Věra Jourová, Vizepräsidentin der EU-Kommission und Kommissarin für Werte und Transparenz, bereitet ein Anti-SlAPP-Gesetz vor.

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Was vor vielen Jahren in den USA begann, ist seit ein paar Jahren auch in Europa zu beobachten: Einschüchterungsklagen oder Klagsdrohungen gegen Medien – und immer öfter auch gezielt gegen einzelne Journalistinnen und Journalisten. Der Streitwert ist enorm, die Ziele scheinen klar: Kritische Stimmen sollen mundtot gemacht werden und journalistische Ressourcen verlorengehen, weil sie in die Abwehr der Klage fließen. Der Name dafür lautet SLAPP und steht für Strategic Lawsuits against Public Participation. Betroffen sind aber keineswegs nur Medien, sondern etwa auch Proteste, gesellschaftliches Engagement oder Whistleblowing.

Auf europäischer Ebene formiert sich bereits seit einigen Jahren Widerstand dagegen. Das Problem beschäftigt mittlerweile auch die EU-Kommission und soll in einem gesetzlichen Rahmen zum Schutz von Medienvertretern und der Zivilgesellschaft münden.

Kostenlose Hilfe in Österreich

In Österreich hat sich der Presseclub Concordia des Themas angenommen und bietet Journalistinnen und Journalisten mit dem "Rechtsdienst Journalismus" kostenlose Unterstützung in Form von Schulungen, Rechtsauskünften und Prozesshilfen, die über einen Fonds finanziert werden. "Im letzten Jahr gab es in Österreich einen signifikanten Anstieg an Fällen", berichtet Jurist Walter Strobl, der das Programm bei der Concordia leitet. Strobl ortet – abgesehen von der individuellen Ebene – ein strukturelles Problem für den Journalismus insgesamt, da solche Klagen oder Klagsdrohungen viele Ressourcen binden würden. Es gehe den Klägern nicht darum, zu gewinnen, sondern darum, Leute zu disziplinieren. "Wir müssen ein Bewusstsein dafür schaffen", sagte Strobl am Montag bei einem Pressegespräch des Presseclubs Concordia.

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Bewusstsein dafür schaffen

Mit SLAPPs kennt sich auch Flutura Kusari bestens aus. Die Juristin leitet seit 2015 das Legal Support Programme des European Centre for Press and Media Freedom (ECPMF), das auf europäischer Ebene Hilfestellung für Journalistinnen und Journalisten bei SLAPP-Angriffen bietet und ein Zusammenschluss dutzender Organisationen ist. Die Unterstützungen sind rechtlicher und monetärere Natur. Ein wichtiges Anliegen ist für Kusari, das Thema medial so breit wir möglich zu positionieren und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, denn: Für viele sei es immer noch ein Stigma, Hilfe zu suchen. "Wir müssen Journalisten überzeugen, dass sie darüber sprechen", so Kusari, um das Thema in der Öffentlichkeit zu verankern. Sehr oft seien freie Journalistinnen und Journalisten betroffen, die sich noch schwerer wehren können als Medienunternehmen.

An den Pranger stellen

Kusari rät dazu, auch jedes Mal den Anwalt oder die Anwältin sowie die Anwaltskanzlei zu nennen, wenn es um SLAPPs gehe, oder gleich das Anwaltsschreiben zu veröffentlichen. "Sie nehmen dann manchmal davon Abstand, solche Fälle zu übernehmen, oder ziehen ihre Drohungen zurück." Der mediale Pranger wirke. Der Druck auf Politiker und Politikerinnen und Institutionen, die klagen, müsse auch aus der Zivilgesellschaft kommen. Weitverbreitet seien SLAPPs etwa in Ländern wie Polen, Kroatien, Slowenien, Serbien, Malta oder Italien.

OMV gegen "Dossier"

SLAPPs sind aber längst auch in Österreich angekommen. Etwa als der Ölkonzern OMV im Frühjahr 2021 die Rechercheplattform "Dossier" auf 130.000 Euro Schadenersatz klagte. Nach einer Welle der Empörung zog das Unternehmen die Klage schließlich zurück. Was blieb, sind Kosten für die Rechtsvertretung, die "Dossier" übernehmen musste. Im schlimmsten Fall könne dies zur Selbstzensur führen, zu einer Schere im Kopf, sagte "Dossier"-Journalist Ashwien Sankholkar kürzlich im Ö1-Medienmagazin "Doublecheck". Er veröffentlichte die OMV-Recherchen.

"Die Klage der OMV gegen 'Dossier', das war der Anfang. Ich glaube, dass mehr und mehr Unternehmen, die nicht an Aufklärung interessiert sind, für die die Transparenz irgendwie ein Gift ist, diesen Weg wählen", so Sankholkar bei "Doublecheck". Mit einer Welle an Klagen ist auch das Medium "Zackzack" konfrontiert. Zwei davon kommen von René Benkos Firma Signa und betreffen sowohl "Zackzack" als auch Chefredakteur Thomas Walach persönlich. Laut Berechnungen von "Zackzack" geht es jeweils um rund eine Million Euro, die Signa verlangt. Wenn das überhandnehme, werden "kritische Berichte über Leute, die sich Klagen leisten können, ganz sicher ganz schnell sehr wenig werden", so "Zackzack"-Chefredakteur Walach.

Anti-SLAPP-Gesetz soll kommen

Wann es einen gesetzlichen Riegel gegen SLAPPs gibt, steht noch nicht fest. Das Anliegen beschäftigt derzeit aber bereits die EU-Kommission. Für 23. März hat sie die Vorlage einer Anti-SLAPP-Initiative angekündigt. Erst Anfang Februar haben Nichtregierungsorganisationen mit einer von 213.433 Menschen unterstützten Petition von der Europäischen Union ein Vorgehen gegen SLAPP-Einschüchterungsklagen gefordert – DER STANDARD berichtete darüber. (omark, 14.2.2022)