Thomas Müller: "Immer weiter."

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Bochum – Wut und Fassungslosigkeit standen Julian Nagelsmann ins Gesicht geschrieben, seine Analyse fiel entsprechend unverblümt aus. Von "Grütze" sprach der Trainer von Bayern München nach dem zweiten unerklärlichen Blackout der Saison, ein "beschissenes Spiel" habe seine Mannschaft beim 2:4 (1:4) in Bochum abgeliefert.

Dem ist nicht zu widersprechen: Erstmals seit fast zwölf Jahren verlor der Branchenprimus wieder gegen einen Aufsteiger, erstmals seit 1975 kassierte der deutsche Rekordmeister in der Bundesliga vier Gegentore in den ersten 45 Minuten.

"Wir haben einen Plan gehabt, der nicht aufging", hielt Nagelsmann fest – und rechnete auch mit sich selbst ab. "Ich", betonte der 34-Jährige, "hätte früher reagieren und umstellen müssen."

Als er das schließlich tat und bei Wiederanpfiff Mittelfeldspieler Corentin Tolisso für den überforderten Abwehrchef Dayot Upamecano brachte, war es schon zu spät.

Alarm

Mittelfeldspieler Joshua Kimmich läutete die Alarmglocken. "Wir haben unsere schlechteste Saisonleistung gezeigt", schimpfte der Nationalspieler. "Wir müssen uns fragen, ob das die Mentalität ist, die der FC Bayern verkörpern will."

Von seiner Kritik nahm Kimmich den Trainer explizit aus und dafür die gesamte Mannschaft in die Pflicht, was wiederum Nagelsmann gefiel: "Wenn Josh sich so äußert, wird ein Funken Wahrheit dahinterstecken. Das sollte für alle eine Lehre sein."

Nur: Es ist ja nicht so, dass der FC Bayern am Samstag erstmals in dieser Saison auf unerklärliche Weise kollabierte. Ende Oktober im DFB-Pokal ging der Meister der letzten neun Jahre in Mönchengladbach 0:5 unter, die erste Titelchance war dahin. "Zum Glück ist heute nicht so viel passiert, weil wir ein paar Punkte Vorsprung haben", sagte Kimmich mit Blick auf die Bundesligatabelle.

Sprengkraft gegen Salzburg

Am Mittwoch aber haben die Bayern keine Knautschzone. Im Achtelfinalhinspiel der Champions League bei Red Bull Salzburg hätte eine neuerliche Vorstellung wie in Bochum so viel Sprengkraft, dass die gesamte Saison mit einem Mal infrage stünde. Was, wenn den stolzen Bayern und auch Nagelsmann in seiner ersten Saison womöglich wieder "nur" die Meisterschaft bliebe?

Einzig Weltfußballer Robert Lewandowski, dem beide Bayern-Tore gelangen (9./75.), erreichte aufseiten des hohen Favoriten Normalform. Der Rest der Mannschaft fand kaum ins Spiel – auch deshalb gelang keine Aufholjagd mehr wie 1976, als Beckenbauer, Müller, Hoeneß und Co an gleicher Stelle gar ein 0:4 in ein 6:5 verwandelten.

Doch diesmal gingen es die Bayern gegen einen wild entschlossenen Underdog zu lasch an – dem allerdings auch praktisch alles gelang, wie bei den Traumtoren von Cristian Gamboa (40.) und Gerrit Holtmann (44.) in den Winkel. Hinzu kamen der lehrbuchmäßige Konter vor dem 1:1 durch Christopher Antwi-Adjei (14.) und der verwandelte Handelfmeter von Jürgen Locadia (38.).

Die robusten Innenverteidiger Upamecano und der nach Dortmund abwandernde Niklas Süle hatten eklatante Geschwindigkeitsnachteile, sie wurden förmlich überrannt. Thomas Müller, diesmal weder auf dem Platz noch am Mikrofon ein Faktor, gab bei Instagram die Marschroute vor. "Immer weiter", kommentierte er das ernüchternde Ergebnis. (sid, red, 13.2.2022)