Die Teilnehmer sollen Vorschläge für die Politik entwickeln, bindend sind diese nicht.

Foto: Robert Newald

Dass Klimapolitik für viel Aufruhr sorgt, ist meist dann der Fall, wenn Verbote oder Teuerungen diskutiert werden. Nicht so beim Klimarat der Bürgerinnen und Bürger. Die Besetzung des Gremiums hat eine breite Diskussion sowie eine Reihe von parlamentarischen Anfragen hervorgerufen. Erst vor wenigen Tagen kritisierte auch der Europarechtler Stefan Brocza in einem Gastkommentar im STANDARD, dass die finale Auswahl nicht repräsentativ für die Bevölkerung sei. Ist das so?

DER STANDARD hat bei der Statistik Austria nachgefragt, die vom Klimaschutzministerium mit der Auswahl der hundert Teilnehmer beauftragt wurde. Dort erklärt man den Prozess folgendermaßen: In einem ersten Schritt wurden 1003 Personen per Brief verständigt und gefragt, ob sie beim Klimarat mitmachen möchten. Für die Auswahl jener ersten Tranche wurde eine proportional geschichtete Zufallsstichprobe aus dem Melderegister gezogen. Infrage kamen Menschen zwischen 16 und 85 Jahren; ausgeschlossen wurden Fremde, die seit weniger als fünf Jahren in Österreich leben – bleibt ein Pool von rund sieben Millionen Menschen. Personen aus niedrigeren Bildungsschichten waren in der Auswahl überproportional vertreten. Der Grund: Bildungsfernere Gruppen würden oft weniger Bereitschaft zeigen, an Befragungen teilzunehmen, erklärt die Statistikbehörde.

1000 weitere Briefe

Nachdem die Rückmeldungen aus der ersten Tranche abgewartet waren, erhielten 1000 weitere Personen Post. Dabei wurde darauf geachtet, dass bei der zweiten Zufallsstichprobe die Ziehungswahrscheinlichkeit an die schon erreichte Ausschöpfung angepasst wurde. Das heißt: War eine Bevölkerungsgruppe bei den ersten Anmeldungen unterrepräsentiert, gingen nun mehr Einladungen an sie. Als Auswahlkriterien galten Alter, Geschlecht, Bildung, Region, Geburtsland, Urbanisierungsgrad und Haushaltseinkommen.

Beim ersten Klimarat-Treffen im Jänner kamen die Teilnehmer in Wien zusammen.
Foto: Robert Newald

In dem Fragebogen wurden soziodemografische Daten erfragt sowie die grundsätzliche Bereitschaft zur Teilnahme unter den aktuell gültigen Corona-Regeln. Beim Klimarat gilt 2G-Plus, Teilnehmer müssen also geimpft oder genesen und zusätzlich PCR-getestet sein. Darüber hinaus wurden die Ausgewählten gebeten anzugeben, inwieweit sie folgenden drei Aussagen zustimmen – oder nicht: "Wir müssen dringend alle unser Verhalten ändern, um den Klimawandel aufzuhalten – es geht um einen lebenswerten Lebensraum für künftige Generationen!"; "Falls es den Klimawandel überhaupt gibt, wird er die Generationen nach mir treffen. Mir ist das egal, ich bekomme das nicht mehr mit …" und "Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, die klimafreundliches und nachhaltiges Handeln einfach und kostengünstig machen."

Von 2003 auf 98

Von den 2003 kontaktierten Menschen haben 145 den Fragebogen vollständig ausgefüllt und ihre Bereitschaft zur Teilnahme erklärt. Diese hat die Statistik Austria wiederum so priorisiert, dass sie in der Verteilung die österreichische Gesellschaft möglichst gut repräsentieren. Sie wurden dann entweder als fixe Teilnehmer eingeplant oder für den Reservepool vorgesehen. 128 von ihnen meldeten sich mit einer Einverständniserklärung zurück. Nachträglich fielen 30 Personen aus. Bei der Statistik Austria erklärt man sich die hohe Zahl zum einen durch die Corona-bedingte Verschiebung der Termine. Neben privaten und beruflichen Gründen hätten aber auch die Corona-Teilnahmebedingungen eine Rolle gespielt. Übrig blieben 98 Teilnehmer.

Foto: Statistik Austria

Und repräsentieren die 98 Ausgewählten auch die sieben Millionen Österreicher? Ja, heißt es dazu vonseiten der Statistik Austria. Man liege relativ nahe an der tatsächlichen Verteilung innerhalb der Bevölkerung.

Von West nach Ost

Wer jene Menschen sind, hat das Statistikamt am Freitag in einem Methodenbericht preisgegeben: Von den ausgewählten Personen sind beispielsweise 29 zwischen 16 und 29 Jahre alt; vier sind älter als 75 Jahre. 26 haben einen Pflichtschulabschluss, 43 haben eine Lehre gemacht und 14 die Matura. Die übrigen haben einen Hochschulabschluss. Rund vier von zehn kommen aus den westlichen Bundesländern, 44 kommen aus Wien, Niederösterreich und dem Burgenland, die Übrigen aus Kärnten und der Steiermark. Der Anteil der Nicht-EU-Bürger fällt mit fünf Prozent etwas geringer aus als in der Bevölkerung.

Und ihre Einstellung zum Klimaschutz? 83 Prozent halten eine Verhaltensänderung im Sinne des Klimaschutzes für notwendig; 16 Prozent sehen das nur teilweise so; ein Prozent ist gar nicht dieser Meinung. Mit 81 Prozent hält es darüber hinaus die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer für notwendig, dass die Politik Rahmenbedingungen für klimafreundliches Handeln schafft.

Einen direkten Vergleich zu den Ansichten der Gesamtbevölkerung gibt es zu jenen Fragen nicht. Eine im Vorjahr veröffentlichte Eurobarometer-Umfrage gibt aber zumindest einen Eindruck: Laut dieser sehen 69 Prozent der Österreicher die Klimakrise als ein "sehr ernstes Problem", 19 Prozent halten sie für einigermaßen dringlich. Mehr als die Hälfte der Befragten gab damals an, Österreichs Regierung würde in Sachen Klimaschutz nicht ausreichend handeln.

Nur ein Angebot

Die Teilnehmenden des Klimarats werden während der sechs Wochenenden von einem wissenschaftlichen Beirat begleitet. Ein weiteres Team aus Wissenschaftern ist für die Evaluation des Projekts zuständig. Organisation und Moderation stemmen die Unternehmen Ögut, Pulswerk und Plansinn, die ein 15-köpfiges Moderationsteam zusammengestellt haben. Nach Angaben des Klimaschutzministeriums war das Konsortium das einzige, das innerhalb des rund siebenwöchigen Vergabeverfahrens in der europaweiten Ausschreibung ein Angebot eingereicht hat.

Das Gremium selbst tagt noch bis Juni. Die Gesamtkosten – von Organisation über Kost, Logis und Anreise bis hin zu Aufwandsentschädigungen – beziffert das Ministerium mit rund zwei Millionen Euro. (Nora Laufer, 12.2.2022)