Der Aralsee in Zentralasien war einst eines der größten Binnengewässer des Planeten. Lang andauernde Austrocknung hat den See aber fragmentiert und seine Fläche extrem schrumpfen lassen. Gleichzeitig ist der Salzgehalt enorm gestiegen – mit fatalen Folgen.

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Vor 60 Jahren fasste der Aralsee noch 1080 Kubikkilometer Wasser und war der viertgrößte Binnensee der Erde. Heute ist er in zwei Seen zerrissen, die zusammen nur noch ein Zehntel der ehemaligen Wassermenge fassen, er ist biologisch tot. Denn mit dem Schrumpfen versalzte der Aralsee. An manchen Stellen enthält ein Liter Wasser 150 Gramm Salz – viermal so viel wie in den Ozeanen. Hunderte Millionen Tonnen salzhaltiger Erde, ehemals der Boden des Sees, werden nun kilometerweit ins Umland gewirbelt und verursachen Atemwegs- sowie Augenerkrankungen.

Der Aralsee ist ein extremes Beispiel für die Versalzung eines Sees und ihre Folgen, aber er ist bei weitem nicht das einzige. Der Akşehir Gölü in Anatolien, der Chagan-See in Westchina oder der Mono Lake in Kalifornien sind nur ein paar Beispiele für Binnengewässer, die versalzen. Auf der ganzen Welt steigen Salzgehalte auf nie dagewesene Werte. Woran liegt das?

Hitze und Wasserverbrauch

Lokal spielen oft sehr unterschiedliche Faktoren mit, etwa Straßensalz, Abwässer oder Bergbau. Die zwei größten Treiber sind intensive Landnutzung und der Klimawandel. Deren Einflüsse auf Binnengewässer kann man weltweit beobachten, wie der Wasserökologe Robert Ptacnik vom Wassercluster Lunz erklärt.

Das Forschungszentrum in Lunz am See ist auf aquatische Ökosysteme spezialisiert. Die Einrichtung der Donau-Universität Krems, Universität Wien und Universität für Bodenkultur Wien wird vom Land Niederösterreich und der Stadt Wien gefördert.

See ohne Abfluss

"Durch den Klimawandel werden viele sehr warme Gebiete noch heißer. Dazu kommt, dass der Wasserverbrauch immer stärker zunimmt", sagt Ptacnik. Der Aralsee ist hierfür ein gutes Beispiel. Aus ihm wurden Unmengen an Wasser für Landwirtschaft und Industrie abgezweigt und Abwasser eingeleitet. Der Niederschlag ging zurück, mehr Seewasser verdampfte.

Dazu kommt: Der Aralsee hat keinen Abfluss, die Landschaft, in der er liegt, ist sehr salzhaltig. Von der Entwicklung betroffen sind aber nicht nur einzelne Binnengewässer, sondern ganze Regionen. Auch wenn das Forschungsinteresse an dem Phänomen zunimmt, bleiben viele Wissenslücken.

"Man hat viel über lokale Probleme geforscht– etwa über Straßensalz in Nordamerika oder die Versalzung von ehemaligen Tagebauseen, etwa in Ostdeutschland oder Tschechien", sagt Ptacnik. "Es gab aber kein systematisches Bild. Viele stark betroffene Gewässer liegen in Gegenden, wo wenig geforscht wird, zum Beispiel auf dem afrikanischen Kontinent oder in Südamerika."

Mit 19 weiteren, internationalen Forschenden hat Ptacnik hunderte Studien auf die Frage hin analysiert: Über welche Mechanismen, Auswirkungen oder Orte weiß man noch zu wenig? Ergebnisse wurden nun im Fachjournal "Trends in Ecology and Evolution" publiziert.

Das Ziel ist auch ein pragmatisches. Um gegen das Problem der Versalzung von Binnengewässern angehen und politische Entscheidungen treffen zu können, muss man dessen Ausmaß kennen – und auch potenzielle Folgen.

Verlust von Arten

Die Folgen für Ökosysteme hängen von vielen Faktoren ab: Wo liegt das Gewässer? Wie ist die Ionenzusammensetzung im Wasser? Wird der See durchströmt, und wenn ja, wie stark? Gesichert ist, dass durch Versalzung der Artenpool schrumpft. "Erhöht sich der Salzgehalt, nimmt die Artenvielfalt ab – in jedem Binnengewässer. Man beobachtet das etwa bei Muscheln oder Krabben. Auch die Mikroorganismen stellen sich um. Besonders einzellige Organismen wie Algen sind sehr sensibel," erklärt der Wasserökologe Ptacnik. Die meisten Studien messen den Einfluss der Versalzung auf einzelne Organismen, etwa auf Wasserflöhe. Wie sie sich auf ganze Lebensgemeinschaften auswirkt? Darüber muss noch geforscht werden.

Auch wenn Österreich kein Hotspot ist: Versalzung passiert auch bei uns. Ein Beispiel sind ausgerechnet die Salzlacken im burgenländischen Seewinkel – einzigartige Lebensräume für an Salzwasser angepasste Arten.

Doch auch sie sind bedroht. "Die Lacken sind vom Grundwasser gespeist. Dessen Spiegel sinkt, und es regnet weniger – also bekommen die Lacken kaum noch Wasser, der Salzgehalt im Boden bleibt konstant. So versalzen sie als unmittelbare Folge des Klimawandels", sagt Ptacnik.

Dazu kommt: Sterben Organismen aus, können sie oft aus anderen Gewässern wieder einwandern. Was aber passiert, wenn Gewässer verschwinden, erklärt der Wasserökologe anhand der Salzlacken im Seewinkel: "In der Gegend nimmt der Artenpool ab. Aber auch die Zahl von Arten in den einzelnen Lacken nimmt ab, weil es in der gesamten Region weniger Arten gibt." Er plädiert deshalb für mehr Fallstudien über lokale Lebensräume, denn: "Kleine Gewässer tragen sehr zur regionalen Biodiversität bei."

Verschmutztes Trinkwasser

Nun sind Gewässer nicht nur Heimat für viele Lebewesen. Ohne sie könnten auch wir nicht überleben. Mit versalztem Wasser können wir unsere Felder nicht mehr bestellen, aus ihm keine Fische mehr fangen. Es zu trinken kann mancherorts sogar gefährlich werden. Denn mit dem Salzgehalt lösen sich auch Metalle leichter aus dem Boden. Studien aus den USA geben Hinweise darauf, dass die Versalzung den Trinkwasserbleigehalt erhöht hat.

Wie sich Versalzung auf die Freisetzung von Treibhausgasen auswirkt, ist zudem auch noch kaum erforscht. In Zukunft muss sich auch diese Wissenslücke schließen, sagt Ökologe Ptacnik: "Es ist wichtig zu wissen, wie sich Prozesse durch Versalzung verändern. Denn sie passiert auf großen Flächen – und das weltweit." (Laura Anninger, 20.2.2022)