Die Säumigkeit in der Erfassung der eigenen Bestände stellt ein ernstes Handicap dar: Das Wiener Theatermuseum muss sich nicht nur mit den Folgen historischer Vernachlässigung herumschlagen.

Foto: KHM-Museumsverband

Wer Marie-Theres Arnbom kennt, weiß um ihre Energie und ihre Hands-on-Mentalität. Theoretisch hätte die Neodirektorin des Theatermuseums das Zeug, dort künftig die Puppen tanzen zu lassen: die des symbolistischen Figurentheaters von Richard Teschner sowieso, jene im übertragenen Sinne vielleicht. Oder auch nicht. Denn in der Praxis wird die Führungsriege des KHM-Museumsverbands den Alltag weiterhin wesentlich prägen.

Der Blick in die jüngere Vergangenheit verheißt insofern kein rosiges Bild, sondern eher das einer vom Mutterkonzern finanziell ausgehungerten Dependance. Obwohl die Basisabgeltung des Bundes in der Höhe von jährlich 2,615 Millionen Euro die laufenden Personalkosten locker finanziert, wurde auf dieser Ebene kräftig gespart.

Mit entsprechenden Folgen: Mit der Erfassung der Bestände der Sammlung, die zu den Kernaufgaben jedes Museums gehört, hinkt man derart hinterher, dass man selbst auf STANDARD-Anfrage hin keinen Status kommunizieren will. Ob nun 20, 50 oder mehr Prozent der Objekte inventarisiert wurden, ist ebenso nicht in Erfahrung zu bringen wie eine grobe Schätzung. Nur so viel: "Aufgrund der kontinuierlichen Zugänge umfangreicher Künstlernachlässe" sei der prozentuelle Anteil "ständigen Schwankungen unterworfen".

Große Brocken

Warum ein detaillierter Überblick über den Bestand Relevanz hat, ist einfach erklärt: Er bildet die Grundlage für wissenschaftliche Forschung, sei es für Ausstellungen oder für Recherchen zur Herkunft der Objekte. Geht es um den "riesigen Komplex Provenienzforschung", erwartet Arnbom einen "großen Brocken", wie der Kurier jüngst berichtete. Die Handhabung der letzten Jahrzehnte, stand zu lesen, sei lax gewesen. Wem hier Versäumnisse anzulasten wären, stand dort nicht geschrieben.

Der Blick in die Restitutionsberichte dokumentiert ein differenzierteres Bild. Denn schon der Auftakt der von der zuständigen Kommission für Provenienzforschung verantworteten und finanzierten Recherchen erfolgte unter ungünstigen Bedingungen. Bis 1991 war das Theatermuseum eine Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek und darum auch eng an deren Forschung geknüpft.

Bedenkliche Herkunft

Die enorme Anzahl der Objekte war nur einer der Faktoren, die die Arbeit erschwerten. Der andere lauerte in dem Umstand, dass Raubkunstbestände einst auf mehrere Institutionen aufgeteilt worden waren und dabei Anhaltspunkte für deren bedenkliche Herkunft verlorengingen. Dazu pflog man am Theatermuseum lange die Praxis, die Bestände nach inhaltlichen Kriterien zu ordnen und nicht nach Herkunft. In Summe ergab das eine fragmentarische Dokumentation, die zusätzliche Recherchen erforderte.

Hinzu kamen technische Hürden bei der EDV-Angleichung im Zuge der Übernahme in den KHM-Verband: Die vor 2001 verwendeten Systeme konnten nicht übernommen werden, ein Teil der bis dahin getätigten Eingaben war futsch. Die von der Kommission entsendeten Mitarbeiter waren folglich lange mit der Schaffung jenes Fundaments beschäftigt, an dem ihre systematische Erforschung überhaupt anknüpft. Und teils ist das noch heute so, obwohl bereits einige Restitutionen erfolgten. Zuletzt 2020.

Zivildiener in Assistenz

Hinter den Kulissen herrscht an dieser Front seit 2017 allerdings ein Notbetrieb, der Fragen aufwirft. Denn die damals vakant gewordene Stelle für Provenienzforschung wurde nicht nachbesetzt. Stattdessen stellte die Kommission Zivildiener für "assistierende Arbeiten" im Bereich der Datenimplementierung und Digitalisierung zur Verfügung.

Wo es an Grundlegendem hapert, will man offenbar keine Fachkräfte mehr verheizen. Von der Generaldirektion gibt es wiederum keine Schützenhilfe. Man beschäftige dort "neun Kuratoren", zu deren "Kernaufgaben die Inventarisierung" gehöre, wie es auf Anfrage heißt. Zusätzliche Mitarbeiter sind also kein Thema. Die stiefmütterliche Behandlung scheint prolongiert. Dabei konnte das Theatermuseum als Ersatzquartier für die Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste während der Generalsanierung (2017–2021) sogar mit satten Mieterlösen punkten.

Die Höhe will man partout nicht verraten. Ob dem Trabanten womöglich eine Zukunft als kleine Cashcow bevorsteht? Die Frage nach etwaigen Plänen zur verstärkten Vermietung als Eventlocation ließ die Generaldirektion unbeantwortet. Durchaus bezeichnend. (Olga Kronsteiner, 16.2.2022)