Julian Hessenthaler wird beschuldigt, in den Jahren 2017 und 2018 1,25 Kilogramm Kokain verkauft haben. Er bestreitet das. Die Vorwürfe wurden im Rahmen der Ermittlungen zum Ibiza-Video erhoben.

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Ein Jahr, zwei Monate und zehn Tage nach seiner Verhaftung ist Julian Hessenthaler noch immer im Gefängnis – und wird es bis auf weiteres bleiben. Auch am Mittwoch, dem fünften Prozesstag, gab es kein Urteil in der Causa um den Drahtzieher des Ibiza-Videos, das Auslöser zahlreicher Korruptionsermittlungen war.

Der Grund: Die Verteidigung des Privatdetektivs hat die Befragung der Mutter des Hauptbelastungszeugen beantragt, die sich in Serbien aufhält. Diese konnte nicht rechtzeitig organisiert werden, da die Kommunikation mit Serbien "sehr schwierig" sei, so der Richter. Die Befragung abzulehnen wäre hingegen ein Nichtigkeitsgrund.

Ein weiterer Termin ist nun im März vorgesehen. Die Dauer des Verfahrens sorgt bei der Verteidigung für Ärger: Es hätte "längst, und zwar am ersten Tag", einen Freispruch geben sollen, findet Hessenthalers Anwalt Oliver Scherbaum.

Anklage fußt auf Zeugenaussagen

Hessenthaler wird vorgeworfen, 1,25 Kilogramm Kokain verkauft zu haben. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 15 Jahre Haft. Die gesamte Anklage fußt auf den Aussagen zweier Zeugen, des verurteilten Drogendealers Slaven K. und seiner ehemaligen Geliebten Katarina H. Sie behaupten, bei drei Treffen Drogen von Hessenthaler erworben zu haben. Teils hätten sie diese konsumiert, teils weiterverkauft.

Allerdings widersprachen sich die beiden im Verlauf des Prozesses immer wieder. Zum Teil revidierten sie die eigenen Aussagen. Slaven K., ein ehemaliger Geschäftspartner Hessenthalers, hatte diesen etwa während seines eigenen Drogenprozesses nicht belastet, änderte seine Aussage aber später. Er gab an, das getan zu haben, weil Hessenthaler seine Mutter bedroht habe. Diese war bereits zuvor von Ermittlern vernommen worden, allerdings wollen nun Hessenthalers Verteidiger vor Gericht mit ihr sprechen.

Hessenthaler selbst wurde am Mittwoch dazu befragt, ob er sich 2017 und 2018 in finanzieller Not befand – und das Geld durch den Drogenhandel brauchen konnte. Thematisiert wurde der Verkauf einer Firma und der Versuch, das Ibiza-Video gegen Geld zu verbreiten. Hessenthaler bestreitet, monetäre Sorgen gehabt zu haben – es gebe Anhaltspunkte, die das bestätigen würden.

Psychologisches Gutachten

Später präsentierte eine Gutachterin die Ergebnisse einer psychologischen Untersuchung von Katarina H. Diese musste zuvor ihre erste Aussage abbrechen, da sie eine Panikattacke erlitt. Bei ihrer zweiten Vernehmung gab sie an, Angst vor Hessenthaler und Slaven K. zu haben. Die darauffolgenden Fragen beantwortete sie zum Teil widersprüchlich. Das Gutachten bezüglich ihrer psychischen Zurechnungsfähigkeiten ließ den Schluss zu, dass H. zwar in der Vergangenheit an einer posttraumatischen Belastungsstörung gelitten habe, dieses Krankheitsbild aber nicht mehr erfülle. Dennoch könne es zu Triggern kommen, potenziell etwa bei einem Treffen mit K. oder Hessenthaler. Thema war zudem H.s Sprachkompetenz: H. wurde bei ihrer zweiten Zeugenvernehmung im November mithilfe einer Dolmetscherin befragt.

Der Richter damals hatte den Eindruck, dass sie ihn nicht verstehe. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass H. schlechter Deutsch spreche, als man zunächst annehmen könnte. Der Richter wunderte sich am Mittwoch offenkundig, wie es sein kann, dass H. mehrfach von der Polizei ohne Übersetzung vernommen wurde – schließlich waren ihm die Probleme sofort aufgefallen.

Prozess steht in Kritik

Hessenthaler bestreitet sämtliche Vorwürfe, seine Verteidigung brachte ins Spiel, dass Slaven K. Hessenthaler womöglich für Geld falsch belaste. K. dementiert das. Dessen eigener Drogenprozess war von einem Blogger, der in der Vergangenheit geschäftliche Beziehungen zu Novomatic hatte, finanziert worden. Zudem hatte er nachweislich gemeinsam mit einem Kollegen 55.000 Euro von dem Blogger erhalten. Dieser Mann stand auch in Kontakt mit der Polizei und versorgte diese mit Hinweisen, die sich später zum Teil als falsch entpuppten. Das Geld sei für Informationsaustausch gezahlt worden, hieß es.

Der Prozess ist von Anfang an massiv in die Kritik geraten: In einem offenen Brief monierten 15 NGOs im September, darunter Amnesty International, dass die Behörden die Vorwürfe ausufernd verfolgen würden, um Hessenthaler mundtot zu machen. Der Verdacht war im Rahmen massiver Überwachungsmaßnahmen entstanden. Neben dutzenden Observationen von Einzelpersonen wurden zahlreiche Telefongespräche abgehört, Hausdurchsuchungen durchgeführt und Standortdaten ausgeforscht. (Muzayen Al-Youssef, Lara Hagen, 16.2.2022)