Kurz vor Linz sprengt es mir die Klingel vom Rad. Ich musste es nämlich an der Aufhängevorrichtung im Zug ganz besonders eng an die anderen Räder zwängen, weil jemand einen – eh leeren, keine Sorge! – Kinderwagen ausgerechnet im Radbereich abgestellt hatte. Beim Herunterhieven muss also die Klingel dran glauben. Die Frau, die mit ihrem Rollkoffer unbedingt schon fünf Minuten vor Ankunft die Tür verstellen musste, schnaubt nur verächtlich.

Fast schon ein Naturgesetz: Wenn die Temperaturen steigen, werden die Fahrradplätze in den Zügen rar.
Foto: Getty Images/iStockphoto/Suzi Media Production

Schließlich steht mein Rad leicht ramponiert wieder auf seinen zwei Rädern, meine Hose ist von den Reifen dreckig und Linz erreicht. Das Rausbugsieren um die Kurve zur Zugtür und die Stufen hinunter auf den Bahnsteig wirkt da schon fast entspannend. Draußen brauche ich trotzdem eine Pause.

Faltrad als Antwort

Die Fahrradmitnahme ist in Österreichs Fernreisezügen, diplomatisch formuliert, ausbaufähig. Das weiß Wilhelm Grabmayr. Er ist Bahnbeauftragter der Fahrradlobby, die sich für die Interessen der Menschen mit zweirädrigem Untersatz einsetzt, auch bei der ÖBB: "Mein neues Elektrorad würde ich nie in einen Railjet kriegen", sagt Grabmayr. Daher hat er sich mit seinem Klimaticket ein Faltrad zugelegt, das er nun deutlich unkomplizierter wie ein Gepäckstück transportieren kann. Dafür erntet er auf dem Bahnsteig von Menschen wie mir neidische Blicke.

Denn für Räder, die man nicht einfach so hurtig zusammenlegen kann, sind Kraft, innere Gelassenheit und der eine oder andere Trick nötig – das Knie beim Aufstellen des Rades als Bremsklotz verwenden, die Bremse dabei immer schön gedrückt halten –, bis man es im Haltebügel an der Decke des Zuges verstaut hat. Ein Schaffner riet mir einmal dazu, mein Rad doch einfach am Bahnsteig zu zerlegen. Dann könnte ich es zumindest im Gepäckfach verstauen.

Das Problem ist: Die Railjets wurden nicht für Fahrräder gebaut – ursprünglich war gar kein Platz dafür vorgesehen. Später wurde, auch auf Betreiben der Radlobby, auf immerhin fünf Plätze pro Garnitur direkt bei der Lok aufgestockt. Diese müssen allerdings vorab reserviert werden und kosten online drei Euro.

Keine Berührungsängste

In der kalten Jahreszeit sind die Plätze oft verwaist. Aber sobald der Frühling kommt, sind sie jedes Jahr bummvoll. Wer sich spontan zu einer Radtour entschließt, muss sich oft mit langsameren Nahverkehrszügen durchhanteln. Hier braucht es zwar keine Reservierung. Aber wer schon einmal mit dem Rad bei Kaiserinnenwetter am Neusiedlersee war und abends zurück nach Wien musste, der weiß: Für den Trip sollte man besser keine Berührungsängste mit anderen Menschen und ihren Fahrrädern haben.

In den Fernverkehrszügen ist es mit dem Unterbringen des Rades zudem nicht getan. Ist der Zug voll, findet sich oft nur ein Sitzplatz, von dem aus man sein Gefährt nicht permanent im Blick hat. Dann kann man sich entweder das Genick ausrenken, um einen Blick zu erhaschen – oder beten, dass Fahrraddieben der Zug zum Fladern vermutlich eh auch zu mühsam ist.

Wer mit dem Rad verreist, braucht in vielen Zügen Kraft, innere Gelassenheit – und den einen oder andere Trick, um sich die Hose nicht dreckig zu machen.
Foto: ÖBB / Eisenberger

Immerhin wird es dazu bald eine Neuerung geben, heißt es auf meine leicht frustrierte Nachfrage bei der ÖBB. Ja, auch bei der Bahn bemerkt man den Fahrradboom, bei dem wohl auch die Corona-Pandemie eine Rolle gespielt hat. Genaue Zahlen dazu, wie sich die Fahrradreservierungen entwickelt haben, habe man nicht. Aber zumindest mein steifer Nacken könnte sich bald entspannen: Schon heuer bekommen alle Railjets eine speziell gekennzeichnete Zone für die Besitzerinnen und Besitzer der Fahrräder. Damit soll es leichter werden, einen Platz in der Nähe seines Fahrrads zu ergattern. Wilhelm Grabmayr wünscht sich, dass die Reservierung für den Platz dann auch gleich in den drei Euro fürs Rad inkludiert ist.

Die bestehende Nachtzugflotte wird außerdem modernisiert. 22 Sitzwagen werden zu Multifunktionswagen, in denen dann auch drei Fahrradabstellplätze vorgesehen sind. In den Nightjets und den neuen Railjets, die ab 2024 auf Schiene sind, wird es einen Niederflurwagen mit sechs Radabstellplätzen geben, die über eine Rampe erreicht werden können. Und gute Neuigkeiten für mich und mein bockiges Citybike: "Dank Schlaufen zum Fixieren ist ein Hochheben der Räder zukünftig nicht mehr erforderlich", erklärt ÖBB-Pressesprecherin Julia Krutzler.

Kompliziertes Reisen

An schönen Frühlings- und Sommertagen werden die Plätze trotzdem wieder viel zu schnell weg sein. Aber wer mit seinem Rad schon einmal im Ausland unterwegs war, kann sich trösten: Anderswo ist die Situation noch mühsamer.

"Das Problem ist in jedem Land anders", sagt Ulrich Kiermayr von der Radlobby, der mit seinem Tourenbike schon in ganz Europa unterwegs war: "Oft gibt es nicht einmal eine konsistente Möglichkeit, überhaupt rauszufinden, ob man Fahrräder mitnehmen kann."

Die ÖBB-App weiß zum Beispiel nichts über Abstellplätze in Frankreichs Fernreisezügen. Und das französische Pendant hat keine Ahnung, was in Deutschland oder Österreich möglich ist. In Spanien wiederum hat sowieso jede Bahnverwaltung ihren eigenen Fahrplan.

"Man muss sich das selber zusammenstückeln", sagt Kiermayr. Darum kann man auch oft keine durchgängigen Züge buchen, was Zugverspätungen zur Zitterpartie werden lässt. "Wir sind mal nach einem verpassten Anschluss 80 Kilometer geradelt, um am nächsten Tag den Anschlusszug von Straßburg zu erwischen", sagt er.

Umstiege reduzieren

Warum man sich die Mühe, mit dem Rad Zug zu fahren, trotzdem antun sollte: Die Mitnahme gibt einem viel Flexibilität. "Man kann einfach schauen, wie weit man kommt", sagt Kiermayr. Im Vergleich zur Flugreise muss man sein Gefährt so außerdem nicht zerlegen und hoffen, dass alle Teile ankommen.

Bei Reisen mit dem Rad zahle es sich jedenfalls aus, die Zahl der Umstiege zu reduzieren, weil immer irgendwo ein Aufzug kaputt ist. "Wir sind schon mal durch den Münchner Hauptbahnhof geradelt, um den Zug zu erwischen", sagt Kiermayr.

Aber auch das Ankommen am Zielort will wohlüberlegt sein: Kiermayr reist immer mit einem GPS-Gerät, um sich dann vom Bahnhof aus durchzusuchen. "In Paris braucht man einen Tag, bis man überhaupt aus der Stadt draußen ist."

Linz ist nicht Paris. Das ist schade, weil ein Eiffelturm dem Hauptplatz gut stehen würde. Für mich ist es aber ein Vorteil: Denn mein Rad trägt mich innerhalb kürzester Zeit übers Kopfsteinpflaster der Innenstadt und entlang der Donau ins Mühlviertel. Das funktioniert zum Glück auch ohne Klingel. (Franziska Zoidl, 19.2.2022)