Eine aktuelle Studie der Oesterreichischen Nationalbank bietet Befürwortern von Vermögenssteuern eine Steilvorlage.

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Die Reichen sind reicher als gedacht, und das behauptet nicht irgendjemand: Laut einer aktuellen Studie der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) ist das Vermögen der Österreicherinnen und Österreicher noch ungleicher verteilt als bisher angenommen. Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt demnach bis zu 50 Prozent des gesamten Vermögens. Ältere Studien sprachen von 20 bis 25 Prozent.

Die Pandemie dürfte das Problem nun weiter verschärft haben – zumindest deutet einiges darauf hin. Menschen, die genug Geld übrig hatten, haben die Chance genutzt und nach dem ersten Absturz am Aktienmarkt kräftig investiert. Seither sind die Kurse stark gestiegen. Dazu kommt, dass vor allem größere Unternehmen gut durch die Krise gekommen sind – nicht zuletzt dank üppiger Hilfsgelder.

Gefundenes Fressen

Für die Arbeiterkammer (AK), die Gewerkschaft und die SPÖ war die Studie der OeNB eine Steilvorlage. Sie nutzten die Gelegenheit, um ihre alte Forderung nach einer Vermögenssteuer neu zu formulieren: Es brauche eine "Steuerstrukturreform mit höheren Beiträgen aus Vermögen und weniger aus Arbeit", sagte etwa der oberösterreichische Arbeiterkammer-Chef Andreas Stangl.

Ohne staatliche Umverteilung gehe die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auf. Das gefährde den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Verteile sich Einkommen und Vermögen möglichst ausgewogen, würde das außerdem den Konsum stärken und damit die Wirtschaft ankurbeln. Mit einer Vermögenssteuer könnten notwendige sozialpolitische Projekte und Investitionen dauerhaft finanziert werden, so die Argumentation.

Diese Woche schaltete sich nun auch die Industriellenvereinigung (IV) in die Debatte ein und argumentierte – wenig überraschend – gegen zusätzliche Abgaben. "Vermögenssteuern machen Österreich arm", sagte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. Sie würden den Mittelstand und Familienunternehmen treffen, wären ein "Bürokratie-Alptraum" und ein negatives Signal für den Standort Österreich.

Unverhoffte Unterstützung

Allein sind Vertretungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit ihrer Forderung allerdings nicht. Im Frühjahr 2021 bekamen sie prominente Unterstützung: Der Internationale Währungsfonds (IWF) empfahl die Einführung einer Vermögenssteuer, um die Kosten der Pandemie abzufedern. Krisengewinner sollen einen "befristeten Beitrag" leisten.

Bestimmte Unternehmen hätten während der Pandemie "überschießende Profite" erzielt. Pharmakonzerne und Tech-Firmen wie Amazon haben vom Virus und den Lockdowns profitiert. Eine "Solidaritätsabgabe" hätte laut IWF zudem einen angenehmen Nebeneffekt: Sie würde das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik stärken.

Klassische Vermögenssteuern

Allgemeine Vermögenssteuern, die von Aktien über Immobilien bis hin zu Goldschmuck alle Werte abdecken, waren bis in die 1990er-Jahre in Europa nicht unüblich. In Österreich wurden sie 1993 abgeschafft. Heute gibt es hierzulande nur noch eine Grundsteuer, die Immobilien belastet. Klassische Vermögenssteuern werden noch in Spanien, Luxemburg, der Schweiz und Norwegen eingehoben.

Anders sieht das bei der Erbschaftssteuer aus, die ebenfalls eine vermögensbezogene Steuer ist. In Österreich wurde sie 2008 abgeschafft, europaweit ist sie nach wie vor weit verbreitet. Die meisten Länder der OECD nehmen deshalb deutlich mehr Geld mit vermögensbezogenen Steuern ein als Österreich. Im Schnitt sind es knapp unter zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP), hierzulande rund 0,5 Prozent. Zum Vergleich: Insgesamt liegt die Abgabenquote bei 42 Prozent.

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Teure Berechnung

Für die Abschaffung der Vermögenssteuern gab es mehrere Gründe. Zum Teil war die Berechnung aufwendig und teuer, die Steuer selbst warf dagegen nicht viel Geld ab. "In Deutschland wurden erhebliche Teile des Steueraufkommens dazu verwendet, die Steuer zu berechnen", sagt Hannes Winner, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Salzburg. Finanzvermögen lasse sich relativ leicht bewerten. Bei Immobilien sei das schon schwieriger – ganz zu schweigen von Goldschmuck oder Kunstwerken, die irgendwo zu Hause liegen.

Problematisch sei auch, dass man Vermögenssteuern "im nationalen Alleingang nur sehr schwer durchsetzen kann", erklärt Margit Schratzenstaller, Ökonomin am Wifo. "Die mangelnde internationale Kooperation war für viele Länder der Grund, die Steuer abzuschaffen." In Frankreich kämpfte man etwa mit der Abwanderung der Vermögenden nach Belgien. Schätzungen zufolge sollen bis zur Abschaffung der Steuer im Jahr 2018 jährlich bis zu sieben Milliarden Euro ins Ausland geflossen seien. "Bei Erbschaftssteuern sind diese Ausweicheffekte dagegen viel geringer", betont Schratzenstaller.

Wirtschaftliche Auswirkungen

Dazu kommt ein weiteres Problem: "Die Steuer greift die Substanz von Unternehmen an", sagt Winner. "Sie kann daher das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen." Berechnet wird die Abgabe zwar anhand der Vermögenswerte, sie wird aber meist mit dem laufenden Einkommen bezahlt. Damit bleibt weniger Geld für Investitionen. Auch Privatleute, die ein Haus bauen, müssten Abgaben bezahlen, wenn der Wert die mögliche Schwelle einer Million Euro übersteigt.

Eine Möglichkeit wäre, den Freibetrag zu erhöhen. Das brächte aber ebenfalls Probleme mit sich, sagt Winner: "Wenn man den Freibetrag zu hoch ansetzt, fällt das Steueraufkommen und der Verteilungseffekt sehr gering aus." Da die Steuer in der Erhebung teuer ist, wäre sie damit wenig effizient. "Wir sehen, dass die Vermögensverteilung in den letzten Jahren immer ungleicher wird", sagt Winner. Ob die Vermögenssteuer dieses Problem lösen kann, sei jedoch fraglich und hänge von ihrer konkreten Ausgestaltung ab.

Umschichtung der Steuern

Wie diese konkrete Ausgestaltung aussehen könnte, haben die Berkeley-Ökonomen Gabriel Zucman und Emmanuel Saez vorgezeichnet. Sie fordern eine zeitlich befristete, europaweite Abgabe für die reichsten ein Prozent der Bevölkerung. Die Steuer würde also erst ab einem relativ hohen Vermögen greifen, eine europaweite Regelung würde zudem die Abwanderung des Vermögens in andere Länder erschweren. Je nachdem, wie hoch die Kosten der Krise ausfallen, könnten die Coronakredite damit innerhalb von rund zehn Jahren zurückbezahlt werden, schreiben Zucman und Saez.

Die zentrale Frage sei, wie gut Vermögenssteuern im Vergleich zu anderen Steuern abschneiden, erklärt Schratzenstaller vom Wifo. Vermögenssteuern – vor allem die Erbschaftssteuer – seien wachstums- und beschäftigungsfreundlicher als die Einkommenssteuer. "Volkswirtschaftlich macht es daher Sinn, vermögensbezogene Steuern einzuführen und stattdessen die hohen Abgaben auf Arbeit zu reduzieren", sagt die Ökonomin. "Steuern ganz ohne unerwünschte Nebenwirkungen, die gibt es nicht." (Jakob Pflügl, 17.2.2022)