Am internationalen Holocaust-Gedenktag fanden in der Gedenkstätte Mauthausen und auch bei den Shoah-Namensmauern in Wien Gedenkfeiern in Anwesenheit der Staatsspitze und der Vertreter der jüdischen Gemeinde und der Roma statt. In den Medien wurden die kurze Ansprache des israelischen Außenministers Yair Lapid zur Erinnerung an seinen in einem Außenlager Mauthausens ermordeten ungarischen Großvater Béla Lampel und die persönliche Entschuldigung von Bundeskanz

ler Karl Nehammer im Namen der Republik Österreich bei ihm hervorgehoben. Auch diese Reden bewiesen, dass sich nach den Jahrzehnten der Verdrängung und des Verschweigens das offizielle Österreich heute uneingeschränkt zur Arbeit an der unabweisbaren Erinnerung und zum Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus bekennt.

Stephan Tauschitz hat 2008 und 2010 an dem üblen Ulrichsbergtreffen zusammen mit ehemaligen SS-Leuten, Rechtsextremisten und Neonazis teilgenommen.
Foto: APA/LANDESPOLIZEIDIREKTION KÄRNTEN

Auch ich war als Überlebender der Shoah sehr bewegt, doch ich habe offensichtlich die eindringliche Warnung des kürzlich verstorbenen großen Schriftstellers Gerhard Roth über das "doppelköpfige Österreich" vergessen. Nur vier Tage nach dem Holocaust-Gedenktag wurde in Kärnten ein Mann zum obersten Verfassungsschützer ernannt, der 2008 und 2010 an dem üblen Ulrichsbergtreffen zusammen mit ehemaligen SS-Leuten, Rechtsextremisten und Neonazis teilgenommen und in seiner Rede dazu aufgerufen hatte, "nicht über die Toten zu richten", das müsse man Gott überlassen ... Als damaliger ÖVP-Klubobmann im Kärntner Landtag hatte er bereits den Rat der Kärntner Slowenen als "destruktive Kraft" bezeichnet und für die Ortstafellösung sogar den damaligen FPÖ-Landeshauptmann kritisiert. Dass eine solche Figur überhaupt zum Leiter des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ernannt wurde, war schon ein Skandal.

Antisemitisch kritisierte Aussagen

Nach dem Proteststurm ist der Mann von Landespolizeidirektorin Michaela Kohlweiß, anscheinend nach Druck aus Wien, "bis auf weiteres" von seiner Funktion entbunden worden. Innenminister Gerhard Karner, der sich selbst für frühere, als antisemitisch kritisierte Aussagen mehrmals entschuldigt hat, verwies in einem Gespräch mit IKG-Präsident Oskar Deutsch unter anderem auf "laufende Maßnahmen wie die Antisemitismusschulungen in der Polizei und die vorurteilsfreie Anzeigenerfassung". Er hat den "klaren Schritt" der Polizeidirektorin begrüßt, damit sei "der Kampf gegen jedwede Form des Antisemitismus, Rechtsextremismus und jede Form des Extremismus" sichergestellt.

Wenn man in der ZiB am Montag vor einer Woche der Landespolizeidirektorin Kohlweiß zugehört hat, wie sie kühl einen Persilschein für "Kompetenz und Charakter" dieses Teilnehmers an zwei Festen der Neonazis und Rechtsradikalen ausgestellt und seine Reden bei der Huldigung der Waffen-SS als "Grußworte" bagatellisiert hat, dann scheint eine "Antisemitismusschulung" für die Direktorin, vielleicht sogar eine Reise zur Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem, höchst empfehlenswert zu sein.

Eine solche gleichgültige und verharmlosende Haltung einer Spitzenbeamtin könnte nicht nur bei Außenminister Lapid, dessen Großvater von solchen, beim Ulrichsbergtreffen gefeierten Waffen-SS-Soldaten abgeführt wurde, Zweifel an der Glaubwürdigkeit seiner Gastgeber in Mauthausen wecken. (Paul Lendvai, 14.2.2022)