Der deutsche Archäologe Dietmar H. Kroepel entdeckte mit seinem Suchhund Flintstone sieben Gräber von NS-Opfern.

Foto: Alexander Danner

Flintstone ist die wahrscheinlich letzte reelle Chance, um endlich Licht in dieses dunkle Grazer Geschichtskapitel zu bringen. Der deutsche Hütehund Flintstone, ein Strobel, der zu einem Knochenspürhund ausgebildet wurde, suchte am Wochenende im südlichen Wohnbezirk Liebenau nach sterblichen Überresten von Opfern des NS-Lagers Liebenau. Er schlug tatsächlich an sieben Stellen an.

Seit Jahren versucht der Allgemeinmediziner Rainer Possert gemeinsam mit seiner Frau Uschi und der Gedenkinitiative Graz-Liebenau nachzuweisen, dass im Erdreich dieses Areals zwischen Wohnblöcken, einem Kindergarten, Schrebergärten und Grünflächen womöglich noch unzählige Opfer der NS-Vernichtungsregimes verscharrt liegen könnten.

Possert hatte, sensibilisiert durch deutliche Hinweise von Patientinnen und Patienten des Bezirkes, in Eigeninitiative Forschungen begonnen und die Öffentlichkeit sowie die Grazer Politik immer wieder auf diese Möglichkeit von Massengräbern hingewiesen.

Verschwundener Bauakt

Die Resonanz der Stadtpolitik war bisher eher zurückhaltend, es wurden trotz der Warnungen weiter Wohnungen geplant und gebaut. Auf dem Gelände des dortigen Kindergartens wurden seinerzeit Knochen gefunden, die Baustelle aber sofort zubetoniert, der entsprechende Bauakt ist nicht mehr auffindbar. "Das müsste endlich geklärt werden, was da 1991 wirklich alles gefunden wurde", sagt Rainer Possert.

Historische Tatsache ist: Auf diesem großflächigen Areal an der Mur stand das NS-Lager Graz-Liebenau. 1945, knapp vor Kriegsende, wurden die Todesmärsche der rund 8.000 ungarischen Jüdinnen und Juden nach Mauthausen von hier aus organisiert. Es war ein Zwangsarbeiterlager, in dem bis zu 5.000 Menschen inhaftiert waren. Im Jahr 1947 wurden 53 ermordete Menschen exhumiert. "Der Verbleib vieler Opfer, so ist zu vermuten, ist aber noch ungeklärt", sagt Possert. Funde von Alltagsgegenständen, Graffiti in Stollen und Schädelfunde bestätigten in der Folge Posserts Annahme, dass hier unter der Grazer Erde noch vieles im Verborgenen liegt.

Und genau das hat jetzt auch der speziell ausgebildete Vierbeiner Flintstone deutlich aufgezeigt. Er schlug siebenmal an, genau dort, wo Possert Funde aufgrund früherer Untersuchungen erwartet hat, nämlich auch in alten Bombentrichtern.

Flintstone, der auf den Zuruf "Bones" hört, wird in Deutschland bei archäologischen Grabungen und Cold-Case-Fällen eingesetzt. Er ist in der Lage, schreibt dessen Ausbilder, der Archäologe Dietmar H. Kroepel, in seinem Liebenau-Gutachten, "tiefliegende Knochen, die schon seit Jahren verschüttet sind, zu erschnüffeln und damit auch zeitlich weit zurückliegende Grabstellen zu markieren. Er riecht die Ausscheidungen der Bakterien an menschlichen Knochen, die sich grundlegend von tierischen Knochen unterscheiden."

Zertifizierter "Archaeo-Dog"

Sein Hund habe als bisher einziger "zertifizierter Archaeo-Dog" in Europa über 100 archäologische Einsätze absolviert, davon viele in extremen Situationen, etwa in der Gletscherarchäologie, Deich- oder Maritimarchäologie, Montan- und Militärarchäologie. Flintstone habe sieben Massengräber, von der napoleonischen Zeit über den Ersten bis zum Zweiten Weltkrieg gefunden, zudem sechs Zwangsarbeiterlager.

Die Grazer Gedenkinitiative hatte nun Kroepel ersucht, auch in Liebenau den Boden mit dessen Spürhund abzugehen. Eine der Fahndungen: der Kindergarten. "Hier hat es an zwei Stellen Anzeigen gegeben. An der mittleren Gebäudehinterseite sowie der südwestlichen Seite im Bereich der Fassade straßenseitig (Sitzecke der Betreuer) sind starke Geruchsfahnen gefunden worden. Alle Spuren ließen sich hier auf eine Stelle zusammenführen, die menschliche Knochen, vom Gebäude überbaut, im vorderen Eingangsbereich linksseitig, zur Ursache haben", so Kroepel in seinem Gutachten.

Innenministerium zuständig

Weitere Untersuchungen des Bodens hätten die erste "Grobsuche" – Kroepel war schon einmal, 2021, in Liebenau – bestätigt. Es seien an den fraglichen Stellen "direkt Knochen oder Knochenkonglomerate vorhanden". "Feinsuchen" zur genauen Lokalisierung seien jedoch erforderlich. "Die bis jetzt sicher lokalisierten drei Gräber sowie die sicher vorhandenen weiteren mindestens vier Gräber, machen weitere Feinsuchen unumgänglich."

Hinzu komme, dass es weitere kontaminierte Bereiche gebe, wie das Seifenfabrikgelände, das Feld im Nordosten sowie etwa der Bereich der Kleingärten. "Hier sind sicher menschliche skelettierte Knochen vorhanden, die auch zerstörungsfrei gefunden und katalogisiert und dokumentiert werden können", sagt Kroepel.

Rainer Possert schlägt der neuen rot-grün-roten Stadtkoalition vor, die fraglichen Stellen nun archäologisch untersuchen zu lassen. "Sollten Skelette, Skelettteile und sterbliche Überreste von Opfern gefunden werden, ist natürlich das Innenministerium zuständig. Die Opfer müssten dann würdevoll bestattet werden." (Walter Müller, 15.2.2022)