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Ungarns Premier poltert.

Foto: AP Photo/Anna Szilagyi

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat in einer Rede erstmals die Möglichkeit eines EU-Austritts seines Landes angedeutet. Setze die EU ihren "Rechtsstaats-Jihad" gegen Ungarn fort, werde es künftig nicht möglich sein, einen gemeinsamen Weg zu gehen, sagte der Rechtspopulist am Samstag vor handverlesenem Publikum in Budapest.

Am Mittwoch wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg darüber befinden, ob der von der EU im Dezember 2020 beschlossene Rechtsstaatsmechanismus mit dem EU-Recht vereinbar ist.

Der Mechanismus sieht vor, dass jenen Mitgliedsstaaten, die gegen die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verstoßen, die EU-Förderungen gekürzt werden können. Ungarn und Polen – zwei notorische Rechtsstaatssünder – hatten gegen den Beschluss geklagt. Die EU-Kommission will den neuen Mechanismus erst nach einem EuGH-Urteil anwenden, das die Vereinbarkeit mit dem EU-Recht bestätigt. Ein solches wird nun erwartet.

Großes Risiko

Es könnte Orbán empfindlich treffen. Die Ausstaffierung seiner Oligarchen und diverse Wahlgeschenke für die Bevölkerung sind nur dank großzügiger EU-Förderungen möglich. Die Aussicht auf deren Verlust verleitete ihn zu einer Attacke gegen "Brüssel": Dieses führe "einen heiligen Krieg, einen Rechtsstaats-Jihad" gegen sein Land. Der Rechtsstaat sei "ein Mittel, mit dessen Hilfe sie uns zu etwas kneten wollen, was ihnen ähnelt".

Ungarn, das Orbáns Verfassung aus dem Jahr 2012 als völkisch-klerikalen Staat von Gnaden der mittelalterlichen Stephanskrone definiert, wolle aber "nicht so werden wie sie". Umgekehrt verlangt Orbán aber auch nicht, dass der Westen so wird wie Ungarn.

Orbáns "Toleranzangebote"

"Deshalb haben wir schon des Öfteren Brüssel und auch Berlin Toleranzangebote unterbreitet", weihte er seine Zuhörerschaft in einen bisher nicht bekannten Schachzug seiner Diplomatie ein. Und wenn dem Ungarn Orbáns keine "Toleranz" in Hinblick auf die Rechtsstaatsverstöße zuteilwird? Dann trennen sich offenbar die Wege.

Bisher hat sich Orbán mit Huxit-Drohungen zurückgehalten. Der Tag seiner Rede fiel mit dem offiziellen Start des Wahlkampfs für die Parlamentswahl am 3. April zusammen. Erstmals fordert ihn ein geeintes Oppositionsbündnis heraus, das linke, rechte und grüne Parteien einschließt. Seine Wiederwahl gilt deshalb nicht als gesichert. (Gregor Mayer aus Budapest, 13.2.2022)