Lahore in Pakistan (hier der Fluss Ravi am Stadtrand von Lahore) führt die Liste der Regionen mit den meisten verunreinigten Gewässern der Welt an.
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Die Rückstände von Methamphetaminen im Wasser machen auch Fische süchtig. Psychopharmaka können bewirken, dass die Tiere ihr Verhalten ändern und anfälliger für Fressfeinde werden. Ganze Populationen können kollabieren, wenn Hormone die Fortpflanzung beeinträchtigen. Ganz abgesehen davon, dass sich durch Medikamente im Wasser Antibiotikaresistenzen ausbreiten können.

Dass pharmazeutische Stoffe in Gewässern schädlich für Ökosysteme und letztlich für den Menschen sind, ist gut erforscht. Weniger klar ist, inwieweit die Gewässer mit aktiven Wirkstoffen belastet sind. Jene Studien, die es gibt, sind aufgrund unterschiedlichster Analysemethoden kaum vergleichbar.

Um ein globales Bild über die Verschmutzung durch Pharmazeutika zu bekommen, hat nun ein von der Universität York geleitetes Team aus 127 Forschenden weltweit einheitlich erhobene Daten über 61 Wirkstoffe zusammengetragen – die bisher größte Studie dieser Art.

Insgesamt wurden 258 Flüsse mit einem Einfluss auf rund 471 Millionen Menschen untersucht, von Amazonas und Mississippi über Themse und Donau bis hin zu Mekong und Ganges. Die Proben wurden an 1052 Standorten in 104 Ländern genommen, darunter 36 Länder, in denen es nie zuvor ein derartiges Monitoring gab.

Koffein und Antidepressiva

Die Analyse, die im Fachblatt PNAS veröffentlicht wurde, ist beunruhigend: Pharmazeutische Rückstände finden sich in Gewässern rund um den Globus, bei mehr als einem Viertel der Standorte wurden potenziell toxische Konzentrationen gemessen. Am häufigsten detektiert wurden das Antiepileptikum Carbamazepin, Metformin, das zur Behandlung von Diabetes eingesetzt wird, und Koffein.

Weltweit gefunden wurde außerdem Nikotin, Paracetamol und eine Reihe von Antidepressiva und Antihistaminen – Stoffe, die auch in den Lebensstil Einblick geben. Betablocker gegen Bluthochdruck, die Antibiotika Sulfamethoxazol und Ciprofloxacin sowie ein Antiallergikum wurden in so hohen Konzentrationen gefunden, dass sie schädlich sein können.

Die Ergebnisse zeigten auch, dass die Verschmutzung mit den sozioökonomischen Bedingungen korreliert. In den am stärksten betroffenen Regionen – das südliche Afrika, Südamerika und Teile Südasiens – gibt es keine funktionierende Abfall- und Abwasserinfrastruktur, Rückstände der Pharmaindustrie gelangen ungefiltert in die Flüsse.

In Ländern mit hohen Einkommen wurden außerdem mehr Diabetesmittel und Antidepressiva entdeckt, in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen mehr Schmerzmittel und (oft leichter erhältliche) Antibiotika. Die Höchstmengen an Pharmazeutika wurden in Lahore, Pakistan, registriert, gefolgt von La Paz, Bolivien, und Addis Abeba, Äthiopien. Absolut gar keine Schadstoffe fand man hingegen in Island und in einem Dorf der indigenen Yanomami im venezolanischen Amazonasgebiet.

Schlechter Platz für Donau

Wien liegt im Ranking der am meisten belasteten Einzugsgebiete auf dem erstaunlich schlechten 40. Platz von insgesamt 137 Regionen. Diese Wertung müsse jedoch differenziert betrachtet werden, sagt dazu der Umweltgeowissenschafter Thilo Hofmann von der Universität Wien, der die Probennahme an sieben Standorten an der Donau rund um Wien leitete.

"Wir haben auch an einem Punkt nach Wien, unmittelbar nach der Abwassereinleitung, gemessen. Dort haben wir wenig überraschend deutlich erhöhte Konzentrationen gesehen. Aufgefallen sind Carbamazepin, Metformin, Koffein, Blutdrucksenker und Antibiotika", sagt Hofmann dem STANDARD. "Wir haben in Österreich aber das Glück, dass die Donau Abwässer sehr schnell so stark verdünnt, dass keine kritischen Konzentrationen erhalten bleiben." Das hätten auch die restlichen Messungen und andere Forschungsprojekte, die sich rein mit der Donau befassen, gezeigt.

Die Stärke der PNAS-Studie verortet Hofmann auch nicht in regionalen Analysen, sondern in der globalen Perspektive. Nichtsdestoweniger sei es "grundsätzlich bedenklich", dass Schadstoffe aus Kosmetika und Medikamenten über die Abwässer in die Flüsse wandern. "Das muss nicht sein."

Die Schweiz sei ein Vorreiter bei der Nachrüstung von Kläranlagen um eine vierte Reinigungsstufe, mit der auch Spurenschadstoffe aus dem Abwasser gefiltert werden können. "Die Technik ist da", sagt Hofmann. "Die Konzepte müssen nur umgesetzt werden." (Karin Krichmayr, 15.2.2022)