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Kamila Walijewa

Foto: REUTERS/NOVOZHENINA

Seit Freitag ist es offiziell. Kamila Walijewa, die mit dem russischen Team in Peking Gold geholt hat und im Einzel als Mitfavoritin gilt, wurde am 25. Dezember des Vorjahrs bei den nationalen Meisterschaften positiv auf die verbotene Substanz Trimetazidin getestet. Das teilte die vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) beauftragte Internationale Testagentur ITA mit. Ob die 15-Jährige aus Kasan am Einzelbewerb teilnehmen darf, muss der Sportgerichtshof CAS in Lausanne bis Dienstag entscheiden. Fragen wirft der Umgang der russischen Anti-Doping-Agentur Rusada mit dem Fall auf.

Frage: Warum wurde der positive Dopingtest erst bei Olympia ein Thema?

Antwort: Walijewas Testergebnis wurde nicht an die große Glocke gehängt. Die Rusada suspendierte den Teenager, nahm diese Entscheidung aber einen Tag später wieder zurück. Russische Medien berichteten darüber erst während der Spiele, zunächst das Portal "insidethegames", dann auch die Kommersant und RBC aus eigenen Quellen.

Frage: Warum kann sich Walijewa Hoffnung auf einen Start im Einzel machen?

Antwort: Weil sie offiziell nicht suspendiert und der Dopingfall noch nicht abgeschlossen ist. Die Athletin hat noch Anspruch auf die Öffnung der B-Probe. Allerdings hat das IOC, der internationale Verband ISU und die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada Berufung gegen die Aufhebung ihrer Suspendierung durch die Rusada eingelegt.

Frage: Welchen Nutzen hätte die Substanz, die in der A-Probe festgestellt wurde?

Antwort: Trimetazidin ist ein Stoffwechsel-Modulator, der die Ausdauer und den Blutfluss steigern kann. Es wird als Herzmedikament und zur Prophylaxe von Angina pectoris verschrieben. Bei den Winterspielen 2018 in Pyeongchang wurde Trimetazidin bei der russischen Bobfahrerin Nadescha Sergejewa entdeckt, auch der chinesische Schwimmstar Sun Yang war 2014 mit dem Mittel erwischt und für drei Monate gesperrt worden.

Frage: Wie argumentiert die russische Seite vor der Verhandlung des Sportgerichtshofs?

Antwort: Das Russische Olympische Komitee (ROC) stellt einfach den positiven Test der nationalen Anti-Doping-Agentur infrage. "Die Verzögerungen bei der Analyse der Probe werfen ernsthafte Fragen auf", sagte ROC-Chef Stanislaw Posdnjakow der Nachrichtenagentur RIA Novosti: "Es scheint, dass jemand die Probe bis zum Ende des Mannschaftswettbewerbs zurückgehalten hat." Zwei spätere Tests, nach der EM im Jänner in Tallinn, bei der Walijewa Gold holte, und während der Winterspiele in Peking, seien negativ ausgefallen. Auch der Kreml stellte sich via Sprecher "auf ganzer Linie" hinter die Sportlerin – wie nicht anders zu erwarten. "Wir sagen Kamila: Versteck dein Gesicht nicht! Du bist Russin, nimm an den Wettkämpfen teil und gewinne", sagte Dmitri Peskow.

Frage: Ist es denkbar, dass Walijew aus eigenem Antrieb gedopt haben könnte?

Antwort: Schwerlich. Allerdings gab es um ihre Trainerin Eteri Tutberidse, die beim Moskauer Sportverein Sambo 70 engagiert und dort zusammen mit Sergei Dudakow und Daniil Gleichengaus für Sportlerinnen und Sportler verantwortlich ist, bisher keine einschlägigen Gerüchte. Kritik gibt es an Tutberidse, die vom internationalen Verband zur Trainerin des Jahres gekürt wurde, allerdings wegen der Jugend ihrer Spitzenläuferinnen, die sich mit unglaublicher Sprungtechnik im wahrsten Sinne des Wortes von der Konkurrenz abheben. Walijewa ist noch keine 16 Jahre alt, weshalb sie laut Wada-Code schutzbedürftig ist. Jede Offenlegung persönlicher Daten müsse demnach "in einem angemessenen Verhältnis zu den Tatsachen und Umständen des Falls stehen". Weshalb es eine gewisse Zeit dauerte, bis der wahre Grund der Verschiebung der Medaillenvergabe für den olympischen Teambewerb ruchbar wurde. Auf die Jugend Walijewa stellt auch die zweimalige Olympiasiegerin Katarina Witt in einem leicht schwülstigen Facebook-Eintrag ab. Wenn überhaupt, gehörten die verantwortlichen Erwachsenen für immer für den Sport gesperrt, schieb die Deutsche. "Das, was sie ihr vielleicht zugemutet haben, ist an Unmenschlichkeit nicht zu überbieten und lässt mein Sportlerherz weinen." Das junge Mädchen, "welches gerade die ganze Welt mit seiner Sportlichkeit und Anmut verzaubert", treffe "keine Schuld".

Frage: Welche Konsequenzen könnte ein bestätigter Fall für den russischen Sport haben?

Antwort: Das IOC hat sich stets gescheut, nach den Skandalspielen von Sotschi 2014 die volle Bandbreite möglicher Sanktionen gegen Russland einzusetzen. Die Wada wollte Russland für vier Jahre bei Großereignissen sperren, der Internationale Sportgerichtshof CAS reduzierte das Strafmaß auf zwei Jahre. Das Verbot, bei den Spielen den Landesnamen und die Flagge zu führen sowie die Hymne abspielen zu lassen, sollte eigentlich nach Peking fallen. Das scheint nun infrage gestellt zu sein. (Sigi Lützow, 11.2.2022)

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