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Die EU-Beschwerde gegen Google wirft dem Digitalriesen intransparente Werbe-Auktionsprozesse hinter transparenten Fassaden (im Bild: Manhattan) vor.

Foto: REUTERS/Andrew Kelly

Brüssel – Der Verband europäischer Medienhäuser EPC hat am Freitag eine Beschwerde über die Werbepraktiken des Digitalkonzerns Google eingebracht. Der Digitalriese mit dem weltweit weitaus größten Werbeumsatz kontrolliere den Online-Werbemarkt und den digitalen Handel wettbewerbswidrig und mit "verheerender" Wirkung.

Google habe jede einzelne Stufe des Online-Werbegeschäfts mit Marktanteilen von 90 bis 100 Prozent "monopolisiert" und missbrauche seine marktbeherrschende Stellung auf Kosten der klassischen Medien, die Werbung benötigen, um Journalismus und andere Inhalte zu finanzieren.

Google hat Vorwürfe wettbewerbswidrigen Verhaltens im Adtech-Sektor schon in der Vergangenheit zurückgewiesen.

  • Update: Stellungnahme – Google ließ dazu verlauten: "Onlinewerbung finanziert viele jener der Inhalte, die wir online genießen und uns Wissen vermitteln. Sie hat Millionen kleiner Gewerbetreibenden und Unternehmen erstmals ermöglicht, Werbung zu machen. Für Nachrichtenmedien, große wie kleine, hat sie neue Möglichkeiten substanzieller neuer Einnahmequellen ermöglicht, die es im Printzeitalter nicht gebeben hat. Wenn sich Publisher entscheiden, unsere Werbedienstleistungen zu nutzen, geht der überwiegende Teil der Einnahmen an sie. Jahr für Jahr zahlen wir Milliarden Dollar direkt an unsere Medienpartner in unserem Werbenetwork." Google verweist zudem auf jüngste Modifikationen der "Sandbox"-Pläne für Chrome.

Die digitale Werbebörse

Worum geht es hier? Onlinewerbeplätze werden zu einem großen Teil in Echtzeit über digitale Börsen versteigert, nach vordefinierten Merkmalen von Userinnen und Usern. Angebot und Einkauf übernehmen – weil der Prozess praktisch in Echtzeit abläuft – ebenfalls Maschinen. Sie bekommen einerseits von Portalen die Information über Werbepublikum und verfügbare Plätze, am anderen Ende der Kette haben Mediaagenturen oder werbetreibende Konzerne ihren digitalen Händlern die erwünschten Zielgruppen und Budgets mitgegeben.

Die so gebuchte Werbung wird über Adserver auf den Seiten den jeweiligen Userinnen und User angezeigt. Diese "programmatisch" gebuchte Werbung macht nach Angaben des Beschwerdeführers European Publishers Council (EPC) bis zu 50 Prozent der Werbeumsätze von Medienunternehmen aus.

Worum geht es in der EU-Beschwerde?

Worum geht es in der Beschwerde? Google hat 2008 den Adserver Doubleclick übernommen. Daraus entwickelte der Digitalriese Tools für den Einkauf und den Verkauf von Werbung für Publisher und kombinierte sie mit seiner Werbebörse. Heute kontrolliere der digitale Weltkonzern mit den übernommenen und weiterentwickelten Tools alle Stufen in diesem Geschäft.

Konkurrenz und konkurrierende Systeme zugunsten klassischer Medienhäuser würden durch die Marktmacht auf allen Ebenen verdrängt oder behindert, etwa auch über Deals mit Meta, das mit Facebook, Whatsapp, Instagram die zweitgrößten Werbeumsätze weltweit einspielt.

Als ob Goldman die New Yorker Börse besäße

Die Beschwerde zitiert einen ungenannten hochrangigen Google-Mitarbeiter, der die Position von Google im Online-Werbemarkt so illustriert: Das ist, als würde eines der großen Investmenthäuser wie Goldman oder Citibank zugleich die New Yorker Börse kontrollieren. Google kontrolliere heute mit der Google Ad Exchange die weltgrößte Online-Werbebörse mit rund elf Milliarden Transaktionen pro Tag, mehr als die New Yorker Börse und die US-Technologiebörse Nasdaq zusammen.

Google besitzt zugleich die größten Broker und Tools auf der Kauf- wie auf der Verkaufsseite – Google Ad Manager ("360"), Google Ad Words/Ad Sense, Google Ad Mob, Google Marketing Plattform einschließlich der Börse Google AdX.

Diese marktbeherrschende Position hätten Google und sein Mutterkonzern Alphabet nicht oder jedenfalls nicht allein über bessere Produkte und Angebote erreicht, sondern über – nach dem Befund des European Publishers Council – über wettbewerbswidriges Verhalten. Die Beschwerde listet eine Vielzahl von Beispielen auf.

Drastisch weniger Umsatz für Medienhäuser

Google ist mit seinen Suchwort-Anzeigen für kleinere Unternehmen und als Anbieter der den Weltmarkt dominierenden Suchmaschine selbst der gewichtigste Player in diesem Online-Werbemarkt. Wer Zugang dazu bekommen will, müsse die Google-Werbebörse nützen, schildert die Beschwerde eine von vielen vom EPC identifizierten Praktiken.

Google – vorsichtig formuliert – behindere etwa ein Konkurrenzverfahren für Online-Werbung zugunsten von Verlegern ("Header Bidding"). Laut einer Analyse von Google, die die Beschwerde zitiert, brachte dieses konkurrierende Verfahren Medienhäusern 2016/17 im Schnitt 80 Prozent höhere Einnahmen als über die Google Ad Exchange.

Außerdem verrechne die Google-Werbebörse für ihre Dienstleistung 20 Prozent Umsatzanteil, weit mehr als Wettbewerber. Ihre Konditionen erlaubten ihr, Werbung auf Kosten der Medien günstiger zu verkaufen, bevor sie auf anderen Werbebörsen (zu besseren Konditionen) weggingen. Intransparente Auktionsprogramme würden die Umsätze von Medienhäusern um bis zu 40 Prozent reduzieren, heißt es in der Beschwerde des EPC über das von Google inzwischen konterkarierte Verfahren.

Und wenn Google von seinem – ebenfalls marktbeherrschenden – Chrome-Browser Third Party Cookies entferne und sie durch von Google kontrollierte Zielgruppenidentifizierung ersetze, würde das die Werbeeinnahmen von Publishern kurzfristig um bis zu 70 Prozent reduzieren, warnen die Medienhäuser in ihrer EU-Beschwerde.

Dem EPC gehören große Medienhäuser wie Schibsted, Axel Springer, JPPOL, DMG Media, The New York Times, Holtzbrinck, DPG Media, Mediahuis und Impresa an. Auch DER STANDARD ist Mitglied im EPC.

Mit 210 Milliarden Dollar Werbeeinnahmen Weltmarktführer

Google und seine Videoplattform Youtube erzielen längst die weltgrößten Werbeumsätze – 2021 fast 210 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Den größten Werbeumsatz eines klassischen Medienunternehmens dürfte im Vorjahr der US-Konzern Comcast mit NBC Universal und Sky eingespielt haben – rund 15,6 Milliarden Dollar. Google kam auf das gut Dreizehnfache. Googles Werbeumsatz legte 2021 um rund 43 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu.

In Österreich zeigen die Einnahmen der Republik aus der Digitalsteuer im Jahr 2021: Internationale Digitalriesen wie Google und Facebook setzen hier rund 1,6 Milliarden Euro um – das Volumen hat sich gegenüber 2020 verdoppelt. Sie dürften die Werbeeinnahmen aller klassischen Medien in Österreich bald einholen – im Vorjahr nahmen sie damit, hochgerechnet aus der Werbeabgabe, rund zwei Milliarden Euro ein.

"Volle Unterstützung des VÖZ"

Gerald Grünberger, Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ), stellt sich hinter die EU-Beschwerde des EPC: "Auch die Medienhäuser verlegerischer Herkunft in Österreich beschäftigen sich bereits seit längerem mit dieser Thematik und beobachten sehr genau, wie Google und andere große Tech-Plattformen agieren. Die Herausforderung, mit der wir konfrontiert sind, ist ja die marktbeherrschende Position, die Google mittlerweile in vielen relevanten Teilmärkten und Bereichen des Digitalgeschäfts einnimmt. Von österreichischer Seite können sich die europäischen Verleger daher der vollen Unterstützung seitens des VÖZ für ihr Anliegen sicher sein." (fid, 11.2.2022)