Der Queen bleibt nichts erspart im 70. Amtsjahr: Nach dem Skandal um Andrew ermittelt die Polizei nun wegen undurchsichtiger Spenden im Umfeld von Charles.

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Ein drohender Krieg in Europa, kriminalpolizeiliche Ermittlungen gegen den Premierminister und sein Team in der Downing Street – nichts konnte die britischen Medien am Mittwoch von ihrer üppigen Berichterstattung über den bekanntesten Problemprinzen des Landes abbringen. Nach Andrews demütigendem Vergleich mit seiner Beschuldigerin Virginia Giuffre konzentrierte sich die Diskussion auf die Frage, wie der bekanntermaßen klamme Neunte der Thronfolge die nun fällige zweistellige Millionensumme zusammenkratzen soll. Kritiker des Königshauses verlangten eine Offenlegung der royalen Finanzen, die lokale Yorker Labour-Abgeordnete redete der Aberkennung von Andrews Herzogtitel das Wort.

Als hätte die Monarchie ausgerechnet im Jahr der 70. Thronbesteigung von Queen Elizabeth II nicht schon genug Negativschlagzeilen zu verkraften, wurde mittags eine weitere Hiobsbotschaft bekannt: Nun untersucht Scotland Yard undurchsichtige Vorgänge rund um die Millionenspenden eines saudischen Geschäftsmannes an eine Stiftung von Thronfolger Charles.

Unwissender Charles

Angeblich hatte dessen langjähriger Vertrauter Michael Fawcett dem steinreichen Araber als Gegenleistung den Ritterschlag, womöglich sogar die britische Staatsbürgerschaft versprochen. Fawcett legte nach der Veröffentlichungen in der Sunday Times sein Amt als Geschäftsführer der Stiftung nieder. Prinz Charles habe von den Vorgängen nichts gewusst, hieß es im Palast.

In dieser Hinsicht ähnelt der 73-Jährige seinem jüngeren Bruder. Auch Andrew, 61, hatte mehr als zehn Jahre lang alle Vorwürfe zurückgewiesen, die Giuffre, 38, gegen ihn vorbrachte: Dreimal, je einmal in London, New York und in der Karibik, sei sie, damals noch minderjährig, vor zwanzig Jahren von Andrew sexuell missbraucht worden.

Gemeinsames Foto

Der Prinz beteuerte, er sei "dieser Lady" nie begegnet. Dabei war längst ein Foto im Umlauf, das Andrew in inniger Umarmung mit Giuffre zeigt. Mit auf dem Bild: Ghislaine Maxwell, inzwischen wie der verstorbene New Yorker Andrew-Vertraute Jeffrey Epstein wegen Sexualverbrechen verurteilt.

Die Schlagzeilen des Boulevards fielen unisono brutal aus. Nur über die Höhe der Summe – die Vergleichsparteien haben Diskretion vereinbart – bestand keine Einigkeit: Handelt es sich um umgerechnet 11,9 Millionen Euro, wie die Daily Mail meldete? Oder muss der Herzog noch weitere zwei Millionen drauflegen? Jedenfalls habe die Öffentlichkeit ein Anrecht auf Transparenz, glaubt Graham Smith von der Lobbygruppe Republic.

Teure Vereinbarung

Andrew und seine Ex-Frau Sarah, mit der er in einem geräumigen Haus im Schlosspark von Windsor zusammenlebt, haben erst kürzlich ihr Ski-Chalet im schweizerischen Verbier zum Verkauf angeboten. Weitere Millionen wird die Queen aus der Kasse des Herzogtums Lancaster zur Verfügung stellen müssen.

Die Verlautbarung des New Yorker Gerichts lässt keinen Zweifel daran, welche der beiden Parteien die Oberhand hatte. Ausdrücklich lobt der Herzog Giuffre sowie andere Opfer sexuellen Missbrauchs für deren "Tapferkeit", bedauert zudem die "unfairen öffentlichen Attacken" auf sie. Ihm selbst sei nie daran gelegen, sich an der Verleumdung zu beteiligen – eine Aussage, die in krassem Widerspruch zu dem Vorgehen von Andrews Anwälten steht. Diese hatten Giuffre stets als geldgierige Dauerprozessiererin dargestellt.

Weitere Demut gefordert

Ein anderes Zeichen der Demut verlangte die Labour-Abgeordnete Rachael Maskell aus der nordenglischen Stadt York: Der Royal solle seinen Titel als "Herzog von York" schleunigst zurückgeben. Sämtliche militärischen Dienstgrade und royalen Schirmherrschaften hatte die Queen ihrem Drittgeborenen bereits im Jänner aberkannt. (Sebastian Borger aus London, 16.2.2022)