Es gibt da einen Schmäh, der sich zwar schon abgenutzt hat, aber im Kern immer noch ein bisschen Wahrheit in sich trägt: Österreich hat seit Beginn der Pandemie fast neun Millionen Virologinnen und Virologen. Eine Handvoll dieser Hobbyvirologen ist momentan allerdings besonders aktiv.

Es geht um einen Gutteil der Landeshauptmänner – Niederösterreichs Landeshauptfrau hält sich bisher in der Öffentlichkeit eher zurück. Diese überbieten sich gerade mit Vorschlägen, wie die Impfpflicht am besten zu vollziehen sei, und – noch viel lauter – mit Kritik am Plan, ab wann und ob überhaupt gestraft werden soll.

Ein Landeshauptmann fällt da besonders auf: Wilfried Haslauer, schwarzer Landeschef in Salzburg. Er plädierte dafür, die Impfpflicht noch einmal zu evaluieren, ließ aber auch gleich wissen, wie er vorgehen würde: "Man kann nicht mit einem ungewissen Ereignis die Notwendigkeit einer Impfpflicht argumentieren", sagte er.

Der Ruf nach einer Evaluierung gleicht da einer No-na-Aussage. Haslauer fordert damit nicht mehr und nicht weniger, als dass das Gesetz angewendet wird. Da steht ausdrücklich drinnen, dass die Impfpflicht immer wieder aufs Neue überprüft – und gegebenenfalls abgeschafft – werden muss. So haben es National- und Bundesrat nach langen Verhandlungen beschlossen, so haben es Bundespräsident und Bundeskanzler unterzeichnet.

Der Salzburger ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer plädiert dafür, die Impfpflicht noch einmal zu evaluieren.
Foto: APA/FRANZ NEUMAYR

Viel eigenartiger mutet da schon an, dass ein Landeshauptmann meint, er könne die Lage aus dem Stand beurteilen. Damit greift er jenen Fachleuten vor, die seit zwei Jahren Daten studieren, Modellrechnungen anstellen und Gesetzestexte formulieren oder durchackern.

Haslauer – übrigens Jurist – fällt damit nicht zum ersten Mal mit einer gewissen Wissenschaftsskepsis, wenn nicht sogar Wissenschaftsfeindlichkeit auf. Erst wenige Monate ist es her, da sagte er: "Virologen wollen alle am liebsten einsperren." Wenige Tage danach mussten Salzburgs überfüllte Spitäler mit Triage beginnen. Er hat aus dem missglückten Sager offenbar nicht gelernt.

Nur: Was hat diese plötzliche Flut an Wortspenden der Landeshauptleute zu bedeuten? Da kommen zweierlei Theorien in Betracht. Die erste: Nun, wo die Impfpflicht tatsächlich bald realisiert werden soll, merkt man in den Ländern, dass da noch viel Arbeit auf sie zukommt. Das hat wohl auch das Gesundheitsministerium mitzuverantworten, das es verabsäumt hat, ein bundesweites Ausnahmeregister auf den Weg zu bringen. Die Äußerungen der Landeshauptleute wären damit Ausdruck des Grants und im Grunde harmlos, würden sie nicht die Bevölkerung verunsichern.

Theorie zwei: Die Landeshauptleute testen bewusst die Stimmung aus. Mit ihren mehr oder minder subtilen Forderungen, lieber doch nicht zu strafen, wird eine Diskussion angeregt. Die Bundesregierung kann sich zurücklehnen und schauen, wie Menschen und Medien darauf reagieren. Für diese Theorie spricht, dass gerade die ÖVP-Verantwortlichen in der Regierung recht still sind, wenn es um die Kritik der Länder geht.

So oder so: Beide Erklärungsmöglichkeiten sind politische Schachzüge. Und das ist in einer Pandemie – auch wenn sie derzeit nicht so viele Menschen tötet, wie es schon einmal der Fall war – völlig fehl am Platz. Es wird Zeit, dass die echten Expertinnen und Experten das Ruder übernehmen. (Gabriele Scherndl, 10.2.2022)