Künftig nur noch Sondermüll? Abertausende Male haben Österreicher in Röhrchen wie diese gespuckt, besonders Wien ist stolz auf das "Alles gurgelt"-Programm. Doch immer mehr Politiker rufen nach einem Aus für die Gratis-Corona-Tests.

Foto: Christian Fischer

In dieser Disziplin hat Österreich eine Medaillengarantie: Was die Zahl der täglichen Corona-Tests betrifft, liegt die Republik seit vielen Monaten weltweit im Spitzenfeld. Das liegt am Gratisangebot, das zumindest in Wien auch bei den zuverlässigeren PCR-Tests sehr breit ausgerollt ist. Das "Alles gurgelt"-Programm ist der Stolz der sozialdemokratischen Stadtpolitiker.

Doch all das steht nun zur Disposition. Am Mittwoch wollen die Regierungen von Bund und Ländern nicht nur über Lockerungen des Corona-Regimes, sondern auch über die Teststrategie beraten. Ende März läuft die Finanzierungszusage des Bundes für das Gratisangebot aus – und es mehren sich die Stimmen, von einer Verlängerung abzusehen.

Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) hatte bereits Anfang Jänner einen Kostenbeitrag für Ungeimpfte eingefordert, zuletzt machten aber vor allem ÖVP-Vertreter Druck. Mehrere Landeshauptleute sprachen sich dafür aus, die Gratistests nur noch selektiv anzuwenden, etwa für Risikogruppen und symptomatische Personen. Bei einem Besuch in der Schweiz darauf angesprochen, pflichtete Kanzler Karl Nehammer knapp bei: "Kostenpflichtige Tests, ja."

Milliardenkosten

Es geht um stolze Summen. Das Finanzministerium wies auf Anfrage der Austria Presse Agentur 2,6 Milliarden Euro aus, die in den Jahren 2020 und 2021 aus dem Bundesbudget in Tests geflossen seien.

Klug investiertes Geld, um die Pandemie im Zaum zu halten? Oder ein Fass ohne Boden, von dem mit dem sukzessiven Ende der 2G-Regel nur die Minderheit der Ungeimpften profitiert, denen der Gratistest die bequeme Rückkehr ins öffentliche Leben ermöglicht? Die Fachwelt ist gespalten.

Thomas Czypionka hat an der nun erhobenen Forderung nur eines auszusetzen: dass sie um ein Jahr zu spät komme. Bereits im Frühjahr 2021 hätte die Regierung das Ende des kostenlosen Angebots für Sommer ankündigen sollen, um die Impfbereitschaft zu steigern, sagt der Gesundheitsökonom vom Institut für Höhere Studien (IHS): "Die Gratistests sind ein Grund für die niedrige Impfquote." Auch jetzt noch könne der Kostendruck einiges bewirken – bei weitem nicht jeder verbliebene Ungeimpfte sei ein verbohrter Gegner.

Frage nach Nutzen der Test

Und der beschworene Nutzen beim Aufspüren von Infizierten? Massentests brächten nur dann viel, wenn Betroffene rasch in Quarantäne geschickt würden, hält der Experte entgegen. Doch schon vor der Omikron-Variante, die den Ansteckungsreigen wegen der kürzeren Inkubationszeit noch einmal beschleunigt hat, sei das Contact-Tracing hierzulande nie wirklich gelungen. "Wir waren immer zu spät", urteilt Czypionka: "Das viele Testen hat weder Österreich im Vergleich zu anderen Ländern einen Lockdown erspart, noch stehen wir wirtschaftlich besser da."

Michael Wagner hingegen hält Vergleiche mit anderen Staaten für wenig aussagekräftig, zumal die einzelnen Bedingungen überall verschieden seien. In den als Vorbild gepriesenen nordischen Ländern beispielsweise hielten sich die Bürger nun einmal stärker an Empfehlungen, sagt der Mikrobiologe von der Uni Wien, in Deutschland sei 2G strenger exekutiert worden. Ohne die vielen Tests, ist er überzeugt, wäre Österreich noch schlechter durch die Pandemie gekommen.

Selbst wenn die Behörde in der Omikron-Welle wegen Überlastung und gelockerter Regeln nun seltener eine Quarantäne verhängt, blieben die Tests nicht folgenlos. "Erfahren es verantwortungsvolle Menschen, wenn sie oder eine Kontaktperson sich infiziert haben, verhalten sie sich anders", argumentiert Wagner: "Dann werden sie die Oma eben nicht besuchen. Das wird oft ignoriert."

Schnelle Behandlung

Mitten in der Omikron-Welle wäre es "der völlig falsche Zeitpunkt, das Gratisangebot aufzugeben oder zurückzufahren", sagt Wagner, und er warnt vor einer sozialen Schieflage: "Wer sich die teuren PCR-Tests vor einer Familienfeier nicht leisten kann, hat künftig ein höheres Risiko." Überdies sei es gerade für Risikopatienten essenziell, dank regelmäßiger Tests rasch von einer Infektion zu erfahren, fügt er an, zumal die Medikamente in den ersten Tagen am besten wirkten.

Ähnlich argumentiert man im von SPÖ und Neos regierten Wien, wo seit kurzem Covid-Medikamente auch per Boten vor die Tür gebracht werden. Die Mittel müssten eingenommen werden, wenn noch keine oder nur milde Symptome auftreten, heißt es aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Durch einen verzögerten Befund würden viele aus dem engen Behandlungsschema fallen. Außerdem, argumentiert man im Rathaus, würde die hohe Testintensität nicht nur der Bevölkerung Sicherheit geben. Die PCR-Testungen inklusive der Sequenzierung sei das beste Prognosetool für die Spitalsplanung.

Im Schnitt werden in Wien 345.000 PCR-Tests am Tag ausgewertet – das sind rund 70 Prozent der Tests in Österreich. Pro Gurgeltest zahlt die Stadt fünf bis sechs Euro, während Apotheken und Co pro Abstrich 25 Euro Kostenersatz erhalten. Auf Wien würden daher nur etwa 20 Prozent der allein vom Gesundheitsministerium für 2021 veranschlagten 1,7 Milliarden Euro entfallen, heißt es aus den Büro Hacker: "Wenn wir über das Ende der Gratistests reden, dann sollten wir über die teuren Tests reden und nicht über das billigste System, das es hierzulande gibt." (Gerald John, Oona Kroisleitner, 16.2.2022)