Florian Kaps sagt der Digitalisierung den Kampf an und beschäftigt sich mit Film, Sound und Fotografie im analogen Bereich. Auch in seinem Wohnen ist eine gewisse Polaroid-Handschrift nicht zu übersehen.

"Farbe hat für mich eine große Bedeutung, sowohl beruflich als auch privat. Ich bin ein riesengroßer Freund der Polaroid-Kameras und Polaroid-Fotos, und ohne Farbe – ohne diesen einen, ganz bestimmten Charakter mit den eigenartig verträumt-nostalgischen Farben – wäre Polaroid aus heutiger Sicht unvorstellbar.

Florian Kaps in seiner Wohnung im neunten Bezirk. Er ist im selben Haus aufgewachsen.
Foto: Lisi Specht

Ich glaube, dass meine Liebe zu Polaroid auch auf das Wohnen abgefärbt hat, wahrscheinlich nicht einmal sonderlich bewusst. Das Wohnzimmer ist in diese ganz typischen, mal kalten, mal warmen Siebzigerjahre-Farbfamilien aus Blau und Lila getaucht.

Tatsächlich aber ist dieses Zimmer eine Einladung an alle Familienmitglieder, hier die eigenen, individuellen Spuren zu hinterlassen – ganz im Gegensatz zu meiner eigenen elterlichen Wohnung, durch die mein Vater, nachdem wir gespielt hatten, mit dem Teppichkamm durchgegangen ist, um die Teppichfransen wieder parallel hinzukämmen. Hier gibt es keine Fransen! Hier darf sich jeder und jede nach Belieben einbringen. Die Summe aus Cyan, Blau und Violett ist Resultat unserer zufälligen, unbewussten Handschriften.

Ich bin hier im Haus geboren, und zwar genau zwei Stockwerke über uns. Genau da oben war die Teppichfransenwohnung. Eines Tages, das muss um 1993 gewesen sein, als meine jetzige Frau Anna und ich meine Eltern besucht haben, war im Aufzug eine Parte befestigt. Die ehemalige Wohnungsbesitzerin war verstorben, die Wohnung stand leer. Und so hat es sich ergeben, dass ich im Alter von 25 Jahren wieder in mein eigenes Geburtshaus zurückgezogen bin.

"Die Summe aus Cyan, Blau und Violett ist Resultat unserer zufälligen, unbewussten Handschriften", sagt Florian Kaps über sein Wohnzimmer.
Fotos: Lisi Specht

Wir wohnen hier in der Porzellangasse im neunten Bezirk. Die psychische Umstellung auf eine 170 Quadratmeter große Wohnung war alles andere als einfach. Anna und ich hatten zuvor gemeinsam auf knapp 25 Quadratmetern gewohnt, ohne uns dabei umzubringen. Mit den gefühlten drei Möbelstücken, die wir damals hatten, hier einzuziehen war irgendwie entrisch. An die große Fläche mussten wir uns erst gewöhnen. Ich erinnere mich noch, dass wir alle halben Jahre, sobald wir uns mit der neuen Fläche vertraut gemacht hatten, immer wieder ein weiteres Zimmer in Betrieb genommen haben. Nach zwei, drei Jahren war die Wohnung dann im Vollbetrieb.

Wir wohnen mit vielen alten Möbeln, wobei die Siebzigerjahre sicherlich überwiegen. Ich mag diese Zeit, ich bin ein durch und durch analoger Mensch. Eigentlich sind wir das doch alle, oder? Auch wenn wir behaupten, digital geworden zu sein. Kochen, Essen, Waschen, Sex, Ausscheidung – trotz fortschreitender Digitalisierung, von der alle komischerweise so verzweifelt träumen, sind diese Bestandteile unseres Lebens noch immer nicht im Äther verschwunden. Wir leben in einer analogen Welt. Und damit diese Welt überhaupt stattfinden kann, braucht es reale, analoge, angreifbare Räume. Dieser hier ist für mich persönlich ein ziemlich gutes, gemütliches Beispiel dafür.

Florian Kaps mag Gegenstände, die bereits durch viele Hände gegangen sind.
Fotos: Lisi Specht

Vielleicht bin ich ja nur ein sturer Retro-Depp, aber ich mag es, wenn ein Gegenstand durch viele Hände gegangen ist und schon von vielen Menschen benützt wurde. Ohne dieses Wissen, ohne diese Weitergabe, ohne die kontinuierliche liebevolle Weiterentwicklung wäre Tradition gar nicht möglich. So gesehen bin ich multisensorischer Traditionalist. Ich brauche einen knarrenden Parkettboden, ich mag das Quietschen der Fenster im Wind, das Scheppern der Scheiben, wenn es gewittert, und ich mag sogar den leichten, eiskalten Luftzug durch die undichten Fensterflügel, wenn ich im Winter am Esstisch sitze.

Was ich definitiv niemals haben werde, ist irgendeine besserwisserische Alexa, die mir beim Wohnen zuhört und mir das Gefühl gibt, dass ich nicht einmal mehr selber in der Lage bin, das Licht ein- und auszuschalten. Und so bleibe ich dem Analogen treu und freu mich darüber, dass mich meine Frau und meine Kinder in diesem Spleen unterstützen. Vor ein paar Jahren hat mir Anna sogar einen Klorollenhalter in Form einer Polaroid-Kamera geschenkt. Über die Symbolik dieser Geste denke ich bis heute nach." (14.2.2022)