Vier Inhaftierten wurde die Welt da draußen kurzzeitig zu eng: Alaaeldin Dyab, Servan Durmaz, Igor Karbus und Nikita Buldyrski (v.li.).

Wien – Fünf Männer in der Justizanstalt: Einer hat bei einem Raubzug einen tödlichen Unfall verursacht, ein anderer seine Frau halb tot geschlagen, wieder ein anderer hat sich in kriminelle Banden eingemischt, seine Freundin wurde dabei getötet. Im Stück Knechte von Caren Jeß geht es aber nicht um individuelle Schuld, sondern um Strukturen, die Menschen und ihr Verhalten prägen, auch um soziale Deklassierung.

In Knechte sind Männer nicht nur im Knast gefangen, sondern – und das hängt hier absichtlich zusammen – auch in Rollenbildern ihres eigenen Geschlechts. Die Inhaftierten sind durchdrungen von Wettkampf und Überlegenheitsdenken, demonstrativer Härte, (heterosexuelle) Potenzbeweise etc. Einige haben es geschafft, sich diese Muster vom Leib zu halten, andere wurden zu Opfern. Und dann selber zu Tätern.

Physisches Tableau

Die Uraufführung von Ebru Tartıcı Borchers am Kosmos-Theater Wien am Dienstagabend – es ist ihre Diplominszenierung vom Mozarteum Salzburg – macht die vorherrschende Anspannung in einem überaus physischen Tableau sichtbar. Auf einem abstrahierten weißen Zellen- und Hofgelände (Bühne und Kostüme: Sam Beklik) deklinieren Nikita Buldyrski, Servan Durmaz, Alaaeldin Dyab, Kai Götting und Igor Karbus in roten Knast-Overalls ein männlich konnotiertes Gestenvokabular durch – Schattenboxen, Auf-die-Brust-Schlagen, gestresstes Wippen, Abklatschen usw., "strong language" inklusive.

Das ist klug, sparsam und stringent gemacht, transportiert sein Anliegen unterm Strich aber auch allzu verspielt. Angesichts ihrer Verbrechen machen die Häfenbrüder eigentlich nur Sympathiepunkte – das wirkt verharmlosend, eine echte Gratwanderung. Die deutsche Autorin Jeß, die für das in Graz uraufgeführte Bookpink bereits 2020 zur Nachwuchsautorin des Jahres gekürt wurde, hat aber ganz gewiss Gespür für gute Stoffe und deren Dramatisierung. (Margarete Affenzeller, 17.2.2022)