Bild nicht mehr verfügbar.

Eine Demonstration für Sanktionen gegen Russland während Olaf Scholz' Besuch in der Ukraine.

Foto: Reuters / Antonio Bronic

Kiew/Moskau – Die US-Regierung hat ihre Warnung vor einem Angriff Russlands auf die Ukraine noch in den kommenden Tagen bekräftigt. "Wir sind zutiefst besorgt, dass Russland bereits in dieser Woche Maßnahmen gegen die Ukraine ergreifen könnte", sagte Außenminister Antony Blinken dem Sender France 24. "Alles, was wir in Bezug auf die Stationierung russischer Streitkräfte um die Ukraine, an allen Seiten der Ukraine, sehen, lässt uns zu diesem Schluss kommen."

Gegenseitige Forderungen

Anstatt zu deeskalieren, eskaliere Russland und verlege immer mehr Truppen an die Grenze. Der Weg der Diplomatie sei aber nicht versperrt. Man tue alles, um Russland davon zu überzeugen, den Weg des Dialogs einzuschlagen, so Blinken.

Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) forderte unterdessen erneut den Rückzug aller russischen Soldaten von der ukrainischen Grenze. Die Verantwortung für eine Deeskalation liege "klar bei Russland",.

Russland werde jedenfalls "antworten", sollten russische Staatsbürger in der Ukraine ums Leben kommen, sagte der russische Gesandte bei der EU, Wladimir Tschischow. "Wir werden nicht in die Ukraine einmarschieren, außer sie provozieren uns dazu".

USA halten Angriff für "jederzeit möglich"

Die USA hatten zuletzt erklärt, dass sie einen russischen Einmarsch noch vor Ende der Olympischen Winterspiele in China am 20. Februar für möglich halten. Sie verlegen daher als "Vorsichtsmaßnahme" vorübergehend ihre Botschaftsgeschäfte von der ukrainischen Hauptstadt Kiew an die Grenze zu Polen in die ukrainische Stadt Lwiw (Lemberg).

Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, hatte am Montag ebenfalls gesagt, dass ein russischer Angriff jederzeit möglich sei. Auch über das vergangene Wochenende habe Russland seine militärischen Kapazitäten entlang der ukrainischen Grenze ausgebaut, betonte Kirby. Dort gebe es Infanterie, schweres Geschütz oder Raketenabwehr. Außerdem sprach Kirby von Kampfflugzeugen und einer "beträchtlichen Seemacht im Schwarzen Meer".

Kredit für Kiew

Washington kündigte zudem an, Kiew mit einer Garantie für Kredite in Milliardenhöhe unter die Arme greifen zu wollen. Man habe der Ukraine eine staatliche Kreditgarantie von bis zu einer Milliarde Dollar (rund 884 Millionen Euro) angeboten, erklärte Blinken. Damit solle das Land unter anderem seine wirtschaftliche Reformagenda umsetzen. Das Angebot werde die Fähigkeit der Ukraine stärken, angesichts des "destabilisierenden Verhaltens Russlands" wirtschaftliche Stabilität, Wachstum und Wohlstand für die Bevölkerung zu gewährleisten.

US-Regierung ruft Bürger zur Ausreise aus Belarus auf

Das US-Außenministerium rief auch seine Bürgerinnen und Bürger in Belarus auf, "unverzüglich" das Land zu verlassen. "US-Bürger, die sich in Belarus aufhalten, sollten unverzüglich auf kommerziellem oder privatem Wege ausreisen", hieß es Montagabend in den angepassten Reisehinweisen. Die Situation sei "aufgrund einer Zunahme ungewöhnlicher und besorgniserregender russischer Militäraktivitäten" unvorhersehbar.

Zuvor hatte die US-Regierung lediglich dazu geraten, Ausreisepläne für den Notfall regelmäßig neu zu bewerten. Für Belarus wurde bereits von Reisen abgeraten – es gilt weiterhin die höchste Gefahrenkategorie 4. Zuletzt hatte das Außenministerium die Ausreise von Familienmitgliedern von US-Regierungsangestellten aus Belarus angewiesen. Russland stockt auch in Belarus an der ukrainischen Grenze seine Truppen massiv auf.

Das US-Außenministerium passte auch seine Reisehinweise für Moldau an – ebenfalls ein Nachbarland der Ukraine. Auch hier ergänzte das Ministerium die "ungewöhnlichen und besorgniserregenden russischen Militäraktivitäten rund um die Ukraine". Es gilt weiterhin Gefahrenkategorie 4. Zwischen den osteuropäischen Nato-Staaten und Russland liegen Belarus, Moldau und die Ukraine selbst.

Präsident Joe Biden warb erneut für eine diplomatische Lösung: "Wir sollten Diplomatie jede Chance auf Erfolg geben", sagte er. Die USA versuchten auch nicht, Russland zu destabilisieren. "An die Bürger Russlands: Sie sind nicht unser Feind." Biden unterstrich zugleich, ein russischer Einmarsch in die Ukraine bleibe weiterhin möglich.

Kritik von Schallenberg an Abzug von Diplomaten aus Kiew

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) kritisiert den Abzug von Botschaftspersonal aus der Ukraine. "Ich halte es für ein fragwürdiges Zeichen gegenüber den Menschen in der Ukraine, wenn man frühzeitig seine eigenen Diplomaten rausholt", sagte Schallenberg den Zeitungen der deutschen Funke-Mediengruppe.

Er habe entschieden, "dass die Mitarbeiter der österreichischen Botschaft genau in dieser volatilen Phase dort bleiben müssen, solange es nur irgendwie vertretbar ist". Aus dem US-Außenministerium hatte es bereits am Samstag geheißen, das Personal in der Botschaft in ukrainischen Hauptstadt Kiew werde "auf ein absolutes Minimum" reduziert. Auch andere Staaten kündigten an, ihre Botschaftspräsenz in der Ukraine zu verkleinern.

Schallenberg hofft auf Scholz

Schallenberg äußerte zugleich Erwartungen an die Moskau-Reise des deutschen Kanzlers Olaf Scholz am Dienstag. "Wir sind offen für ernsthafte Gespräche mit Moskau, signalisieren aber auch ganz klar, welche massiven politischen und wirtschaftlichen Kosten auf Russland zukommen würden, wenn es eine weitere militärische Aggression gegenüber der Ukraine geben wird", sagte er. "Ich bin überzeugt, dass Bundeskanzler Scholz dieser gemeinsamen europäischen Position in Moskau weiter Gewicht verleihen wird."

Olaf Scholz machte sich am Dienstagmorgen nach Moskau auf.
Foto: APA/dpa/Nietfeld

Schallenberg stellte sich hinter die deutsche Position, Waffenlieferungen in die Ukraine abzulehnen. "Für Österreich kommen Waffenlieferungen überhaupt nicht infrage." Europa solle sich nicht kleiner machen, als es sei. "Es ist die Europäische Union, die wirtschaftlich die engsten Verbindungen mit Russland hat – und damit auch die größten Einflussmöglichkeiten."

Scharf kritisierte er, dass US-Präsident Joe Biden im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise von der Gefahr eines "Weltkriegs" gesprochen hatte. "Ich glaube nicht an einen Flächenbrand. Aber ich finde es brandgefährlich, überhaupt so eine Sprache zu verwenden."

Guterres "zutiefst besorgt"

Auch Uno-Generalsekretär António Guterres äußerte sich zum Konflikt. "Ich bin zutiefst besorgt von den verschärften Spannungen und den zunehmenden Spekulationen über einen möglichen militärischen Konflikt in Europa", sagte Guterres am Montag in New York. "Der Preis an menschlichem Leid, Zerstörung und Schaden an der europäischen und globalen Sicherheit ist zu hoch, um ihn überhaupt in Erwägung zu ziehen", so Guterres.

"Wir können noch nicht einmal die Möglichkeit einer solchen desaströsen Konfrontation akzeptieren." Er habe mit den Außenministern Russlands und der Ukraine gesprochen und ihnen auch noch einmal gesagt, dass es keine Alternative zur Diplomatie gebe, betonte Guterres. (APA, red, 15.2.2022)