Dodik unter Druck.

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Das Europäische Parlament forderte am Donnerstag die Verhängung von Sanktionen gegen den bosnisch-serbischen Nationalisten Milorad Dodik. Das Europäische Parlament verurteilte den Sezessionismus des Chefs der Partei SNSD und forderte den Europäischen Rat auf, gegen Dodik und seine Verbündeten Sanktionen zu verhängen. 504 Abgeordnete stimmten dafür, 93 Abgeordnete stimmten dagegen, 72 enthielten sich.

In dem Antrag der EU-Parlamentarier wurde argumentiert, dass Dodiks Politik die staatlichen Strukturen von Bosnien und Herzegowina untergrabe und eine existenzielle Bedrohung seiner Einheit und territorialen Integrität darstelle. Auch die schädliche Rolle regionaler Akteure und die Einmischung Russlands von außen werden vom EU-Parlament verurteilt.

Die USA haben noch unter dem ehemaligen Präsidenten Barack Obama im Jahr 2017 Sanktionen gegen Dodik eingeführt und sie nun diesen Jänner weiter verschärft. Die EU hat sich jedoch nicht zu Sanktionen durchgerungen – unter anderem, weil nationalistisch geführte Staaten wie Ungarn Dodik sogar unterstützen und weil andere Staaten ihre wirtschaftlichen Interessen gefährdet sehen. Deutschland setzt sich für Sanktionen ein, Österreich ist hingegen mehr als zögerlich.

Kampagne gegen den eigenen Staat

Dodik führt seit vielen Jahren eine Kampagne gegen den Staat Bosnien-Herzegowina, er möchte – wie die Nationalisten im Bosnienkrieg 1992–1995 – den Landesteil Republika Srpska abspalten. In den Kriegsjahren wurden dort Nichtserben systematisch verfolgt, vertrieben und ermordet, um das Gebiet "ethnisch" zu säubern und später an ein Großserbien anzugliedern. Seit Oktober haben Dodik und seine Partei nun zahlreiche gesetzliche Initiativen gestartet, um aus den gemeinsamen Institutionen – etwa aus der Arzneimittelagentur – auszusteigen. Dodik will auch eine eigene Armee und Justiz. Er wird von Russland und Serbien, aber auch von Kroatien unterstützt.

So wurde die Forderung nach Sanktionen gegen ihn zwar von der Mehrheit der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament unterstützt, nicht aber von der kroatischen Partei HDZ. Die HDZ ist über ihre Schwesterpartei HDZ BiH in Bosnien-Herzegowina mit Dodik verbündet. Kroatische Politiker versuchen seit vielen Monaten vermehrt Einfluss im Nachbarstaat Bosnien-Herzegowina auszuüben, obwohl Kroatien im Friedensvertrag von Dayton 1995 unterschrieben hat, dass es die politische Souveränität Bosnien-Herzegowinas respektieren und alle Maßnahmen gegen "die politische Unabhängigkeit von Bosnien-Herzegowina" vermeiden werde.

Einmischung über EU-Institutionen

Die Einmischung erfolgt nun vor allem über die Institutionen der EU, weil Kroatien seit 2013 EU-Mitglied ist und diese Kanäle erfolgreich nutzen kann. Seit Monaten versuchen kroatisch-nationalistische Kräfte ihre Vorstellungen von der Änderung der Verfassung und des Wahlgesetzes in Bosnien-Herzegowina durchzusetzen. Zuletzt brachte der Chef der HDZ in Bosnien-Herzegowina, Dragan Čović, sogar die "Zukunft von Bosnien-Herzegowina" mit der Umsetzung der Wahlrechtsreform in Verbindung. Die HDZ will, dass das kroatische Mitglied der dreiköpfigen Präsidentschaft künftig ein HDZ-Politiker ist und nicht – wie jetzt gerade Željko Komšić – ein Mitte-links-Politiker und Nichtnationalist.

Die HDZ konnte sogar viele EU-Politiker und EU-Diplomaten von ihrem Anspruch überzeugen, weil sie argumentiert, dass künftig nur mehr hauptsächlich Kroaten das kroatische Mitglied wählen sollen können und nicht auch andere Bosnier und Herzegowiner. Allerdings vertreten die drei Mitglieder des Staatspräsidiums (ein Bosniake, ein Serbe und ein Kroate) eben nicht die drei konstitutiven Völker (Bosniaken, Serben, Kroaten), sondern alle Bürger, sie haben lediglich selbst nationale Attribute, wie das Verfassungsgericht klarstellte. Die Vertretung der drei konstitutiven Völker ist hingegen in der Völkerkammer, der zweiten Kammer des Parlaments, verankert.

Ethno-nationale Macht

Die Venedig-Kommission hat wegen der – für manche verwirrenden – verfassungsrechtlichen Umstände bereits 2005 dazu geraten, nur mehr eine Präsidentin oder einen Präsidenten für ganz Bosnien-Herzegowina zu haben, die/der nur beschränkte Zuständigkeiten haben sollte. Aber die Nationalisten in Bosnien-Herzegowina wollen ihre ethno-nationale Macht nicht aufgeben, sondern weiter einzementieren, und deshalb gibt es für eine solche europäisch orientierte Verfassungsänderung keine Mehrheiten.

Laut der kroatischen Zeitung "Večernji list" soll es nun sogar einen Pakt zwischen Kroatien und Ungarn geben, um durchzusetzen, dass die Wahlen im Oktober nur dann stattfinden können, wenn das Wahlgesetz nach dem Wunsch der HDZ verändert wird. Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD), der Hohe Repräsentant Christian Schmidt und die deutsche Regierung haben allerdings klargestellt, dass die Wahlen nicht wegen des Wahlgesetzes verschoben werden sollen. Eine Änderung der Verfassung und des Wahlgesetzes müssten spätestens bis Ende April erfolgen, weil ein halbes Jahr danach die Wahlen stattfinden sollen. Die HDZ droht andernfalls mit Boykott.

Wohlgesonnene Kroaten

Es gibt aber auch politische Stimmen in Kroatien, die dem Nachbarstaat Bosnien-Herzegowina wohlgesonnen sind und dort keine Nationalisten unterstützen. Zu diesen gehört der frühere Präsident Kroatiens, Stipe Mesić. Er veröffentlichte nun einen "Aufruf zur Rettung von Bosnien und Herzegowina" und stellte darin klar, dass die Politik von Dodik zu offenen Konflikten führen könne, dass Dodik aber seine separatistische Politik gar nicht durchführen könne, wenn es dafür nicht die aktive Unterstützung des Nachbarstaats Serbien und "die Unterstützung Kroatiens für die Führung der HDZ in Bosnien-Herzegowina" geben würde. Im Bosnienkrieg 1992–1995, in dem 100.000 Menschen getötet wurden, wollten Kroatien und Serbien den Staat Bosnien-Herzegowina untereinander aufteilen und zerstören. (Adelheid Wölfl, 17.2.2022)