Wie geht es euch nach zwei Jahren Pandemie, junge Leute in Lehrberufen?

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"Die Lehrlinge haben in den letzten beiden Jahren auch keine Erleichterungen erfahren bei ihren Abschlussprüfungen." So stimmig dieser Satz als – von der Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) vorgebrachtes – Argument für eine verpflichtende mündliche Matura auch in Zeiten der Pandemie erscheinen mag, so nachdenklich sollte er uns alle stimmen.

Nicht zwangsläufig wegen der "Tuats eich nichts aun"-Tonalität im Zusammenhang mit einem bedeutenden Meilenstein für die heuer rund 40.000 zur Matura antretenden Jugendlichen. Vielmehr wegen der damit "aufgedeckten" Tatsache: "Die Lehrlinge haben in den letzten beiden Jahren auch keine Erleichterung erfahren ..."

Das ist, leider, richtig. Den Lehrlingen hat man nämlich nicht nur nichts erleichtert, sie wurden in vielen Fällen schlicht vergessen. Nur wenn es darum ging, Erfolge bei den Berufsweltmeisterschaften zu feiern, dem Kampf gegen den Fachkräftemangel ein Gesicht zu geben oder ein heiteres – und vor allem werbewirksames – Beruferaten zu zelebrieren, wurde den Lehrlingen Gehör geschenkt.

Mentale Gesundheit

Wenn es aber um die psychische Gesundheit dieser jungen Menschen ging, deren Sorgen und Zukunftsängste – oder um die Frage, wie sie die Ausbildung in der Pandemie meistern –, dann gab es keine Mikros und Kameras. Die Aufmerksamkeit den Maturierenden gegenüber ist durchaus wichtig. Die Lehrlinge sind es auch.

Laut einer aktuellen Studie der Donau-Universität Krems leiden 62 Prozent der Mädchen und 38 Prozent der Buben zwischen 14 und 20 Jahren unter einer mittelgradigen depressiven Symptomatik. Viele von ihnen sind unter den rund 100.000 Lehrlingen zu finden. "Es passt bei der psychischen Gesundheit nicht. Viele sind am Ende und können nicht mehr", bringt es Jeremie Dikebo, AKS-Sprecher der Berufsschüler, in einem der wenigen Zeitungsartikel, die "den vergessenen Töchtern und Söhnen der Bildungspolitik" (O-Ton Dikebo) gewidmet sind, auf den Punkt.

Ungehörte Rufe

Diese Zitate sollten wachrütteln, empören, sofortige Maßnahmenpakete nach sich ziehen. Aber die Hilferufe bleiben bis dato ungehört. Vielleicht sind sie noch zu leise. Vielleicht scheitert es auch am breitenwirksamen Forum.

Dieses Nichtgehörtwerden tut weh. Noch mehr, wenn etwa für eine Impflotterie – als Belohnung für die Einhaltung einer gesetzlichen Verpflichtung – mir nichts, dir nichts eine Milliarde Euro lockergemacht würden, während akut notwendige Bereiche wie die (Berufs-)Schulpsychologie lediglich um 20 Prozent aufgestockt werden — befristet auf ein Jahr. Um die Zahlen in eine Relation zu bringen: Aktuell stehen in Österreich für rund 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler, deren Eltern und alle Lehrkräfte des Landes 181 Schulpsychologinnen und -psychologen zur Verfügung. In Wien, wo 25 Planstellen da sind, ist ein Schulpsychologe im Durchschnitt für die Betreuung von 10.000 Schülern, deren Eltern sowie 900 Lehrer zuständig. Dass hier ein Plus von 20 Prozent kein Gamechanger ist, muss nicht weiter ausgeführt werden.

Es sind die Fachkräfte

Der Vergleich zwischen der mittlerweile eher unwahrscheinlichen Impflotterie und der Schulpsychologie mag hinken. Und es gibt vermutlich keine einfache Antwort auf die Frage, wie man einer relativ inhomogenen Gruppe wie den Lehrlingen eine Plattform verschaffen kann und damit mehr Gehör für ihre individuellen Bedürfnisse.

Tatsache ist aber: Wenn wir weiterhin wegsehen und weghören, dann sollten wir uns auch nicht wundern, wenn immer weniger junge Menschen einen Lehrberuf wählen. Die "Fachkräfte von morgen" übrigens. Die Lehrlinge sind genauso ernst zu nehmen wie die Schüler. Sie sind genauso junge Menschen mit Wünschen, Bedürfnissen und Träumen. Und sie wollen, dass man ihnen zuhört und auf Augenhöhe begegnet. Dann ersparen wir uns vielleicht auch die Vorurteile und Diskussionen zum Image der Lehre. (Franz-Josef Lackinger, 16.2.2022)