Ein internationales Forschungsprojekt beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Eichennetzwanze auf die heimischen Eichenbestände.

Foto: Imago / blickwinkel / McPhoto / W. Rolfes

Im Zuge weltweiter Verkehrsströme bewegen sich nicht nur Menschen und Waren mehr oder weniger ungehindert zwischen den verschiedensten Regionen der Welt hin und her, sondern unbemerkt in ihrem Gefolge auch jede Menge anderer Organismen. Wirklich Fuß fassen können in den neuen Gebieten nur einige von ihnen, aber diese wachsen sich manchmal zu handfesten Plagen aus. Die winzige, in Europa erst seit etwas mehr als 20 Jahren auftretende Eichennetzwanze ist eine der Arten, die diesbezüglich durchaus Potenzial haben.

Die angestammte Heimat der Eichennetzwanze, die den lateinischen Namen Corythucha arcuata trägt, ist Nordamerika. In Europa wurde sie das erste Mal 2000 in Norditalien entdeckt und seitdem in 20 Ländern gefunden – mit Schwerpunkt auf dem Balkan, aber auch in Russland, Türkei und Iran.

Großflächiger Schaden

Seit ihrem Erstnachweis in Ungarn und Kroatien 2013 zeichnet sie für großflächige Schädigungen der dortigen Eichenwälder verantwortlich, während sie in Italien und der Schweiz, wo sie seit mittlerweile rund 20 Jahren vorkommt, bislang nur geringe Beeinträchtigungen ausgelöst hat. In Österreich trat sie das erste Mal 2019 in der Steiermark in Erscheinung, ist mittlerweile jedoch auch in weiten Teilen des Burgenlandes, Niederösterreichs und Wiens fest etabliert.

Fallen Eichennetzwanzen über eine Eiche her, vergilben und vertrocknen die Blätter vorzeitig.
Foto: BFW/G. Hoch

Die drei bis vier Millimeter großen Insekten sind hellbraun gefärbt und haben fast durchsichtige, netzartig strukturierte Flügel. Die erwachsenen Tiere überwintern in Spalten und Ritzen von Eichen oder im Boden und Moos in deren Nähe. Etwa im April oder Mai erwachen sie aus ihrer Winterstarre und schreiten zur Paarung. Die Weibchen legen an der Blattunterseite auffällige Häufchen aus mehreren Dutzend Eiern ab, aus denen der Nachwuchs schlüpft, die sogenannte Nymphen.

Bis zu drei Generationen pro Saison

Innerhalb einer Saison können zwei bis drei Generationen entstehen. Sowohl Adulte als auch Nymphen saugen Saft an der Unterseite der Blätter aus diesen. Rund um die Einstichstelle vertrocknet das Blattgewebe und wird gelb.

Bei starkem Befall kann sich dieses Geschehen auf das ganze Blatt ausdehnen und dazu führen, dass die Bäume bereits ab Mitte des Sommers aussehen wie im Herbst: "Man erkennt die stark befallenen Bäume dann schon von der Weite an ihrer gelblichen oder hellbraunen Farbe", erklärt Gernot Hoch, Leiter des Instituts für Waldschutz am Bundesforschungszentrum für Wald (BFW).

Ein internationales Projekt, an dem neben Ungarn, Kroatien und dem Vereinigten Königreich auch Österreich beteiligt ist, befasst sich seit 2019 damit, Wissen über die Verbreitung, Biologie, Schadwirkung und Managementmöglichkeiten im Zusammenhang mit der Eichennetzwanze zusammenzutragen. Dabei konnte unter anderem gezeigt werden, dass der Verlust an Blattfläche die Photosyntheseleistung der befallenen Bäume verringert.

Auf der Blattunterseite sind alle Generationen versammelt: Eigelege neben halbwüchsigen (dunklen) Nymphen und ausgewachsenen Exemplaren (größer und hell). Die vielen verstreuten Pünktchen sind Kottröpfchen.
Foto: BWF/Hoch

Auswirkungen auf den Holzzuwachs oder gar erhöhte Sterblichkeit der Bäume konnten bis jetzt auch im stark betroffenen Ungarn und Kroatien nicht nachgewiesen werden, wohl aber eine geringere Größe und ein früheres Abfallen der Eicheln. Das kann zweierlei Folgen haben, wie Hoch erklärt: Da Eichen, wie alle Bäume, nicht jedes Jahr gleich viele Früchte tragen, kann es in schwachen Jahren auf manchen Flächen an Samen für den Nachwuchs mangeln. Ebenso verringert sich der Nachschub in Baumschulen, die gezielt Samen für Neupflanzungen produzieren.

Wie Untersuchungen gezeigt haben, sind alle in Europa heimischen Eichenarten geeignete Wirte für die Eichennetzwanze. Allerdings gibt es innerhalb der Gattung Eiche verwandtschaftliche Gruppen, die unterschiedlich anfällig für die invasiven Insekten sein können.

Natürliche Bekämpfung

"Immun" sind hingegen die wie die Eichennetzwanze aus Nordamerika stammenden Roteichen (Quercus rubra). Das dürfte in diesem Fall jedoch nicht an einer Co-Evolution von Wirt und Schädling liegen, denn andere dort beheimatete Eichen wie die Amerikanische Weißeiche (Quercus alba)werden sehr wohl befallen. Vielmehr vermutet man den Grund in der Populationsdynamik anderer Insekten: "In ihrer Heimat hat die Eichennetzwanze einfach mehr Gegenspieler", gibt Hoch zu bedenken.

Auf natürlichen Gegenspielern ruht auch einige Hoffnung für die Zukunft. Eine Eindämmung der invasiven Art mittels Insektiziden ist nicht nur aus Naturschutzgründen indiskutabel, sondern wäre auch wenig erfolgversprechend, da sich die Tiere vorwiegend an den Blattunterseiten aufhalten, wo sie vor ausgebrachten Insektiziden weitgehend geschützt wären. Ebenso hat es sich als aussichtslos herausgestellt, die weitere Ausbreitung der Tiere stoppen zu wollen, denn diese erfolgt auf extrem breiter Front: Es deutet alles darauf hin, dass sie mit Lastwagen und anderen Fahrzeugen reisen.

2019 hat man die Eichennetzwanze (Corythucha arcuata) erstmals auch in Österreich nachgewiesen.
Foto: BFW/J. Connell

Pilze gegen Wanzen

"Wir finden sie immer wieder an Rastplätzen, Tankstellen und touristischen Plätzen entlang von Verkehrswegen", sagt Hoch. Hat sich auf einer befallenen Eiche einmal eine Satellitenpopulation etabliert, erfolgt von dort rasch die weitere Besiedlung der Gegend.

Vielversprechend scheint derzeit eine biologische Bekämpfung der Eichennetzwanze mithilfe von Pilzen: 2018 gelang es kroatischen Forschenden, aus einigen tot im Moos gefundenen Wanzen den Pilz Beauveria pseudobassiana zu isolieren. Dabei handelt es sich um einen sehr häufigen Krankheitserreger bei Insekten, es gibt aber auch Linien, die spezifisch gegen eine Art wirksam sind, und auf eine solche Linie hofft man bei der Eichennetzwanze.

Wanzen gegen Wanzen

Derzeit werden Kulturen angelegt, die einerseits auf ihre Effektivität im Einsatz gegen die Wanze getestet werden sollen, andererseits auf ihre etwaige Wirkung auf andere Insekten, die nicht zu Schaden kommen sollen. Ebenfalls denkbar ist der Einsatz natürlicher Feinde aus der Heimat der Wanzen wie einige andere Wanzenarten. Allerdings müssten vorher deren mögliche Auswirkungen auf die anderen Bewohner der Eichenwälder minutiös untersucht werden.

In jedem Fall könnte die Eichennetzwanze ihren neuen Nachbarn das Leben extrem schwer machen: Viele Insektenarten, die auf Eichen vorkommen, können nur auf oder von diesen leben, und ab Mitte des Sommers beeinträchtigt die Saugwirkung der Wanzen die Qualität der Blätter als Nahrung massiv. Das kann verheerende Folgen für manche anderen Insekten haben: So haben Untersuchungen an zwei Schmetterlingsarten, deren Larven auf Eichenblätter spezialisiert sind, ergeben, dass diese befallene Blätter nicht fressen und verhungern, wenn sie keine gesunden Blätter finden. (Susanne Strnadl, 18.2.2022)