Karl Nehammer hat seinen Zugang zu Selbstinszenierung gefunden. Das Motto lautet: Er ist zwar Kanzler, klar, aber ein normaler Mensch, Ehemann und Vater geblieben. Der "Kronen Zeitung" gab er am Wochenende während der Rückreise aus dem Skiurlaub ein Interview live aus dem Familien-Van. Zwischendurch wird in der Boulevardzeitung seine Frau zitiert, die beim Zuhören im Auto offenbar hineingequatscht hat. Am Ende erklärt Nehammer, seine Kinder wollen jetzt Rast machen und ein Schnitzelsemmerl essen. Es ist so ziemlich das Gegenteil dessen, wie sich Sebastian Kurz in Szene setzen ließ: aalglatt und perfekt.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) müssen nun das Geld der gescheiterten Impflotterie umschichten.
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So entspannt, wie Nehammer sich derzeit gibt, ist man in seiner Partei allerdings nicht. Seit Tagen tun schwarze Landeshauptleute ihren Unmut über die Impfpflicht kund, laufend werden neue ÖVP-Chats veröffentlicht; und wie ein Lauffeuer verbreitet sich das Gerücht, es könnten demnächst Neuwahlen vom Zaun gebrochen werden – auch wenn es durchaus fraglich ist, ob das wirklich passiert.

Bonus statt Lotterie

Die Regierung strauchelt jedenfalls. Gerade wurde das angekündigte Projekt Impflotterie begraben – der für die Abwicklung vorgesehene ORF konnte und wollte das politische Vorhaben, das gemeinsam mit der SPÖ präsentiert worden war, nicht umsetzen. Jenes Geld, das dafür bereits veranschlagt wurde, möchte Nehammer nun Menschen zukommen lassen, die in der Pandemie viel leisten: Er denke da an das Gesundheits- und Pflegepersonal, aber auch Soldatinnen, Soldaten und die Polizei. Der Kanzler führe diesbezüglich schon Gespräche mit dem Koalitionspartner, hielt er fest.

Die Grünen können dem Vorschlag eines Corona-Bonus für gewisse Berufsgruppen auch durchaus etwas abgewinnen: "Man muss das zur Verfügung stehende Geld jetzt sinnvoll einsetzen", heißt es aus dem Büro von Vizekanzler Werner Kogler auf Nachfrage des STANDARD. "Uns ist besonders wichtig, dass Menschen im Bereich der Pflege berücksichtigt werden." Für die Impflotterie sollte ursprünglich "bis zu eine Milliarde Euro" ausgeschüttet werden. Details für einen Bonus stehen allerdings noch nicht fest.

Der SPÖ dürfte das nicht goutieren: Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sprach sich in der ORF-Sendung "Im Zentrum" Sonntagabend dagegen aus, die für die Impflotterie gedachte Milliarde Euro an bestimmte Gruppen zu verteilen. Er ist dafür, dass man dieses Geld trotz abgesagter Lotterie dafür einsetzt, Impfanreize zu setzen. Es sei schließlich die ursprüngliche Idee gewesen, die Impfquote zu heben.

Stichelei um die Impfpflicht

Uneinigkeit herrscht in der Koalition hingegen weiterhin beim Thema Impfpflicht. Nehammer rückte am Wochenende nun auch selbst von der staatlich kontrollierten Verpflichtung ab. Sollten sich die von der Regierung beauftragten Experten dafür aussprechen, das Gesetz auszusetzen, werde man das machen, erklärte der Kanzler. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) formulierte es in der ORF-"Pressestunde" am Sonntag ähnlich: Es sei zwar wichtig, die Impfpflicht als Instrument in der Hand zu haben, aber "man muss nicht stur sein". Wenn sich das Virus ändere, müssten die Entscheidungen der Regierung flexibel sein.

Schramböck sprach sich auch für ein Ende der Gratistests aus. Es gebe eine Gratisimpfung für alle, und "man wird der Mehrheit auf Dauer nicht erklären können, warum sie die Tests für die Minderheit zahlen soll".

Zuvor hatten schon zahlreiche Landeshauptleute ein Überdenken der Impfpflicht eingemahnt. Wobei man dazusagen muss: Es waren die Landeshauptleute selbst, die sie einst ins Spiel gebracht hatten. Der Oberösterreicher Thomas Stelzer (ÖVP) bezeichnet die Impfpflicht nun als "sinnvoll", stellt aber die Notwendigkeit der dritten Stufe mit automatischen Strafen infrage. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sprach sich zuletzt ebenfalls dafür aus, die "Verhältnismäßigkeit zu prüfen". Für eine Evaluierung plädierten auch Wilfried Haslauer (Salzburg, ÖVP), Günther Platter (Tirol, ÖVP) und Johanna Mikl-Leitner (Niederösterreich, ÖVP). Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) stieg hingegen ein wenig auf die Bremse: Er wäre "ein bisschen vorsichtiger".

Kontrollmechanismus

Auch der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) meinte, es sei gut, dass die Impfpflicht komme – wenngleich sie zu spät komme. Die Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer sprach sich in einem Kommentar in der "Kleinen Zeitung" für die Beibehaltung der Impfpflicht in der jetzigen Form aus. Sie verwies darauf, dass im Gesetz ohnehin ein Kontrollmechanismus verankert sei: Dieser sehe vor, dass ihre Verhältnismäßigkeit laufend evaluiert werde.

Bei den Corona-Ansteckungen zeichnete sich eine leichte Entspannung ab, allerdings auf hohem Niveau: 25.951 Neuinfektionen wurden am Sonntag gemeldet. Die Zahl der Covid-Erkrankten in den Spitälern nahm zuletzt wieder zu: 2081 Personen befanden sich am Sonntag in krankenhäuslicher Behandlung. (Anna Giulia Fink, Katharina Mittelstaedt, 13.2.2022)