Antifranzösische Gefühle kochen in Bamako derzeit hoch.

Foto: EPA / Hadama Diakite

Es war eine schwierige diplomatische Übung, aber eine, die der französische Präsident Emmanuel Macron beherrscht: als perfekter Gastgeber zu erscheinen, die Gäste auf seinen geopolitischen Kurs einzuschwören – und gleichzeitig zu beteuern, dass es nicht um Frankreich gehe, sondern um europäische Interessen.

Eingeladen waren am Mittwoch im Élysée-Palast Staats- und Regierungschefs des afrikanischen Verbunds G5 Sahel sowie der europäischen Takuba-Mission. Sie sind Partner der französischen Operation Barkhane (5.000 Soldaten, bisher 50 Tote), die seit zehn Jahren versucht, im Norden Malis die aus Libyen und Algerien einfallenden Jihadisten zu vertreiben.

Scholz glänzt mit Abwesenheit

Anwesend waren auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Italiens Ministerpräsident Mario Draghi, dessen Land 200 Mann und sechs Hubschrauber in die Takuba-Truppe entsandt hat. Nicht dabei war der deutsche Kanzler Olaf Scholz. Die Absenz war umso auffälliger, als die Frage eines allfälligen Rückzugs der Europäer aus Mali vor allem in Deutschland diskutiert wird.

Macron wollte die Frage auch beim Arbeitsessen zur Debatte stellen. Laut Pariser Medien ist die Entscheidung aber bereits gefallen: Die Soldaten sollen Mali verlassen. Allerdings nicht die Region: Die Europäer sollen in Zukunft im Nachbarland Niger oder anderen G5-Staaten wie dem Tschad stationiert sein.

Frankreichs Botschafter des Landes verwiesen

Um einen bloßen Standortwechsel handelt es sich mitnichten. Frankreich fühlt sich richtiggehend aus Mali geworfen. Die Junta, die in Bamako seit einem doppelten Staatsstreich 2020 und 2021 an der Macht ist und mit internationalen Sanktionen belegt wurde, fährt einen offen antifranzösischen Kurs. Den Botschafter Frankreichs haben die Generäle im Jänner des Landes verwiesen.

Das Zerwürfnis zwischen Paris und der im 19. Jahrhundert gegründeten Kolonie geht tief. Auf Demos in Bamako tragen junge Malier vorgedruckte Transparente mit Inschriften wie "Nieder mit Emmanuel Macron, es lebe Russland". Der französische Geheimdienst hat offenbar Belege, dass diese antifranzösischen Ressentiments direkt im Kreml geschürt werden. Der russische Präsident Wladimir Putin hat dem Regime Waffen geliefert, und die Moskauer "Sicherheitsfirma" Wagner ist im Wüstengebiet des Landes mit 400 Mann präsent.

Neue Partner gesucht

Die Franzosen empfinden den Rückzug aus Mali als schändliche Niederlage. Anstelle der Europäer holt der malische "Übergangspräsident" Assimi Goïta nun nicht nur Russen nach Bamako. Er knüpft vor allem Bande zu islamischen Ländern. Außenminister Abdoulaye Diop hat in den letzten Tagen dem Iran und Katar einen Besuch abgestattet und wirtschaftliche wie auch finanzielle Abkommen geschlossen. Zuvor hatte die Regierung den Botschafter der Türkei empfangen. Auch China ist vorstellig geworden.

Diese geopolitische Kehrtwende des westafrikanischen Schlüsselstaates Mali erinnert fast an die 1960er-Jahre, als sich das unabhängig gewordene Land zunächst der Sowjetunion zuwandte. Heute hat Paris dieser Entwicklung wenig entgegenzusetzen. Burkina Faso scheint nach einem Putsch in ein ähnliches Fahrwasser zu geraten.

Ambivalente Position

Auch deshalb versucht Macron, die anderen Europäer zu mobilisieren. Sein unausgesprochenes Ziel ist es, die Putschisten in Mali und Burkina Faso international zu isolieren. Ob er die EU-Mitglieder dafür gewinnen kann, muss sich weisen. Denn wie auch die spanische Regierung durchblicken ließ, bleibt die französische Position ambivalent: Mit der Barkhane-Mission und nun der Truppenverlegung nach Niger verteidigt Paris durchaus europäische und westliche Positionen.

Aber so ganz selbstlos, wie es Macron gerne darstellt, sind seine Bemühungen auch nicht: Wenn sich Westafrika konsequent östlichen und islamischen Partnern öffnet, hat vor allem ein Land zu verlieren – Frankreich. (Stefan Brändle aus Paris, 16.2.2022)