Rechtsanwältin Julia Andras analysiert ein Scheidungsurteil, laut dem eine offene Kommunikation zu den ehelichen Pflichten gehört.

Einer der wohl relevantesten Scheidungsgründe ist der Ehebruch. Dieser war in Österreich bis zum Jahr 1997 unter bestimmten Voraussetzungen sogar unter Strafe gestellt. Aber ab wann liegt Ehebruch vor, beziehungsweise welche Intensität muss eine außereheliche (freundschaftliche) Beziehung erreichen, um einen Scheidungsgrund darzustellen?

Kein Sex und Kontrollzwang

Mit dieser Frage hatte sich der Oberste Gerichtshof in einer kürzlich ergangenen Entscheidung auseinanderzusetzen (OGH 1 Ob 2/21g vom 22.6.2021). Die Ehe der Streitparteien wurde 1987 geschlossen. Bis zur Geburt der gemeinsamen Tochter im Jahr 2001 verlief sie weitgehend harmonisch. Danach entwickelten sich aber gewisse Unstimmigkeiten, die die Eheleute insbesondere darauf zurückführten, dass die Ehefrau ihre Bereitschaft zum ehelichen Geschlechtsverkehr reduzierte.

Ab 2007 unternahm der Ehemann mit seinem Auto an den Wochenenden regelmäßig Ausflüge, an denen seine Frau wegen seines rasanten Fahrstils nur selten teilnahm. Wenn sie ihn dann fragte, wo er die Wochenenden verbracht hatte, gab er ihr knappe bis keine Antworten. 2015 verschlechterte sich das Verhältnis der Eheleute drastisch. Der Grund hierfür lag wieder in der Verweigerung des ehelichen Geschlechtsverkehrs, woraufhin beide Eheleute begannen, einen Kalender zu führen, in dem sie die Zeitpunkte ihrer sexuellen Begegnungen eintrugen.

Die Ehefrau klagte über zwanghafte Eifersucht und Kontrollzwang ihres Mannes. Dieser fuhr ihr auch hinterher und telefonierte ihr ständig nach. Die Ehefrau begann sich dann mit einem benachbarten Ehepaar anzufreunden, das sie auch regelmäßig aufsuchte. Als sie sich einmal mit dem befreundeten Nachbarn in dessen Gartenhütte aufhielt, wobei hinzuzufügen ist, dass der Nachbar die Gartentür verschlossen hatte, vermutete der Ehemann, dass es dort zum außerehelichen Geschlechtsverkehr komme.

Es kam zu einem Eklat. In weiterer Folge montierte der Ehemann auch auf dem zur Liegenschaft des Nachbarn führenden Weg beziehungsweise am Gartentor Wildkameras, um seine Frau dort zu filmen. Die Kameras wurden nach kurzer Zeit von der Ehefrau wieder entfernt. Im Gerichtsverfahren konnte bis zuletzt nicht festgestellt werden, ob die Ehefrau zu ihrem Nachbarn eine außereheliche Beziehung im Sinne einer sexuellen Beziehung unterhielt.

Außereheliche Freundschaft

Irgendwann im Jahr 2018 begann der Ehemann, sich mehrmals mit einer Frau zu treffen, und verbrachte Zeit mit ihr, ohne seine Ehefrau darüber in Kenntnis zu setzen. Er erledigte für sie auch kleinere Hilfsarbeiten wie die Montage einer Markise oder die Entsorgung ihrer Gartenmöbel. Der Ehemann ging mit dieser Frau auch essen, und sie fotografierten einander. Es kann aber nicht festgestellt werden, ob sie einen gemeinsamen Urlaub verbrachten oder eine geschlechtliche Beziehung miteinander führten.

Beide Eheleute begehrten die Scheidung jeweils aus dem alleinigen Verschulden des anderen. Das Erstgericht schied die Ehe zunächst aus dem überwiegenden Verschulden des Ehemanns, dies aufgrund der von ihm verletzten Treue- und Vertrauensverhältnisse, insbesondere weil er seiner Ehefrau grundlos den Einblick in seine Freizeitgestaltung an den Wochenenden verschwiegen und ihr auch den Umgang mit seiner Bekannten nicht offengelegt hätte. Speziell habe er objektiv den Schein einer ehewidrigen Beziehung erweckt. Außerdem seien ihm ein Kontrollzwang und die Überwachung des Verhaltens seiner Frau anzulasten. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Dagegen erhob der Beklagte Revision, welche vom Obersten Gerichtshof als zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrags auch als berechtigt bewertet wurde.

Geheim und unerwünscht: Freundschaften und Treffen sollten dem Ehepartner oder der Ehepartnerin kommuniziert werden.
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Offene Kommunikation ist Ehepflicht

Der Oberste Gerichtshof hielt in diesem Zusammenhang fest, dass grundsätzlich auch rein "freundschaftliche" Beziehungen zu einem Dritten eine Eheverfehlung sein können, wenn sie gegen den Willen des anderen Ehegatten gepflogen werden oder wenn ein Eheteil sie dem anderen trotz ihrer über das übliche hinausgehenden Intensität verheimlicht. So hätten die Gerichte der Vorinstanzen dem Ehemann eine solche Beziehung als schwere Eheverfehlung angelastet.

Dazu stehe aber lediglich fest, dass der Ehemann ab einem nicht näher festgelegten Zeitpunkt im Jahr 2018 eine andere Frau getroffen und mit dieser seine Freizeit verbracht habe. Weiters sei er ihr bei zwei Gelegenheiten behilflich gewesen. Auch wenn die Kontakte ohne Wissen der Ehefrau erfolgten und auch wenn der Ehemann und diese Frau einander fotografiert haben mögen, würden sich daraus allein noch nicht ausreichende Anhaltspunkte für die Intensität dieser Beziehung ergeben. Es könnten sich auch keine Rückschlüsse darauf treffen lassen, ob der Ehemann diese Beziehung bereits aufgenommen hatte, bevor die Ehe aus der Sicht seiner Frau endgültig zerrüttet war und sie damit ein solches Verhalten ihres Mannes noch als ehestörend empfunden haben könnte. Insofern seien die Feststellungen des Gerichts erster Instanz noch zu konkretisieren. Das Verfahren wurde zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Es müssen im fortzusetzenden Verfahren daher wesentlich umfassende, möglichst präzise und chronologisch geordnete Feststellungen über die Ehe, insbesondere ab dem Zeitpunkt 2015 bis zur eingetretenen Zerrüttung, getroffen werden, um in weiterer Folge eine finale Entscheidung treffen zu können.

Fazit der oben zitierten Entscheidung ist jedoch, dass eine offene Kommunikation zwischen den Eheleuten Teil der ehelichen Treuepflicht ist, sodass man darauf immer achtgeben sollte. (Julia Andras, 18.2.2022)