Der BVT-U-Ausschuss soll mit Informationen abtrünniger Verfassungsschützer gefüttert worden sein.

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Die Chats aus dem Smartphone von Michael Kloibmüller, lange Jahre Kabinettschef und zentrale Schaltstelle im Innenministerium, halten die Republik in Atem. Sie zeigen ein System von Postenkorruption und parteipolitischen Interventionen im Innenressort, das auch den U-Ausschuss beschäftigen wird. Doch publik wurden die Chats nicht durch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, sondern durch einen Diebstahl – und der war offenbar nur einer von mehreren Coups, mit denen eine Clique von früheren Verfassungsschützern für Aufruhr gesorgt hat. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt umfassend, wie Berichte der "Presse" am Wochenende gezeigt haben.

Frage: Worum geht es in der Causa?

Antwort: Die Staatsanwaltschaft Wien vermutet, dass der frühere Verfassungsschützer Egisto Ott im großen Stil Interna nach außen getragen oder sogar verkauft haben soll. Ott war jahrzehntelang bei der Polizei gewesen, etwa als Attaché im Ausland oder im Referat für verdeckte Ermittler im Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT). Mit Vorgesetzten gab es regelmäßig Friktionen, Ott fühlte sich offenbar benachteiligt. Laut Akten verbündete er sich mit Kolleginnen und Kollegen, die ähnlich schlecht auf die ÖVP-nahe Führung des Verfassungsschutzes und Mitarbeiter im Innenministerium zu sprechen waren. Rund um die Übernahme des Ressorts durch Herbert Kickl (FPÖ) im Dezember 2017 intensivierten sich deren Aktionen.

Frage: Was wird der Gruppe rund um Ott vorgeworfen?

Antwort: Die Clique rund um Ott spielte eine entscheidende Rolle in der BVT-Affäre. Drei der vier Zeugen, deren Aussagen im Februar 2018 die berüchtigte Razzia im Verfassungsschutz mitauslösten, waren eng mit Ott verbunden. Im Hintergrund mischte dieser auch mit. Er versuchte etwa, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) mit weiteren Belastungszeugen zu versorgen. Die WKStA wurde und wird in der Causa deutlich kritisiert, weil sie sich von der damals blauen Spitze des Innenministeriums instrumentalisieren ließ. Von den zahlreichen Vorwürfen, die damals gegen andere Verfassungsschützer erhoben wurden, ist mittlerweile fast nichts mehr übrig. Laut Chats, aus denen die "Presse" zitiert, wurden den Belastungszeugen und Ott von der FPÖ nach einer BVT-Reform hohe Posten versprochen – doch dann platzte die Regierung wegen des Ibiza-Videos.

Frage: Wie ging es danach weiter – und wie kommt Wirecard ins Spiel?

Antwort: Die Gruppe um Ott soll rund um die Ermittlungen zum Ibiza-Video Stimmung gegen die verantwortliche Soko Tape gemacht haben – etwa mittels anonymer Zusendungen an die WKStA, in denen von der ÖVP-Nähe mancher Polizisten die Rede war. Ins Visier der Ermittler gerieten die ehemaligen Beamten nach dem Zusammenbruch des Zahlungsdienstleisters Wirecard im Juni 2020. Ein ehemaliger BVT-Abteilungsleiter, Martin W., arbeitete für den damaligen Wirecard-Vorstand Jan Marsalek. Er belastete Ott in einer Einvernahme schwer und behauptete, über diesen Datenbankabfragen im Auftrag Marsaleks durchgeführt zu haben. Außerdem war W. in die Flucht des mutmaßlichen Wirecard-Betrügers involviert. Es folgten Hausdurchsuchungen und vorübergehende Festnahmen; Stück für Stück offenbarte sich so die Dimension der Affäre. So soll das geheime Dokument mit der Formel des Nervengifts Nowitschok ebenfalls über diese Netzwerke zu Marsalek gelangt sein.

Frage: Welche Verbindungen gibt es zur Politik?

Antwort: Die Ermittlungen zeigen, dass Ott mit mehreren Oppositionspolitikern in Kontakt war: zunächst vor allem mit Hans-Jörg Jenewein, einst Fraktionsführer der FPÖ im BVT-U-Ausschuss. Die beiden sollen sich während Befragungen dort abgesprochen, Ott Infos aus dem BVT an Jenewein weitergegeben haben. Deshalb fand bereits eine Hausdurchsuchung bei dem FPÖ-Politiker statt. Laut "Presse" existieren auch Chats, die Geldflüsse von der FPÖ an Ott nahelegen. Jenewein schrieb dazu auf Twitter: "Wer so einen Vorwurf insinuiert, wird geklagt!" Kontakte gab es auch zum Neos-Abgeordneten Helmut Brandstätter, der Ott gefragt haben soll, ob er zu seinen Infos eine parlamentarische Anfrage einbringen sollte. Auch mit Peter Pilz war Ott in regem Austausch. Alle Genannten bestreiten strafbare Vorgänge, Pilz sprach von "wilden Behauptungen".

Frage: Was haben die "BMI-Chats" damit zu tun?

Antwort: Die Chats aus dem Innenministerium dürften über die Gruppe rund um Ott an die Öffentlichkeit gelangt sein. Bei einem Ausflug im Sommer 2017 brachte Katharina Nehammer ein Kanu zum Kentern, in dem sich auch Kabinettschef Michael Kloibmüller befunden hatte. Die heutige Ehefrau des Bundeskanzlers war damals Pressereferentin von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP). Ein Kabinettskollege brachte Kloibmüllers Handy ins BVT, um es reparieren zu lassen – es geriet dort an einen Verbündeten von Ott. Dieser Verbündete, ein IT-Techniker, soll die Smartphone-Inhalte illegal abgesaugt und weitergegeben haben – es gilt die Unschuldsvermutung. (Fabian Schmid, 14.2.2022)