Paris machen die fossilen Abgase jedenfalls zu schaffen.

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"Gesucht: Ein klimapolitisch glaubwürdiger Präsident". Diese fiktive Jobanzeige haben Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace unlängst auf Hauswände in mehreren Städten Frankreichs plakatiert. Der Grund: Nach Ansicht der NGO bekommt das wichtige Thema Klimawandel zu wenig Aufmerksamkeit im aktuellen Präsidentschaftswahlkampf.

Diese Sorge teilen auch 1.400 französische Forscher, Wissenschafter und Universitätsprofessoren, die vergangene Woche einen gemeinsamen Appell an die Präsidentschaftskandidaten lancierten: Sie zeigen sich darin besorgt über die "Abwesenheit einer demokratischen Debatte" über das Klima und die schwindende Biodiversität. Und sie fordern insbesondere die prominenten Kandidaten – von Éric Zemmour und Marine Le Pen ganz rechts bis zu Jean-Luc Melenchon ganz links – dazu auf, auch über ihr Parteiprogramm hinaus zu diesen Themen Stellung zu beziehen. Etwa in Interviews oder TV-Debatten vor der Wahl im April.

Schwache Klimabilanz

Mitgemeint ist wohl auch Präsident Emmanuel Macron, der seine Kandidatur allerdings immer noch nicht verkündet hat. Es wird erwartet, dass er sie in den nächsten Tagen bekanntgibt. Die fiktive Jobanzeige von Greenpeace sei jedenfalls auch als Kritik an Macrons Klimabilanz in seiner ersten Amtszeit zu verstehen, so die Umweltorganisation auf ihrer Webseite. Macron habe 2018 zwar den Uno-Umweltpreis "Champion der Erde" bekommen, er sei aber eher ein Champion der Reden und Versprechen, nicht der Taten, kritisiert Greenpeace Frankreich an anderer Stelle. So habe er zwar nach seiner Kür 2017 das "Wohlergehen der Umwelt" als Priorität seiner Amtszeit verkündet, ein Glyphosat-Verbot bis 2020 versprochen und wiederholt gewarnt, dass die Corona-Pandemie die Klimakrise nicht in den Hintergrund drängen dürfe. Dennoch hätten Umweltverschmutzer von Corona-Hilfen profitiert, das Aus für Glyphosat wurde aufgeschoben und die Laufzeit eines Kohlekraftwerks in Frankreich verlängert, meint Greenpeace.

Kritik an Macron, der einst die Initiative "Make the Planet Great Again" ins Leben rief, ertönt auch immer wieder von Grünen-Politikern – etwa nach einem zweistündigen Interview mit dem Präsidenten auf Frankreichs größtem TV-Sender TF1 im Dezember, weil das Thema Klimawandel keine einzige Erwähnung fand. Auch die Zahlen sprechen für sich: Der Ausbau der erneuerbaren Energien schreitet im Schneckentempo voran, es gibt null Offshore-Windparks, und Frankreich, der Gastgeber der Pariser Klimakonferenz 2015, konnte laut Berichten seine Reduktionsziele für den CO2-Ausstoß erst erreichen, als diese herabgesetzt wurden.

Macron will Klima- und Wirtschaftsziele vereinen

Dabei sind Macron und sein Kabinett durchaus bemüht, sich das Thema auf die Fahnen zu heften. So präsentierte Macron am One Ocean Summit vergangene Woche in Brest neue Umweltschutzpläne. Unter anderem soll der Schutz der französischen Antarktisgebiete ausgeweitet werden. Bei seiner Rede zum Start der französischen EU-Ratspräsidentschaft im Jänner nannte Macron den Klimawandel als die größte Herausforderung für den europäischen Kontinent. Dabei lobte er die Staatengemeinschaft für die gemeinsame Zielsetzung in puncto Klimaneutralität 2050 im Rahmen des Green Deal und rief dazu auf, nun Taten folgen zu lassen. Es sei etwa an der Zeit, ein CO2-Preissystem für Importgüter an den EU-Außengrenzen einzuführen und Maßnahmen gegen die Entwaldung zu setzen.

Wie Frankreich den Green Deal vorantreiben will, hat Macron in einer Rede im Dezember ausgelegt: Der Klimawandel ist demnach kein Schwerpunkt des Programms der französischen EU-Ratspräsidentschaft, soll aber eng mit Macrons wirtschaftlichen Ambitionen verknüpft werden. So forderte der französische Staatschef die Industrie auf, "Lösungen für die Dekarbonisierung unserer Wirtschaft zu finden, die mit der Wachstumsagenda vereinbar sind".

Besuch von Umweltministerin in Wien

Des weiteren will man im Rahmen der Präsidentschaft den Kampf gegen Umweltverbrechen vorantreiben. Das hat die französische Ministerin für ökologischen Wandel, Barbara Pompili, am Montag bei einem Besuch in Wien betont. Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Klimakrise müssten EU-Recht sowie auch nationale Gesetze nachgeschärft werden, sodass Umweltverbrechen – wie illegale Abholzung, Fischerei und Abfallwirtschaft – besser geahndet werden können.

Ihrem Treffen mit Amtskollegin Leonore Gewessler (Grüne) hatte Pompili gelassen entgegengesehen. Und das, obwohl Pompilis Besuch kurz nach jener umstrittenen Entscheidung der EU-Kommission erfolgte, die für Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen eine Einstufung als klimafreundlich erlaubt. Paris hatte sich stark für den Entschluss eingesetzt, Gewessler hat bereits eine Klage gegen die sogenannte Taxonomie angekündigt.

Trotz unterschiedlicher Standpunkte laufe die Zusammenarbeit bei Klimaschutzthemen mit Österreich gut, so Pompili. Die ehemalige Grünen-Politikerin galt früher übrigens als ausgesprochene Atomkraftgegnerin. Seit eineinhalb Jahren dient sie in der Regierung von Macron, der erst kürzlich einen massiven Ausbau und die "Renaissance" der Atomkraft angekündigt hat. Sie steht nun im Zentrum der französischen Klimaschutzpolitik. Mit dem Ziel der Klimaneutralität hätten sich die Prioritäten geändert, erklärt Pompili auf STANDARD-Nachfrage. In Frankreich sei die Ausgangslage eine andere als in Österreich: Rund 70 Prozent des produzierten Stroms stammen aus Atomkraftwerken. Da könne man dem Atomstrom nicht einfach den Stecker ziehen. Vorrangiges Ziel sei es, die Treibhausgasemissionen auf null zu reduzieren – und hierbei gelte es, keine Zeit zu verlieren. Dazu könne die Atomenergie beitragen, so Pompili, die betont, dass sie diese angesichts der Sicherheitsbedenken keineswegs als "sauber" einstufe. Die EU-Taxonomie sei aus französischer Sicht in erster Linie ein wichtiges "Werkzeug" zur Bewerkstelligung der Energiewende.

Laut Umfragen steht eine Mehrheit der Franzosen hinter der Atomenergie. Es scheint, als werde der Klimawandel im Wahlkampf derzeit lediglich über die Atomdebatte abgehandelt. Die rechten Herausforderer des Präsidenten, Zemmour und Le Pen, setzen sich jeweils für "ein Maximum an Atomkraft" und gegen jedes weitere Windrad ein. Le Pen liegt in Umfragen bei rund 17,5 Prozent, Zemmour bei 15 Prozent. Der Kandidat der französischen Grünen, der Atomkraftgegner Yannick Jadot, kritisierte dagegen in einem Zeitungskommentar den von Macron angekündigten Ausbau der Atomkraft und das Verfehlen eigener Klimaziele. Die Grünen-Wähler in Frankreich stammen vor allem aus den Großstädten, Jadot liegt in aktuellen Umfragen nur bei knapp 4,5 Prozent. (Flora Mory, 16.2.2022)