Dem bulgarischen Premier Kiril Petkov fällt es schwer, Stellung zu beziehen.

Foto: EPA/ANDREJ CUKIC

Die neue bulgarische Regierung unter Premier Kiril Petkov tut sich angesichts der Ukraine-Krise ganz offensichtlich schwer, klare Worte zu finden. Die Loyalitätsbezeugungen Richtung des Nato-Bündnis-Partners erfolgen vergleichsweise um vieles zögerlicher als im Nachbarland Rumänien, das auch schon während der kommunistischen Zeit weniger unter dem Einfluss Russlands stand.

Verteidigungsminister Stefan Janev etwa meinte, dass Nato-Truppen, die wegen der russischen Bedrohung in Bulgarien stationiert werden könnten, unter "bulgarischem Kommando" stehen müssten. Damit will man in Sofia signalisieren, dass es Bulgarien nur darum geht, das eigene Territorium zu verteidigen, nicht aber um Solidarität unter den Bündnispartnern. Ganz ähnliche Worte kamen von Premier Petkov.

Weiche Position

Die Opposition übt heftige Kritik. Der Gerb-Politiker Daniel Mitov meinte gar, dass die Regierung sich so benehme, als sei Bulgarien Mitglied des Warschauer Paktes und nicht der Nato. Der bulgarische Sicherheitsanalytiker Bojko Nikolov analysiert, dass die "weiche" Position der bulgarischen Regierung vor allem damit zu tun habe, dass die Sozialisten, "die zu 80 Prozent hinter der Politik des Kremls stehen", Teil der neuen Viererkoalition in Sofia sind.

Nikolov verweist auch darauf, dass die Regierung keine Stellung dazu abgegeben habe, wer eigentlich für die Eskalation der Krise verantwortlich sei. Die Sozialistische Partei sei sogar dagegen, dass überhaupt zusätzliche Nato-Truppen nach Bulgarien kommen würden. Auch die Rolle des bulgarischen Präsidenten Rumen Radev, der den Sozialisten nahesteht, sei für die "mutlose" Haltung Bulgariens in der Ukraine-Frage maßgeblich, so der Analyst.

Spanien verlegt Kampfjets nach Bulgarien

Am Freitag wurde bekannt, dass das Nato-Mitglied Spanien vier Kampfflugzeuge nach Bulgarien verlegt hat. 130 Soldaten als Bodenpersonal seien laut spanischer Luftwaffe schon in den vergangenen Tagen auf der Luftwaffenbasis Graf Ignatiewo im Land eingetroffen. Das einstige Ostblockland Bulgarien gehört zwar seit Ende 2004 der Allianz an, aber ist noch immer mit Kampfjets MIG-29 sowjetischer Bauart ausgerüstet. Bis Ende 2024 soll Bulgarien acht US-Kampfjets des Typs F-16 erhalten.

Der Regierung ginge es allerdings vor allem darum, die bulgarischen Interessen zu vertreten, meint Analyst Radev. "Aber das wäre auch möglich, wenn man trotzdem eine klare Haltung zu den Bündnispartnern einnimmt", kritisiert Nikolov, der das Webportal BulgarianMilitary.com betreibt. "Es ist Zeit, dass Bulgarien ein neues Gesicht zeigt und wir Europa demonstrieren, dass wir ein stabiler Partner sind. Wenn wir das nicht tun, dann werden wir immer das pro-russische Land vom Balkan bleiben, dessen Leute nicht an die Europäer im Westen glauben", meint der 46-Jährige.

Energieabhängig von Russland

Schwierig sei, dass Bulgarien "zu 100 Prozent von der Energie aus Russland abhängig ist", aber man sei auch als Schwarzmeer-Anrainer in einer heiklen Situation. Von der bulgarischen Küste ist es nicht weit zur Krim, aber auch nicht weit nach Odessa. Gerade wegen dieser Nähe fürchten manche Bulgaren, dass sie den Zorn des Kremls auf sich ziehen könnten, wenn in Varna eine Nato-Basis errichtet werden würde.

"Viele Leute hier verstehen nicht, dass die Nato ein defensives, in erster Linie schützendes Militärbündnis ist. Sie glauben, dass die Nato für die Ukraine und gegen Russland eingreifen wird. Und sie denken, dass es dann zu einem großen Krieg zwischen der Nato und Russland kommen könnte", erklärt Nikolov.

Nur ein Teil der Geschichte

Jedenfalls sind viele Bulgaren angesichts der Spannungen besorgt. Die bulgarische Gesellschaft ist gespalten: Ein Teil empfindet Loyalität mit der Nato, ein anderer, auch aus historischen Gründen, mit Russland. Die Grundstimmung ist ähnlich wie in Serbien. "Viele Leute in Bulgarien kennen nur einen Teil der Geschichte. Sie haben gelernt, dass Russland Europa von den Nazis befreit hat. Aber sie kennen nicht den anderen Teil, etwa die Verbrechen im Stalinismus", erklärt Nikolov die Atmosphäre im Lande.

Grundsätzlich hätten aber viele Bulgaren auch große Solidarität mit den Ukrainern. Denn die Geschichte der Ukrainer und der Bulgaren sei ähnlich. Beide haben 45 Jahre lang unter "sowjetischer Aufsicht" gelebt. "Aber jetzt leben wir in einer freien Demokratie, ohne ein kommunistisches Regime und ohne dass uns Russland diktiert, was wir tun und wen wir hassen sollen", so Nikolov. Deshalb würden viele Bulgaren denken, dass die Ukrainer dasselbe verdient hätten. (Adelheid Wölfl, 11.2.2022)