Europas Börsen sind tiefrot in die neue Woche gegangen. Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine belastet die Märkte.

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Wien – Die diplomatischen Bemühungen zur Deeskalation im schwelenden Russland-Ukraine-Konflikt laufen auf Hochtouren. Die Gefahr eines Angriffs ist aber noch nicht gebannt. Diese Kriegsangst zeigt sich nun auch an den Börsen. Aus Furcht vor einem Einmarsch Russlands in die Ukraine – den die USA für Mittwoch für denkbar halten – flohen Anleger zu Wochenbeginn in Scharen aus den europäischen Märkten. Die Folge waren drastische Kursverluste von minus zwei bis minus vier Prozent.

In Wien litten die Papiere der Raiffeisen Bank International (RBI) stark. Die RBI ist in der Ukraine und in Russland vertreten, allerdings sind die Institute eher klein. Aktien der Erste Group und der Bawag verloren ebenfalls an Wert. Auch an anderen Börsenplätzen fanden sich Banken unter den größten Verlierern.

"Gerade als der Coronavirus-Sturm abzuebben scheint, zehrt mit der wachsenden Erwartung einer russischen Invasion in der Ukraine eine neue Angst an den Nerven der Anleger", sagt Analystin Susannah Streeter vom Brokerhaus Hargreaves Landsdown. Es sei nur schwer abzuschätzen, ob die Märkte bei diesem Thema überreagierten, erklärte Portfoliomanager Matt Siddle vom Vermögensverwalter Fidelity.

Prinzipiell heißt es ja, dass an der Börse die künftige Erwartung gehandelt wird. In Finanzkreisen sagt man aber geflissentlich, dass politische Börsen kurze Beine haben.

Ein Sorgenpaket

Nervös machte Investoren aber auch der erneute Anstieg der Energiepreise, der den wirtschaftlichen Aufschwung gefährden könnte. So stieg der europäische Erdgas-Terminkontrakt um bis zu 13 Prozent auf 84,20 Euro je Megawattstunde. Gerade Russland ist ein wichtiger Lieferant dieses Energieträgers. Spekulationen auf Lieferausfälle trieben zu Marktstart auch den Ölpreis in die Höhe, der sich im Tagesverlauf aber wieder auf das Vortagesniveau einpendelte. Die Sorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich zuletzt auf bis zu 96,16 Dollar je Barrel (159 Liter) – das war so viel wie zuletzt vor siebeneinhalb Jahren. Wegen einsetzender Gewinnmitnahmen kostete sie nun rund 94 Dollar.

"Wenn es Truppenbewegungen gibt, wird der Brent-Preis problemlos über die Marke von 100 Dollar springen", prognostizierte Analyst Edward Moya vom Brokerhaus Oanda. Öl der US-Sorte WTI verbilligte sich zuletzt auf rund 91 US-Dollar je Barrel.

Weizen verteuerte sich ebenfalls. An der Börse Euronext stieg der Preis für eine Tonne zeitweise um knapp zwei Prozent auf rund 274 Euro. "Russland und die Ukraine gehören zu den drei wichtigsten Weizenexporteuren", sagt Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch. "Zusammen stellten sie mehr als ein Viertel des weltweiten Exportangebots", fügt Fritsch an.

Suche nach Sicherheit

Im Gegenzug deckten sich Investoren mit als sicher geltenden Bundesanleihen ein. Dies drückte die Rendite der zehnjährigen deutschen Bundestitel auf 0,231 Prozent. Auch österreichische Staatsanleihen stiegen im Kurs, wodurch die Rendite sank. Die Weltleitwährung war als sicherer Hafen ebenfalls gefragt, woraufhin der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, 0,4 Prozent zulegte.

Auch Gold blieb am Montag als Krisenwährung gefragt. Eine Feinunze (31,10 Gramm) kostete 1856,98 Dollar. Damit stabilisierte sich der Preis für das Edelmetall, das bereits am Freitag deutlich zugelegt hatte. Hintergrund des Preissprungs vor dem Wochenende war die Warnung von US-Geheimdiensten, dass eine russische Invasion in der Ukraine unmittelbar bevorstehe.

Belastet werden die Börsen aber auch von der hohen Inflation. Seitdem vergangenen Donnerstag in den USA mit einem Preisanstieg von 7,5 Prozent für Jänner die höchste Inflationsrate seit gut 40 Jahren veröffentlicht wurde, spekulieren Marktteilnehmer umso fieberhafter über anstehende Zinsschritte, da diese womöglich rascher und umfangreicher erfolgen könnten, als bisher erwartet wurde. Bleiben die Energiepreise wegen des Russland-Ukraine-Konflikts hoch, nährt das sowohl die Inflationssorgen als auch die Zinsängste.

An den US-Börsen kam es bereits vor dem Wochenende zu Korrekturen. In die neue Handelswoche startete die Wall Street nahezu unverändert. (Bettina Pfluger, 14.2.2022)