum Schutz vor Privatisierung und Profitorientierung wichtiger Infrastruktur" bis zur "bedingungslosen Beibehaltung des Bargeldes".

Die ÖVP leidet

Auch bei Umfragen in Niederösterreich fiel zuletzt auf, dass die MFG-Partei – wie es schon in Oberösterreich der Fall war – in erster Linie von der ÖVP Wähler abziehen könnte. "Ich habe das auch mit Interesse registriert. Ich bin überzeugt, dass viele Bürger mit dem Kurs, gewaltsam vieles durchzusetzen, nicht einverstanden sind. Die ÖVP hat ihre Bürgerlichkeit verloren", sagt Brunner.

Diesen Konnex zur ÖVP hält der Wiener Politikforscher an der Universität Wien, Fabio Wolkenstein, der sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit auf christlich-soziale Parteien fokussiert, durchaus für plausibel. "Auch im ÖVP-Milieu gibt es Impfskepsis. Auch Appelle an die Einhaltung von Grundrechten fallen hier auf fruchtbaren Boden", sagt Wolkenstein. Nicht zu übersehen seien auch "die Untergruppen der streng Gläubigen mit parawissenschaftlichen Anwandlungen", für die Impfungen "Teufelszeug" seien und die die Meinung verträten, dass "Genwissenschaft mit Gottes Schöpfung" spiele und man "nicht in Naturrechte eingreifen" dürfe.

"Dass man in die Schöpfung nicht eingreifen dürfe, diese Argumentation vertreten auch formal Hochgebildete, die zu Impfskeptikern geworden sind", sagt Wolkenstein. Die FPÖ, die hier ein ähnliches Thema bespiele, wäre aber für die ÖVP- Klientel nicht wählbar. Zumal die FPÖ als antiklerikal identifiziert wird.

Anders als MFG-Gründer Brunner hält Wolkenstein die neue Partei für ein ziemlich vergängliches politisches Konstrukt. "Wenn die Pandemie vorbei ist, werden sie kein großes Thema mehr haben. Dann dürfte auch diese MFG-Phase vorbei sein. Wenn sich in den nächsten Monaten herausstellt, dass die Impfpflicht doch keine so starken Auswirkungen hat und sie mehr Symbolpolitik war, wird die Propaganda der MFG dünner." Für die anstehenden Wahlen könne die MFG-Partei aber noch eine Rolle spielen: In Oberösterreich gelang ja auf Anhieb der Einzug ins Landesparlament mit sechs Prozent, und in Niederösterreich könnte die MFG im nächsten Jahr der ÖVP die absolute Mehrheit kosten.

Die nächste Bewährungsprobe steht in Tirol an. Dort finden am 27. Februar die Gemeinderats- und Bürgermeister- und Bürgermeisterinnen-Wahlen statt. 274 der insgesamt 277 Kommunen wählen – die Statutarstadt Innsbruck erst 2024 wieder.

Die MFG trete tirolweit in 51 Gemeinden, darunter Kufstein, Schwaz, Telfs und Imst, mit einer eigenen Liste an und schickt 22 Kandidaten für Bürgermeisterämter ins Rennen, bestätigt Tirol-Sprecher Bernhard Schmidt, Polizist von Beruf und ehemaliger FPÖ-Politiker. Obwohl die Landespartei erst vergangenen Sommer gegründet wurde, verfüge sie in Tirol mittlerweile über ein Netzwerk von "mehr als 70 Ortsgruppen". 2023 will man auch bei den Landtagswahlen antreten. Laut Umfragen könnte sie wie in Oberösterreich aus dem Stand den Einzug in den Landtag schaffen.

Aus dem Nichts

In wessen Teich die MFG-Partei fischt, erklärt Schmidt so: "Die Wählerinnen und Wähler kommen von allen Parteien. Aber zuletzt vor allem aus dem Bereich der Grünen und der ÖVP."

In Oberösterreich sorgten die Impfskeptiker im Landtagswahlkampf im September des Vorjahres für ein politisches Beben im Linzer Landhaus. Mit 6,2 Prozent schaffte es die MFG aus dem Nichts in den Landtag. Auf der Oppositionsbank haben seitdem drei Vertreter aus dem Impfgegnerlager Platz genommen: Klubobmann ist Manuel Krautgartner, weitere Mandatare sind Dagmar Häusler und MFG-Oberösterreich-Parteiobmann Joachim Aigner. Alle drei eint als Quereinsteiger ihre weitgehende politische Unerfahrenheit.

Gut ein halbes Jahr nach dem Einzug fällt eine erste Arbeitsbilanz überschaubar aus: Man war mehr mit der Organisation von Demos beschäftigt. Aufgefallen sind die MFG-Politiker zumindest optisch: Sie weigerten sich, während der Landtagssitzungen Masken zu tragen. (Steffen Arora, Walter Müller, Markus Rohrhofer, 11.2.2022)