Der Anlageberater Bernhard Führer setzt sich im Gastblog kritisch mit Lebensversicherungen auseinander.

Neuerdings bewerben Versicherungsgesellschaften wieder lauthals neue Lebensversicherungsprodukte. Auf derzeitige und vergangene Missstände, hohe Kosten, intransparente Gebühren, lange Laufzeiten und dass Versicherungsnehmer nur mit hohen Abschlägen wieder aus den Verträgen hinauskommen, werden die Kundinnen und Kunden jedoch selten hingewiesen. Gerade das wollen verständlicherweise viele Konsumenten und Konsumentinnen nach einigen Jahren aufgrund der mangelnden oder negativen Erträge dieser Produkte.

Das zieht bereits so weite Kreise, dass eigene Gesellschaften gegründet werden, um den Versicherungsnehmenden zu ihrem Recht zu verhelfen – gegen Erfolgsbeteiligung. Sowohl klassische als auch fondsgebundene Lebensversicherungen haben neben geförderten Pensionsvorsorgen zunehmend Versicherungsnehmende enttäuscht. Auf hochtrabende Versprechungen folgen zumeist zermürbende Ergebnisse. Hinzu kommt, dass die Versichernde enorme Probleme haben, ordentliche Erträge zu erwirtschaften. Verantwortlich dafür ist jedoch nicht nur das niedrige Zinsniveau.

Konsumenten und Konsumentinnen bleiben auf der Strecke

Lange Zeit erfreuten sich Lebensversicherungen hoher Beliebtheit. Sei es als Tilgungsträger für die Rückzahlung von Fremdwährungskrediten (aufgrund enttäuschender Resultate für die Kreditnehmenden gesetzlich kaum mehr erlaubt) oder für den Vermögensaufbau und die Kapitalbindung. Die mangelnden Leistungen und Renditen dieser Versicherungen führten dazu, dass immer mehr Konsumenten aus diesen Versicherungen aussteigen wollten. Die intransparente Gestaltung dieser Produkte und damit verbundenen hohen Kosten sind im Wesentlichen, neben den derzeit niedrigen Zinsen, für die mangelnden Erträge von Lebensversicherungen verantwortlich. Fondsgebundene Lebensversicherungen, die derzeit Zuwächse erzielen, stellen eine Alternative zu den klassischen Lebensversicherungen dar. Jedoch sind diese nicht das Allheilmittel, da auch hier die Nebenkosten die Rendite enorm schmälern und die Versicherungen den Versicherungsnehmenden hohe Gebühren aufbürden.

Zumeist erzielen auch diese Renditen unterhalb der jährlichen Preissteigerungen (Inflation) oder mitunter auch unterhalb dessen. Da die Verträge von Lebensversicherungen jahrzehntelang laufen, macht es dies für die Konsumenten und Konsumentinnen nicht einfacher. Darüber kann die steuerliche Begünstigung (bei Einzahlung fällt eine ertragsunabhängige Versicherungssteuer an) nicht hinwegtäuschen, zumal aufgrund der Steuerreform von 2016 neu abgeschlossene Versicherungen nicht mehr absetzbar sind und sich die Stimmen mehren, welche ohnehin einen Entfall der Kapitalertragsteuer von Wertpapieren bei einer Haltedauer von über ein Jahr befürworten.

Lebensversicherungen sind schwer zu durchschauen und bergen auch Fallen.
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Für Anleger, Anlegerinnen, Konsumenten und Konsumentinnen sind Lebensversicherungen häufig schwer zu durchschauen. Hohe, kaum beachtete und nicht transparent ausgewiesene Kosten und (teurere) Produkte innerhalb der abgeschlossenen Versicherungen, die überdies häufig unterdurchschnittliche Erträge erzielen, werden da leicht übersehen. So werden in der Regel zwischen vier und elf Prozent an Steuern fällig. Verwaltungskosten liegen zwischen zwei Prozent auf jährlicher Basis oder sechs bis acht Prozent bei monatlicher Prämienzahlung. Die Abschlusskosten betragen das ein- bis eineinhalbfache der Jahresprämie und ebenso fallen Gebühren für den Risikoanteil an. Hinzu kommen Inkassokosten für die Einhebung der laufenden Prämien, Mehraufwendungen, wie das Ausstellen einer Ersatzpolizze oder Mahnungen. Dazu kommt, dass die Versicherung zumeist auf teure Veranlagungsprodukte setzen, welche darüber hinaus noch schlechtere Renditen als kostengünstigere Alternativen liefern (häufig fließen hier im Hintergrund Bestandsprovisionen). Diese können wieder einige Prozentpunkte an Kosten verursachen.

Leider merken das die Konsumenten und Konsumentinnen erst viel zu spät und Jahre später wollen sie aus diesen Verträgen aussteigen. Dies veranlasst verständlicherweise viele Versicherungsnehmende eine vorzeitige Kündigung in Erwägung zu ziehen.

Den Kopf aus der Schlinge ziehen

Dreh- und Angelpunkt ist dabei der "Rückkaufwert", den man im Regelfall bei einer Vertragskündigung (Rückkauf) erhält. Dieser ist zumeist das eingezahlte Kapital plus Kapitalerträge abzüglich eines etwaigen vertraglich festgelegten Abschlags. Dieser Abschlag kann mitunter erheblich sein. Dennoch kann es aufgrund der mangelnden unterdurchschnittlichen Erträge für die Versicherungsnehmenden von Vorteil sein, Verträge lange nach Vertragsabschluss aufzulösen, da durch die Rechtsprechung des EuGH, aufgrund fehlerhafter Rücktrittsbelehrungen ein Spätrücktritt häufig möglich ist. Viele Versicherungsnehmende können dann bei der Rückabwicklung einen höheren Auszahlungsbetrag als den Rückkaufwert erhalten, nämlich weitgehend die eingezahlten Prämien mit anteiligen Zinsen, falls diese nicht verjährt sind.

Eine Rückabwicklung von Lebensversicherungen, die zwischen dem 1.1.1994 und dem 31.12.2015 abgeschlossen wurden, ist möglich. AK-Ökonom Christian Prantner wies im Gespräch darauf hin, dass die Umsetzung eines EuGH-Urteils im Zuge einer gesetzlichen Novelle am 1.1.2019 zugunsten der Versicherungsgesellschaften erfolgte, sodass nach wie vor eine rechtliche Unsicherheit bei neuen als auch alten geschlossenen Versicherungsverträgen besteht. Die Rechtsfolgen des Spätrücktritts in Österreich sind für viele tausende Versicherungskundinnen und -kunden somit weiterhin offen und wahrscheinlich sind Ansprüche nur gerichtlich durchzusetzen. Einer erst kürzlich ergangenen Entscheidung des OGH kann entnommen werden, dass ein wichtiger Aspekt im Sinne der Versicherungsnehmenden entschieden wurde. Diese klärt wichtige offene Fragen des Spätrücktritts bei Veranlagungsverlusten von fonds- oder indexgebundenen Lebensversicherungen. Demnach kann der Spätrücktritt für den Versicherungsnehmenden sinnhaft sein, da im Falle etwaiger Veranlagungsverluste der OGH das Veranlagungsrisiko dem Versichernden zuweist. Laut OGH-Urteil muss der Versichernde dem Versicherungsnehmenden jedoch nicht die Risikoprämie und die Versicherungssteuer erstatten.

Laut Benedikta Rupprecht aus der Abteilung Konsumentenpolitik der AK werden die Konsumentinnen und Konsumenten generell beim Abschluss von Lebensversicherungen oft nicht ausreichend über die Produkteigenschaften und die nachteiligen finanziellen Auswirkungen einer vorzeitigen Kündigung vor Laufzeitende aufgeklärt, die in Form von hohen Abschlägen den Rückkaufswert verringern. Provisionsgetriebener Vertrieb, bei dem Versicherungen nicht gekauft, sondern verkauft werden, ist eine der Ursachen für den Abschluss von ungeeigneten Produkten mit zu langen Laufzeiten. Wenn dann einige Jahre später große Anschaffungen anstehen, ist es oft notwendig bestehende Lebensversicherungen vorzeitig aufzulösen.

Kunden und Kundinnen berichten in der AK-Konsumentenberatung, dass sie oft zu wenig über die hohen Kosten von diesen Produkten informiert wurden und wundern sich daher, dass anders als etwa bei einem Sparbuch eingezahlte 100 Euro nicht wieder voll ausbezahlt werden.

Wenig Klarheit

Die wenigsten Anlegenden und Konsumenten und Konsumentinnen sind sich klar darüber, dass aufgrund mangelnder Erträge von Versicherungen, eines vorherrschenden niedrigen Zinsniveaus und unzureichender Produkte und hoher Kosten und Gebühren, Versicherungen nicht immer die Resultate erzielen, die sich Anleger wünschen. Die bestehende rechtliche Unsicherheit, mangelnde Transparenz, provisionsgetriebener Verkauf und kaum existente Unabhängigkeitserfordernisse tragen das Ihre dazu bei. (Bernhard Führer, 23.2.2022)