Bilder, die das russische Verteidigungsministerium veröffentlicht hat, zeigen einen angeblichen Truppenabzug von der ukrainischen Grenze. Unabhängige Bestätigungen dafür liegen bisher nicht vor.

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Auf diesem Videostandbild, das das russische Verteidigungsministerium am Mittwoch veröffentlichte, überqueren Panzer auf Tiefladern die neue Krim-Brücke Richtung Osten.

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Polens Kiew/Moskau – Laut dem russischen Verteidigungsministerium haben Truppen des südlichen Militärdistrikts ihre Übungen auf der Krim abgeschlossen und kehren in ihren Basen zurück. Im Staats-TV waren Bilder ihres Abzugs zu sehen. Allerdings war unklar, um wie viele Soldaten und Truppenteile es sich dabei handelt.

Zudem liegt der südliche Militärdistrikt nahe an der Ukraine. Die Soldaten könnten also im Fall eines Angriffes schnell wieder zusammengezogen werden. Jene aus weiter entfernten russischen Regionen wurden bisher offenbar nicht abgezogen. Nach Erkenntnissen der Nato setzt Russland seinen Truppenaufmarsch im Grenzgebiet zur Ukraine hingegen fort.

Polen sieht Zeichen für Entspannung

Polens Vizepremier Jarosław Kaczyński erklärte am Mittwoch, die Lage habe sich etwas entspannt: "Die Situation ist heute besser als gestern oder vorgestern", sagte er dem staatlichen Sender Polskie Radio 24.

China beschuldigt die USA, die Gefahr tatsächlicher Kriegshandlungen zu übertreiben und Spannungen zu erzeugen. Solche andauernden Übertreibungen und Desinformation durch manche westliche Länder würden Unsicherheit, Unruhe und Spaltung sorgen, sagte Wang Wenbin, ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Mittwoch vor der Presse.

Russland gibt sich verhandlungsbereit

Der russische Präsident Wladimir Putin hat unterdessen am Mittwoch die Aufforderung des russischen Parlaments zurückgewiesen, die ostukrainischen Separatistengebiete als unabhängig anzuerkennen. Eine Anerkennung der Volksrepublik Donezk und der Volksrepublik Luhansk wäre eine Verletzung der Minsker Abkommen, erklärte Putin.

Putin hat nach Angaben des russischen Präsidialamts seine Bereitschaft zu Verhandlungen über die Ukraine-Krise betont. Er befürworte Verhandlungen und Diplomatie und sehe die Gesprächsbereitschaft von US-Präsident Joe Biden positiv, teilte das russische Präsidialamt am Mittwoch in Moskau mit. Der Kreml begrüße Bidens direkten Appell an die russischen Bürger. Es wäre aber noch besser, wenn er das ukrainische Volk aufgefordert hätte, nicht mehr aufeinander zu schießen.

Stoltenberg: Bewegungen sind kein "wirklicher Rückzug"

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg äußerte erneut Bedenken an der Darstellung Russlands, dass ein Teilabzug nahe der Ukraine stationierter Truppen stattgefunden hat. "Es bleibt abzuwarten, ob es einen russischen Rückzug gibt (...) Was wir sehen, ist, dass sie die Zahl ihrer Truppen erhöht haben und weitere Truppen auf dem Weg sind", sagte Stoltenberg zu Beginn eines zweitägigen Treffens der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel. Ein Beweis für den Abzug wäre laut Stoltenberg nötig, da "die Bewegung von Truppen, von Kampfpanzern" keinen "wirklichen Rückzug" bestätige. Der Kreml weist Vorwürfe über einen weiteren Aufmarsch zurück.

Russland weist Verantwortung für Cyberangriff von sich

Am Mittwoch teilte das ukrainische Verteidigungsministerium außerdem mit, dass der Cyberangriff vom Vortag, der das Webportal des Ministeriums lahmgelegt hatte, ein Denial-of-Service-Angriff (DoS) von Hackern war, der immer noch andauere. Die Hacker hatten es offenbar geschafft, Schwachstellen im Programmiercode der Webseite ausfindig zu machen. Bis zur vollständigen Behebung des Angriffs werde der Webseiten-Traffic auf US-Server umgeleitet, hieß es. Der Kreml erklärt, Russland habe nichts mit jeglichen DoS-Angriffen zu tun.

Biden hält Angriff weiter für möglich

Am Dienstagabend hatte US-Präsident Joe Biden in einer TV-Ansprache gemeint, dass er einen russischen Angriff auf die Ukraine weiterhin für möglich halte. Den USA lägen bisher keine Belege vor, dass russische Einheiten abgezogen worden seien. Auf die russischen Sicherheitsbedenken könne eingegangen werden. Die USA böten neue Rüstungskontrollen und andere Maßnahmen an. Russland hatte zuvor einen Teilabzug der nahe der ukrainischen Grenze stationierten Truppen angekündigt.

Zudem warb Biden für eine diplomatische Lösung. "Wir sollten Diplomatie jede Chance auf Erfolg geben", erklärte er. Die USA versuchten auch nicht, Russland zu destabilisieren. "An die Bürger Russlands: Sie sind nicht unser Feind."

Tanner sieht "ersten Funken von Hoffnung"

Österreichs Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) bezeichnete die russische Abzugsankündigung als einen Schritt der Deeskalation. "Ich nenne es einen ersten Funken von Hoffnung", sagte sie. Es sehe so aus, "als wäre dieser Truppenabzug teilweise durchaus passiert". Tanner versicherte, dass die Lage "laufend" analysiert werde. Sie ändere sich binnen Stunden. "Oberste Priorität muss immer der Dialog haben, der Dialog zwischen Russland und dem Westen", sagte Tanner.

US-Militärkonvoi in Tschechien eingetroffen

Unterdessen ist der erste von sieben US-Militärkonvois auf dem Weg von Bayern zu einer Übung in der Slowakei in Tschechien eingetroffen. Die Fahrzeuge passierten am Dienstagabend den Grenzübergang Waidhaus-Rozvadov. Insgesamt beteiligen sich im Rahmen der Nato-Großübung "Saber Strike 2022" (Säbelhieb) rund 1.500 US-Soldaten mit etwa 700 Fahrzeugen an dem Transport. Die tschechische Armee hat in der Nähe von Jihlava ein Feldlager mit knapp 40 Zelten und Verpflegungseinrichtungen als Zwischenstation eingerichtet. Die Rückkehr der US-Einheiten soll in der zweiten Märzhälfte erfolgen. Tschechien ist seit 1999 Nato-Mitglied. (met, APA, 16.2.2022)