Prinz Andrew, Virginia Giuffre und Ghislaine Maxwell auf einem Archivbild.

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Queen Elizabeths zweitältester Sohn muss sich nicht vor Gericht verantworten.

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Sieg der Vernunft: Wenige Tage nach dem 70. Thronjubiläum der Queen und rechtzeitig vor den umfangreichen Feiern im Sommer hat Prinz Andrew seinen Rechtsstreit mit einem Opfer sexuellen Missbrauchs beigelegt. Einem gemeinsamen Schreiben ihrer Anwälte an das New Yorker Zivilgericht zufolge haben der Neunte der britischen Thronfolge und Virginia Giuffre einen Vergleich geschlossen. Demnach verpflichtet sich der Herzog von York zur Zahlung einer "erheblichen" Summe an die Wohltätigkeitsorganisation der Frau, die als 17-Jährige dem damals 41-Jährigen im Umfeld des Sexualstraftäters Jeffrey Epstein begegnete.

Über die infrage stehende Summe haben die Parteien Stillschweigen vereinbart, es dürfte sich aber um mehrere Millionen Dollar handeln. Unklar blieb zunächst, ob zusätzlich zur Zahlung für die Organisation, die sich für Opferrechte einsetzt, auch noch eine Summe für Giuffre persönlich anfällt.

Das Gerichtsdokument.

Aus der Verlautbarung des New Yorker Gerichts wird jedoch deutlich, dass der 61-Jährige allerlei hässliche Kröten zu schlucken hatte. Ausdrücklich lobt der Herzog die 38-Jährige sowie andere Opfer sexuellen Missbrauchs für ihre "Tapferkeit", bedauert zudem die "unfairen öffentlichen Attacken" auf Giuffre. Ihm selbst sei nie daran gelegen gewesen, sich an der Verleumdung seiner Beschuldigerin zu beteiligen – eine Aussage, die in krassem Widerspruch zu dem Vorgehen von Andrews Anwälten steht. Diese hatten in den vergangenen Monaten keine Gelegenheit verstreichen lassen, ohne dass sie Giuffre als geldgierige Dauerprozessiererin darstellten, die mit unbewiesenen Vorwürfen Prominente ins Unrecht setze.

Die mittlerweile in Australien lebende US-Bürgerin hatte detaillierte Anschuldigungen gegen den Prinzen erhoben: Dreimal, je einmal in London, New York und in der Karibik, sei sie, damals noch minderjährig, vor zwanzig Jahren von Andrew sexuell missbraucht worden. Der Prinz beteuerte stets seine Unschuld: Er sei "dieser Lady" nie begegnet. Dabei war längst ein Foto im Umlauf, das Andrew mit Giuffre und seiner früheren Freundin Ghislaine Maxwell zeigt.

Unstreitig war zudem seine Freundschaft mit dem New Yorker Finanzjongleur Epstein, die er laut Gerichtsmitteilung nun "bedauert". Der mittlerweile verstorbene Epstein und die Tochter des Millionenbetrügers Robert Maxwell, so haben es mehrere Strafprozesse in den USA ergeben, betrieben jahrzehntelang einen Sexhandelsring und waren verantwortlich für die Ausbeutung und den Missbrauch von Hunderten junger Frauen.

Andrews Ruf ist beschädigt

Dem Konsens unter PR-Strategen zufolge ist der Ruf des Prinzen schwer, womöglich irreparabel beschädigt. Das liegt keineswegs nur an dem Vergleich mit Giuffre, der einem Schuldeingeständnis sehr nahe kommt. Die unappetitlichen Enthüllungen rund um Andrews Freundschaft mit den verurteilten Sexualstraftätern Epstein und Maxwell haben auch grundsätzliche Charakterschwächen des einst beliebten Prinzen zutage gefördert. Dessen Glaube an die eigene Bedeutung stand offenbar jahrzehntelang der angemessenen Behandlung von Bediensteten und Bekannten im Weg.

Solange das Königshaus, insbesondere Queen Elizabeth II, die schützende Hand über den Herzog hielt, blieben dessen Handlungs- und Redeweisen unter der Decke. Giuffres Klage öffnete die Fluttore: Plötzlich füllten immer neue Storys über den Mann mit stark ausgeprägter Libido und umgekehrt proportionaler Intelligenz die Gazetten. Jüngst beschwerte sich eine Masseurin über den Termin im Haus des Prinzen: Dieser habe in derber Ausdrucksweise Auskunft über ihre sexuellen Vorlieben verlangt.

Erst im Jänner hatte sich die Queen ausdrücklich von ihrem Drittgeborenen distanziert, Andrew musste sämtliche militärischen Dienstgrade und royale Schirmherrschaften zurückgeben. Öffentliche Termine für das Königshaus nimmt er schon seit mehr als zwei Jahren nicht mehr wahr. (Sebastian Borger aus London, 15.2.2022)