Seit gut einer Woche wird das Haus in der Radetzkystraße weiter abgerissen.

Foto: Putschögl

Darüber, ob man Gründerzeithäuser abreißen darf oder ob es in Zeiten der Klimakrise nicht bessere Möglichkeiten der Nachverdichtung – Stichwort: Dachgeschoßausbauten – gäbe, lässt sich streiten: Die einen meinen, Wien ist Wien wegen seiner alten Häuser. Andere argumentieren, dass auch in der Gründerzeit schon Häuser abgerissen wurden.

Auch ein super Streitthema: die architektonische Qualität der Neubauten, für die die alten Häuser weichen mussten. Diplomatisch formuliert: Sie halten oft nicht, was die Visualisierungen versprechen. Besonders dann, wenn es sich um Vorsorgewohnungen handelt. Jene, die sie kaufen, wohnen hier nicht selbst, die Optik ist ihnen offenbar egal. Uninspirierte Architektur wird gern mit grünen oder gelben Balkonen übertüncht. Unlängst bin ich an einem Prachtexemplar vorbeigegangen, das mich mit knallroten, -gelben und -orangen Balkongeländern blendete. Und nicht nur damit.

Wohnen ohne Dach

Worüber man sich aber einig sein sollte: Mit dem Abbruch alter Häuser anzufangen, obwohl darin Menschen leben, geht nicht. Genau das hat der Besitzer des Hauses in der Radetzkystraße 24–26 in Wien-Landstraße 2018 gemacht. Die Mieterinnen und Mieter wohnten seitdem in einem Haus ohne richtiges Dach, der Fall beschäftigte die Gerichte und die Stadt.

Nun wurde eine Einigung erzielt, fast alle sind ausgezogen, der Abbruch geht weiter. Das Haus, dem die letzten vier Jahre mehr zugesetzt haben als die 160 Jahre davor, wird bald verschwunden sein und durch einen Neubau mit – bunten? – Balkonen ersetzt werden. Der Stadt waren im Umgang mit dem Eigentümer offenbar die Hände gebunden. Das Haus wurde letztlich zwar als schützenswert eingestuft, es konnte aber nicht geschützt werden. Was die schwarzen Schafe der Immobilienbranche daraus lernen: Frechheit siegt. (Franziska Zoidl, 11.2.2022)