Unter Außenministerin Karin Kneissl (Zweite von rechts) sollte eine Art Geheimdienst im Außenressort etabliert werden. Die Idee hatte ihr Generalsekretär Johannes Peterlik.

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Im Zuge der Ermittlungen gegen abtrünnige Verfassungsschützer, die Interna verraten haben sollen, stießen die Ermittler auch auf ein merkwürdiges Geheimprojekt im Außenministerium. Auf dem Smartphone von Egisto Ott, einem langjährigen Verfassungsschützer, waren Organigramme zu einer Art Nachrichtendienst im Außenressort abgespeichert. Teils waren diese auch schon mit konkreten Personalvorschlägen bestückt. Ott soll diese Skizzen im Auftrag von Johannes Peterlik erstellt haben, der damals Generalsekretär unter Außenministerin Karin Kneissl war. Die neue Abteilung (A1/6) wäre dann auch unterhalb des Generalsekretärs angesiedelt gewesen. Sie hätte, so die Planungen, über fünf verschiedene Referate verfügen sollen, etwa Sicherheit und spezielle Rechtsfragen, Krisenunterstützung, Analyse und IT.

Die Planungen für diese Abteilung mit nachrichtendienstlichen Aufgaben, über die zuerst die "Presse" berichtet hatte, hing offenbar eng mit der BVT-Affäre zusammen. Unter Druck durch das damals ebenfalls blau geführte Innenministerium waren von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Ermittlungen gegen Verfassungsschützer geführt worden. Nicht einmal drei Monate nach dem Amtsantritt von Herbert Kickl (FPÖ) als Innenminister kam es zu einer Razzia im Verfassungsschutz, deren polizeiliche Leitung ein blauer Politiker übernommen hatte. Heute ist von den Vorwürfen fast nichts mehr übrig.

Schatten der BVT-Affäre

Viele der Namen, die damals in der BVT-Affäre auftauchten, spiegeln sich in Otts und Peterliks Organigramm wider. So kam die Hausdurchsuchung im BVT ins Rollen, nachdem vier Belastungszeugen aus der Behörde bei der WKStA ausgesagt hatten: erstens Peterliks Ehefrau Ursula-Ria Peterlik, die einst mutmaßlich durch politische Interventionen eine Stelle im BVT erhalten hatte. Zweitens ein Vizeabteilungsleiter, der in Peterliks geplanter Abteilung das Referat für Sicherheit und spezielle Rechtsfragen hätte leiten sollen. Drittens der IT-Techniker Anton H., der eine Stelle in Peterliks Referat für Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) erhalten hätte. Auch für Ott selbst hätte es einen Posten in der neuen Abteilung geben sollen. Es wirkt so, als hätte Peterlik hier eine Art Auffangbecken für jene Mitarbeiter aus dem Innenministerium schaffen wollen, die politisch die Pläne der FPÖ unterstützt und teils mit Falschinformationen gegen die dortige ÖVP-nahe Führung agitiert hatten.

Mittlerweile wird gegen fast alle Genannten ermittelt: Gegen Ott etwa wegen Spionage für Russland und Geheimnisverrats. Der IT-Techniker H. soll Smartphones abgesaugt und deren Inhalte verbreitet haben – so gelangten wohl die heiklen Chats hochrangiger Innenministeriumsbeamter an die Öffentlichkeit. Auch gegen Johannes Peterlik gibt es eine Reihe von Verdachtsmomenten. Vor allem geht es um Abfragen, die an Ott gerichtet waren. Der war damals schon nicht mehr im BVT tätig und hatte keine staatspolizeilichen Aufgaben mehr. Laut Akten wollte Peterlik wissen, ob eine bestimmte Telefonnummer überwacht werde. Das konnte der zwar nicht beantworten, gab aber den Tipp, dass der Inhaber der Nummer in "Einkaufszentren" gehen und dort "Rolltreppe rauf und runter" fahren sollte, um eine Observation aufzudecken.

Infos über Max Zirngast

Außerdem soll Peterlik Ott ein hochgeheimes Dokument zukommen haben lassen, nämlich die Formel des Nervengifts Nowitschok. Darüber hinaus ließ er über Ott Daten zur Inhaftierung von Max Zirngast in der Türkei erheben. Zirngast, Journalist und seit Ende 2021 Gemeinderat der Grazer KPÖ, wusste bis zu einem Bericht der "Presse" am Montag nichts davon. Damals, als er als Journalist und Student in der Türkei verhaftet wurde und quer durch Österreich Solidaritätskampagnen anliefen, forderte Peterlik "vertraulich" Infos über Zirngast an und meinte: "Vielleicht ist er ja ein Agitator?" Wundern würde Zirngast die neue Info nicht, immerhin hat er schon ähnliche Erfahrungen gemacht.

Denn österreichische Behörden hatten den Erdoğan-Kritiker nachweislich in Gefahr gebracht und Fehler gemacht. In diesem Punkt hatte das Oberlandesgericht Graz Zirngast bereits 2020 recht gegeben. Und zwar mit angeblichen Ermittlungsergebnissen auf österreichischer Seite, die es überhaupt nicht gab. "Auch damals war die Grundlage dafür ein abstruser BVT-Bericht", sagt Zirngast, "wer weiß, wie meine Sache ohne die Kampagnen für meine Freilassung ausgegangen wäre." Er sehe sich in seinem Engagement durch die neuen Details nur bestätigt: "Egal ob in der autoritären Türkei Erdogans oder hier im von Schwarz-Blau unterminierten Österreich – kritischer Journalismus und Einsatz für Demokratie und Transparenz sind ein Gebot der Stunde."

Ob der "Minigeheimdienst" im Außenministerium für genau solche Fälle wie Zirngast geschaffen werden sollte? Die Beschuldigten schweigen, auch Ex-Außenministerin Kneissl reagierte nicht auf eine Anfrage. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Das Außenministerium sagt, dass es "keinerlei Umsetzungsschritte in diese Richtung" gegeben habe. (Fabian Schmid, Colette M. Schmidt, 15.2.2022)