Die Truckerproteste in Kanada sorgen nicht nur im eigenen Land, sondern mittlerweile auch beim Nachbarn für Unmut. Die USA forderten ein schärferes Vorgehen gegen jene, die Straßen blockieren, um gegen Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Das Weiße Haus teilte mit, dass der US-Minister für Innere Sicherheit, Alejandro Mayorkas, "seine kanadischen Amtskollegen anrief und sie aufforderte, von ihren Befugnissen Gebrauch zu machen, um die Situation an unserer gemeinsamen Grenze zu lösen". Washington habe dabei auch seine "volle und uneingeschränkte Hilfe" angeboten.

Konkret geht es um die Ambassador-Brücke zwischen der kanadischen Provinz Ontario und der US-Metropole Detroit. Diese ist eine wichtige Verkehrsader und wird täglich von mehr als 40.000 Berufspendlern und Touristen überquert, Lastwagen transportieren pro Tag Waren im Wert von 323 Millionen Dollar (282,37 Millionen Euro) darüber. Die Brücke wird von den Truckern ebenso blockiert wie der Grenzübergang zwischen der kanadischen Provinz Alberta und den USA.

Die Ambassador-Brücke ist blockiert.
Foto: AFP/Cole Burston

Wegen des blockierten Lieferverkehrs mussten einige Fabriken der Autohersteller Ford, Stellantis, General Motors und Toyota ihre Produktion drosseln beziehungsweise ganz herunterfahren.

Verstärkung angefordert

Zentrum der kanadischen Truckerproteste bleibt aber weiterhin die Hauptstadt Ottawa. Während die dortige Polizei erklärte, sie habe Verstärkung angefordert, mehr Verhaftungen durchgeführt und mehr Strafzettel verteilt, um die Lkw-Blockaden der Straßen aufzulösen, erklärte Premierminister Justin Trudeau, er arbeite mit den Behörden daran, die mittlerweile fast zwei Wochen andauernden Proteste zu beenden.

In der Zwischenzeit haben die Lkw-Proteste in zahlreichen anderen Ländern Nachahmer gefunden. In Neuseelands Hauptstadt Wellington blockieren Demonstranten mit ihren Trucks seit einigen Tagen mehrere Straßen nahe dem Parlament. Am Donnerstag kam es zu Zusammenstößen, als die Polizei ein Protestcamp geräumt hat. Dabei wurden 120 Personen festgenommen.

Blockierte Straßen vor dem Parlament in Wellington.
Foto: AFP/Marty Melville

In Australiens Hauptstadt Canberra hat Ende Jänner ebenfalls ein Lkw-Konvoi eine Demonstration vor dem Parlament angeführt. Laut Behörden nahmen rund 800 Menschen an den Protesten teil.

Strafen drohen

In Europa gab es unter anderem in Frankreich, Belgien und Österreich Pläne für ähnliche Proteste. Die Brüsseler Polizei teilte am Donnerstag mit, dass die Protestfahrt an den Stadtgrenzen gestoppt werde. Wer gegen das Zufahrtsverbot verstößt, riskiert nach Behördenangaben zwei Jahre Haft, eine Geldstrafe über 4.500 Euro und Führerscheinentzug. Geplant waren Proteste vor dem EU-Sitz.

Zuvor wollte der Konvoi in Paris halten. Dort erklärte die Präfektur, protestierenden LKW- sowie Autofahrern von Freitag bis Montag die Zufahrt zu verwehren, um die öffentliche Ordnung nicht zu gefährden. In Südfrankreich waren am Mittwoch die ersten Fahrer gestartet, in Laufe des Donnerstags folgten weitere aus verschiedenen Städten Frankreichs. Auf ihren Autos seien Aufkleber mit der Aufschrift "Konvoi der Freiheit" angebracht, meldete die Nachrichtenagentur AP.

Impfgegner und Gelbwesten in Frankreich

Jedenfalls strömten am Freitag Fernfahrer, Impfgegner und Gelbwesten aus allen Landesgegenden nach Paris, um die Hauptstadt am Wochenende so weit wie möglich zu blockieren. Die lokale Präfektur untersagte den Aufzug. Das hält die Protestierenden aber nicht ab. Polizeistellen rechneten mit 2000 Fahrzeugen, darunter schweren Sattelschleppern. Einer genügt, um eine Autobahnzufahrt zu sperren. Die Regierung bot dagegen 7000 Polizisten auf.

Die Regierung von Präsident Emmanuel Macron verfolgt die Entwicklung mit großer Sorge. Die Konvois richten sich in Frankreich auch gegen die steigenden Benzinpreise, die vor allem periphere und ländliche Gebiete treffen. Dort war vor gut drei Jahren die Protestbewegung der Gelbwesten ausgegangen. Sie stellte für Macron 2018 die größte Herausforderung seiner ersten Amtszeit dar. Im April will er sich zur Wiederwahl stellen – und wenn möglich nicht in einem Land voller Blockaden und Sozialproteste. Nicht ganz zufällig lockerte die Regierung am Freitag die Maskentragpflicht an öffentlichen Orten.

Bild nicht mehr verfügbar.

Demonstranten auf einer Straße in Lyon.
Foto: AP/Laurent Cipriani

In den Niederlanden zog bereits vergangenes Wochenende ein Lkw-Konvoi von rund 60 Fahrzeugen durchs Land. Protestiert wurde aber nicht nur gegen Corona-Maßnahmen, sondern auch gegen hohe Treibstoffpreise. Für Samstag wurde zu neuen Protestzügen aufgerufen. Für den gleichen Tag wurde in sozialen Medien eine ähnliche Protestaktion in Polen angekündigt.

Kritik von Lauterbach

In Deutschland kritisierte Gesundheitsminister Karl Lauterbach diese Proteste: "Die Konvoibewegung finde ich hochproblematisch. Aber ich bleibe dabei: Der Staat darf sich nicht erpressen lassen. Wir können nicht sagen: Wir überlassen ältere Menschen dem Risiko, weil wir Angst vor den Protestierenden haben."

In Berlin hat der deutsche Ableger des "Freedom Convoy" vergangenen Montag einen Protest organisiert, die Teilnehmerzahl war aber überschaubar.

In Österreich untersagte die Polizei ähnliche Proteste in Wien. Geplant war ein Autokonvoi mit rund 3.000 Fahrzeugen bei der Prater Hauptallee, der über den Praterstern, die Aspernbrücke, den Ring, den Franz-Josefs-Kai und die Praterstraße ziehen sollte. Für die Abendstunden war eine Abschlusskundgebung am Heldenplatz geplant. (red, Reuters, 11.2.2022)